Die Geschichte der Stadt Hattingen ist eng mit der Geschichte des Ruhrgebiets verbunden. Während ein Reichshof Hattnegen um 990 erstmals urkundlich erwähnt wird, stammt die Kirche aus dem Jahre 1200. Als eigentliches Jahr der Stadtgründung gilt 1396, als es der Stadt erlaubt wurde, eine Befestigung zu errichten.
Hattingen gehörte zur Grafschaft Mark und kam später mit dieser an Brandenburg-Preußen. Aufgrund seiner günstigen Lage direkt an der Ruhr und einem Spateisenvorkommen siedelte sich 1854 mit der Henrichshütte Schwerindustrie an. Die Hütte ist seit 1987 geschlossen, seitdem befindet sich Hattingen im Prozess der Umstrukturierung.
Um 2000 vor Chr. sollen sich unter anderem in Holthausen, Welper und an der Westseite des Isenberges Siedlungsplätze befunden haben. Der Hilinciweg führte wahrscheinlich schon im Neolithikum durch das Balkhauser Tal und das Bergische Land in die Kölner Bucht.
Die Sachsen erobern 715 den fränkischen Gau der Hatuarier am Unterlauf der Ruhr. Ein Teil des Chattuarenlandes (um Herbede und Hattingen) wird sächsisch. Die Konflikte zwischen Sachsen und fränkischen Hatuariern dauern an, bis die Franken um 800 die ganze Region für sich erobern.
990
In einer Urkunde des Stifts Essen wird der Reichshof Hatneggen (Hattingen) mit seiner Kapelle erstmals erwähnt.[1]
1005
In den beiden Weistürmern des Hofes Hattingen, aufgeschrieben in den Jahren 1498 und 1534, wird ausführlich von einer Schenkung des späteren Kaisers Heinrich II. an das Kloster Deutz berichtet, die 1005 stattgefunden haben soll. Eine Bestätigung durch noch existierende Urkunden ist nicht möglich. Erzbischof Heribert von Köln überweist am 3. Mai 1020 dem von ihm gegründeten Kloster Deutz am Tage seiner Weihe erneut sämtliche bis dahin geschenkten Besitzungen. Dazu gehörten auch die Kirche und der Hof zu Hattingen. Diese Urkunde wird von Historikern als klösterliche Fälschung angesehen.
Die Isenburg wird vom Grafen von Hövel, Arnold von Altena sowie dessen Bruder, dem Kölner Erzbischof Adolf I., errichtet. Sie liegt strategisch günstig zwischen der Hauptstadt des Erzbistums Köln und der Hauptstadt des Herzogtums Westfalen, Soest.[2]
Friedrich von Isenberg, Sohn Arnolds von Altena, tötet am 7. November 1225 seinen Onkel zweiten Grades, Erzbischof Engelbert von Berg. Trotz einer sofort danach angetretenen Bußreise nach Rom wird er im nächsten Jahr in Köln gerädert und nach seinem Tode am 14. November 1226 auf einer Steinsäule zur Abschreckung öffentlich ausgestellt.
Graf Adolf II. von der Mark, Ur-Ur-Enkel von Adolf I. legt den Grundstein für Haus Kliff. Das Haus Kliff war ein Rittergut bei Hattingen und diente zur Überwachung von Überfahrten auf und an der Ruhr. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Altersheim (Birchelsmühle)
1396
Graf Dietrich von der Mark erlaubt den Hattingern die Errichtung einer Stadtbefestigung. Das sogenannte Befestigungsprivileg gilt allgemein als Erhebung Hattingens zur Stadt, da es die Einwohner des vorher ungeschützten Ortes zu Bewohner einer burgähnlichen Anlage, zu Bürgern, erhebt. Die ersten Befestigungen bestehen noch aus Flechtwerk zwischen Eichenpfosten, da Dietrich den Hattingern nicht das Recht verleiht, auch Steine für die Stadtmauer abzubauen.
1406
Der Stadt wird das Privileg des Weinzapfens verliehen.
1412
Die ersten drei Gilden werden gegründet mit einer straffen Ordnung für das Gewerbe.
1424
Im Krieg zwischen den beiden Brüdern, dem Grafen von der Mark Adolf IV und Gerhard von der Mark zu Hamm (in der Folge der Auseinandersetzung Graf zur Mark), wird die Stadt bis auf zwei Häuser bei der Eroberung durch bergische Truppen vollständig abgebrannt. Die Stadt muss neu aufgebaut werden
1429
Ein weiterer Stadtbrand folgt. Unter anderem wird die Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen, so dass die größten Teile ihres Baus aus der Zeit nach 1450 stammen.
1435
Die Stadt erhält das Privileg, Wochen- und Jahrmärkte veranstalten zu dürfen.
1486
Herzog Johann verleiht Hattingen am 24. Mai 1486 das Privileg der Kannakzise. Die beiden Bürgermeister und der Rat erhalten das Recht, eigene Gesetze und Statuten zu erlassen.[3] Ebenso dürfen sie ab 1486 Steine brechen, um die Stadtbefestigung zu verstärken. Ab 1500 ersetzen die Hattinger den vorherigen Eichen-Flechtwerk-Wall durch eine doppelte Steinmauer mit Graben.[4] Es gab sieben Stadttürme (darunter den Bruchtorturm, Wingartsturm, Kleiner Turm, Lucker Turm, Fangturm) und fünf Tore (Bruchtor, Heggertor, Holschentor, Steinhagentor, Weiltor).[5]
Nach französischem Vorbild werden die beiden Ämter Hattingen und Blankenstein eingerichtet und dem Kreis Bochum in der neugebildeten preußischen Provinz Westfalen angegliedert.
1820
Der Besitzer von Haus Kliff errichtet eine Ruhrschleuse. Die Stadtbefestigung wird zu einem großen Teil abgebrochen.
Die Chaussee wird gebaut, die später Sprockhöveler Straße, Reichsstraße 51 und heute Bredenscheider Straße heißt.[8]
1843
Die Stadt Hattingen scheidet aus dem Amtsverband Hattingen-Land aus.
1854
Die Entdeckung des Hattinger Spateisenflözes führt zur grundsätzlichen Veränderung der Region. Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode vom Rittergut Bruch in Welper erwirbt 1854 die ersten 76 Morgen Land zur Errichtung der Henrichshütte und legt somit den Grundstein zum Einzug der Schwerindustrie.[9] Obwohl das Eisenflöz sich schnell erschöpft, trägt die günstige Lage direkt an der Ruhr dazu bei, dass die Produktion der Henrichshütte über 100 Jahre lang die Wirtschaft des Ortes dominiert.
Die Chaussee Hattingen–Blankenstein–Steinenhaus wird eröffnet.
1868
In der Scheune des Brennereibesitzers Weygand bricht am 7. August 1868 ein Brand aus. Am Ende waren zehn Häuser und Werkstätten mehr oder minder zerstört. Wenige Wochen später wurde die Freiwillige Feuerwehr Hattingen gegründet. 160 Männer traten sofort als aktives Mitglied der Feuerwehr bei.[11]
1869
Die Ruhrtal-Bahn bindet Hattingen an das Eisenbahnnetz an.
Im Rahmen einer großen Kommunalreform wird der bisherige Landkreis Hattingen in den neu gebildeten Ennepe-Ruhr-Kreis eingegliedert.
1932
Die politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik erreichen Hattingen. Während die Arbeiter der Henrichshütte vor allem in KPD und SPD organisiert sind, unterstützt Betriebsleiter Arnold, nominell Mitglied der DNVP, schon früh die NSDAP sowohl finanziell auch durch seinen lokalen Einfluss. 1932 erschießt ein SA-Trupp einen kommunistischen Aktivisten aus einem fahrenden Auto heraus. Zur Totenfeier kommen 10.000 Arbeiter aus Hattingen, Bochum und der weiteren Umgebung.
Am 28. März 1933 ernennt die Stadt Hattingen Adolf Hitler zum Ehrenbürger.[15] Nach der Machtübergabe beginnen die Nationalsozialisten systematisch gegen die in Hattingen starken Sozialdemokraten und Kommunisten vorzugehen. Am 2. Mai 1933 verhaftet die SA den Gewerkschaftsgeschäftsführer und löst im Rahmen der Gleichschaltung auch die freien Gewerkschaften in Hattingen auf. Am 12. September 1933 fährt der erste Gefangenentransport sechs KPD-Mitglieder in das EmslandlagerKZ Börgermoor. Zahlreiche weitere folgen, das Lager selbst wird als Lager der Moorsoldaten bekannt.[16]
ab 1939
Während der gesamten Zeit des Nationalsozialismus sind Zwangsarbeiter in Hattingen beschäftigt, hier vor allem auch wieder in der Henrichshütte, der ab Kriegsbeginn in der Rüstungsproduktion eine besondere Stellung zukommt. Ende 1944 besteht die Belegschaft der Heinrichshütte zu fast 50 % aus französischen, serbischen und sowjetischen Kriegsgefangenen, belgischen, italienischen, niederländischen und polnischen Zivilarbeitern sowie italienischen Militärinternierten.[17] Während die Westarbeiter sich weitestgehend frei in Hattingen bewegen können, sind Ostarbeiter, sowjetische Kriegsgefangene und italienische Militärgefangene in Lagern untergebracht.[18] Nach Kriegsende werden 356 Todesfälle nachgewiesen, davon 20 % aufgrund schlechter Lebensbedingungen und 31 Fälle gewaltsamen Todes.[19] Die Dunkelziffer ist unbekannt – so ordnet das Landratsamt in Schwelm am 11. April 1945 in der Aktion Richard sowohl die Vernichtung von Aktenbeständen als auch die Auflösung der in Hattingen bestehenden Lager an.[20]
Hattingen ist während des Zweiten Weltkrieges mehrfach von Bombenangriffen der Alliierten betroffen, hierbei stellt die Henrichshütte ein vorrangiges Angriffsziel dar, so im Mai 1940, im Mai und Juli 1943 sowie im März 1944. Bereits seit 1944 ist das Stadtbild vom Krieg geprägt. Hinweisschilder verweisen auf Saugstellen und Löschwasserteiche. Um eine Flucht der Bevölkerung aus der Stadt, z. B. bei großen Flächenbränden, zu ermöglichen, werden zentrale Sammelstellen eingerichtet, u. a. am Rathausplatz, das Gelände am Reschop, das Gelände an der Schulstraße sowie der Bruchtorplatz.[21] Am 14. März 1945 erfolgt ein schwerer Angriff sowohl auf Hattingen als auch auf die Henrichshütte unter dem Einsatz von 1200 Sprengbomben. Hierbei werden 144 Menschen getötet und die Stromversorgung vernichtet. Nur vier Tage später, am 18. März 1945, erfolgt ein erneuter Angriff mit 800 Sprengbomben, bei dem 30 Menschen sterben und die Wasserversorgung zerstört wird.[22]
ab 1941
Die ersten Hattinger Juden werden am 28. Juni 1941 in der Gewehrfabrik an der Ruhrbrücke ghettoisiert. Im April und Juli 1942 werden sie in drei Transporten größtenteils nach Zamosc und Theresienstadt deportiert und ermordet.[23]
In den 1970ern beginnt der damalige Inhaber Thyssen mit dem langsamen Abbau der Henrichshütte. Zwischen 1976 und 1986 geht ein Drittel der ehemals 24.000 Arbeitsplätze in der Stadt verloren. Auch die Eröffnung der neuen Koster Brücke 1980, um die Henrichshütte besser an das Verkehrsnetz anzubinden, kann den Trend nicht anhalten. Die Thyssen AG legt ab Herbst 1986 in mehreren Phasen die Henrichshütte still. Trotz des Widerstandes aus der gesamten Region wird mit der letzten Schicht vom 18. Dezember 1987 die Geschichte einer 133-jährigen Hochofen-Tradition beendet.[25] In den folgenden Jahren werden größere Teile der Anlage gesprengt, so 1994 der Gasometer und 2005 das Stahlwerk.
1993
Seit der Wiedervereinigung kam es deutschlandweit zu Brandanschlägen auf Wohnheime von Asylbewerbern sowie auf von Migranten bewohnte Privathäuser. In der Nacht zum 5. Juni bricht im Haus einer türkischen Familie an der Unionstraße in Hattingen Feuer aus, Brandstiftung scheint wahrscheinlich. Nach der ersten allgemeinen Empörung, einer Demonstration und Spendenaufrufen wendet sich die Stimmung gegen die Familie: Polizei und Staatsanwaltschaft vertreten die These, die Familie hätte ihre Wohnung selbst in Brand gesetzt. Gegen die Mutter wird Anklage erhoben wegen schwerer Brandstiftung und der Vortäuschung einer Straftat. Ende 1993 verlässt die Familie die Stadt. 1996 wird die Familie durch ein Bochumer Gericht von den gegen sie erhobenen Vorwürfen freigesprochen.[26]
1996
Drei Menschen aus Eisen, Skulpturen des polnischen Bildhauers Zbigniew Frączkiewicz, verbleiben zum Angedenken an die Stahlproduktion Henrichshütte an der Stadtmauer.
Heinrich Eversberg: Das mittelalterliche Hattingen. Kulturgeschichte und Siedlungsgeographie einer Stadt an der Ruhr. Heimat und Geschichtsverein Hattingen 1985
Erich Juethe: Hattingen im Zweiten Weltkrieg. Hattinger Heimatmuseum, Hattingen 1960
Anja Kuhn, Thomas Weiß (Hrsg.): Zwangsarbeit in Hattingen. Klartext, Essen 2003, ISBN 3-89861-203-1
Thomas Griesohn-Pflieger: Hattingen: Stadtjubiläum: Hattingen bewegt sich: 600 Jahre Hattingen; Hattingen: Stadt Hattingen, 1996
IG Metall (Hrsg.): Aus der Geschichte lernen. Gedenkfeier der IG Metall zu Ehren der Opfer des Hitlerfaschismus am Samstag den 10. November 1979 1979
Thomas Weiß: Hattingen-Chronik. Essen: Klartext-Verlag, 1996, ISBN 3-88474-489-5
Albert Ludorff, Franz Darpe: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Hattingen. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1909
Gaby Hommel: Feuer in einer kleinen Stadt. Zum Brandanschlag in Hattingen und seinen Folgen. In: Vogel, Wolf Dieter: Der Lübecker Brandanschlag. Fakten, Fragen, Parallelen zu einem Justizskandal, Berlin 1996, ISBN 3-88520-605-6
Prozessgruppe zum Fall Hattingen (Hg.): Hattingen-Lübeck: Die Brandanschläge in der Barbarisierung der Gesellschaft. Berlin/Göttingen 1998, ISBN 3-924737-43-6