Reichstag (Zeit des Nationalsozialismus)

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Die Krolloper in Berlin, Sitzungsort des Reichstags ab 1933

Der deutsche Reichstag war von 1933 bis 1945 ein Scheinparlament während der nationalsozialistischen Diktatur. Nach der letzten Reichstagswahl, an der mehr als eine Partei teilnahm, verabschiedete der neue, am 21. März 1933 eröffnete Reichstag unter Adolf Hitler am 23. März desselben Jahres das Ermächtigungsgesetz. Damit trat er seine Gesetzgebungskompetenzen faktisch an die Reichsregierung (Kabinett Hitler) ab. Ab Juli desselben Jahres bildete die NSDAP die einzige Fraktion. Reichstagspräsident war Hermann Göring. Mit dem Anschluss Österreichs wurde das Scheinparlament in Berlin 1938 in Großdeutscher Reichstag umbenannt. Mangels wesentlicher parlamentarischer Kompetenzen sowie wegen des regelmäßigen Singens der Nationalhymne wurde er, als Flüsterwitz, der „teuerste Gesangsverein Deutschlands“ genannt.[1][2]

Wahlplakat mit Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Hitler zur Wahl im November 1933:
Der Marschall und der Gefreite kämpfen mit uns für Frieden und Gleichberechtigung
1933
  • 5. März: Reichstagswahl (letzte Wahl, an der mehr als eine Partei teilnahm)
  • 12. November: Reichstagswahl (erste Reichstagswahl mit Einheitsliste der NSDAP; zusammen mit der Volksabstimmung über den bereits vollzogenen Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund)
1936
1938

Nach der Wahl am 29. März 1936 wurde eine neue Zählung der Legislaturperioden dekretiert. Es begann nun die 3. Wahlperiode. Die VIII. Wahlperiode (März bis November 1933) und die IX. Wahlperiode (November 1933 bis März 1936) wurden nachträglich in 1. und 2. Wahlperiode umgedeutet, um die „Zäsur mit dem Machtantritt Hitlers deutlich werden zu lassen.“[3]

Am 25. Januar 1943 verlängerte Hitler die 4. Wahlperiode des Reichstages durch das Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode des Großdeutschen Reichstags bis zum 30. Januar 1947.[4] Damit wurde vermieden, während des Zweiten Weltkrieges Wahlen abhalten zu müssen. Durch den Kriegsausgang kam es nicht mehr zu einem weiteren Urnengang.

Aussagekraft der Wahlergebnisse

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Die Ergebnisse der Reichstagswahlen und Volksabstimmungen, bei denen die NSDAP stets überwältigende Zustimmung erhielt, können nicht als authentischer Ausdruck der Volksmeinung angesehen werden.

Bei den Wahlen ab November 1933 stand jeweils nur die NSDAP zur Wahl. Alle übrigen Parteien waren in der vorherigen Legislaturperiode bis zum Juli 1933 verboten worden oder hatten ihre Selbstauflösung beschlossen. Bei allen drei Wahlen wurde jeweils eine Einheitsliste aufgestellt (vgl. Reichswahlvorschlag), auf denen auch einige als Gäste bezeichnete Parteilose kandidierten. Bei den Wahlen im November 1933 und 1936 gab es lediglich die Möglichkeit der Zustimmung oder des Ungültigmachens des Stimmzettels. Nur bei der Reichstagswahl 1938 war es, wegen der vollständigen Verschmelzung mit der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs, möglich, gegen die NSDAP mit „Nein“ zu stimmen.

Wahlen wurden mehrfach zur Legitimation einer aggressiven Außenpolitik (Rheinlandbesetzung, Anschluss Österreichs) angesetzt. Aus berechtigter Angst vor einem Bruch des Wahlgeheimnisses stimmten auch viele Kritiker und Gegner des Regimes für die Liste der NSDAP. Mancherorts wurden die Wahlen genutzt, um die Namen der „Nein“-Wähler systematisch zu ermitteln. Wer mit „Nein“ stimmte, musste daher mit Repressionen rechnen. So erklärt sich, dass selbst die Häftlinge des KZ Dachau im November 1933 zu 99,5 % für die Liste der NSDAP stimmten.[5]

Abgeordnete und Sitzanzahl

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Gemäß den Regelungen des Weimarer Wahlgesetzes wurde für je 60.000 abgegebene Stimmen ein Sitz erteilt. Da die Wahlbeteiligung sehr hoch war, aber auch wegen der neu zum Reich gekommenen Gebiete, nahm das Parlament bedeutend größere Ausmaße an als noch zu Beginn des Jahres 1933. Zuletzt gab es 876[6] Abgeordnete; Adolf Hitler selbst war dabei Nr. 433, gewählt im Reichstagswahlkreis 24 (Oberbayern-Schwaben).

Nach der noch teils freien Wahl im März 1933 zogen 3,8 % Frauen aus verschiedenen Parteien, aber nicht der NSDAP, ins Parlament ein.[7] Bei den drei folgenden Wahlen gab es keine Kandidatinnen und somit keine weiblichen Abgeordneten mehr (siehe dazu auch Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus). Gleiches galt für jüdische Kandidaten beider Geschlechter. Juden verloren zudem de jure infolge des Reichsbürgergesetzes (1935) das aktive und passive Wahlrecht, da sie nicht mehr als „Reichsbürger“ galten.

Die Mandate von verstorbenen Abgeordneten wurden neu vergeben. Da der Reichstag von April 1942 bis zum Kriegsende im Mai 1945 nicht mehr zusammentrat, nahmen alle in dieser Zeit neu berufenen Abgeordneten, trotz ihres Status als Abgeordnete des Reichstags, tatsächlich an keiner einzigen Reichstagssitzung teil. Der letzte Abgeordnete auf den dies zutraf, war Rolf Fordon, ein Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe, der noch am 8. Dezember 1944 Mitglied des Reichstags wurde.

Reichstagssitzung vom 19. Juli 1940

Infolge des Brandanschlags im Februar 1933 und nachfolgender Umbauten war das Reichstagsgebäude über längere Zeit nicht benutzbar. Deshalb wurde der Vorführungssaal der gegenüberliegenden Krolloper in einen Sitzungssaal umgebaut. Nach dem Umzug fanden dort die Reichstagssitzungen statt.

Nach dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 trat der Reichstag bis zum Kriegsende 1945, mithin innerhalb von zwölf Jahren, nur neunzehn Mal zusammen, letztmals 1942. In diesen Sitzungen wurden lediglich sieben Gesetze verabschiedet – gegenüber 986 Gesetzen, die von der Regierung allein beschlossen wurden.[8] Zwei dieser Gesetze betrafen die Verlängerung des jeweils auf vier Jahre begrenzten Ermächtigungsgesetzes. Die übrigen fünf Gesetze, die der Reichstag zwischen 1933 und 1945 beschloss, waren:

Zum letzten Mal trat der Reichstag am 26. April 1942 zusammen. Der bei dieser Sitzung einstimmig gefasste Beschluss des Großdeutschen Reichstags hob die letzten Vorrechte von Beamten auf und machte den Führer darüber hinaus endgültig zur letzten Instanz von Gesetzgebung und Entscheidungen. Erlasse Adolf Hitlers standen nunmehr den durch den Reichstag beschlossenen Gesetzen gleich, was letztlich auch die Reichsregierung abschaffte.

  • Mechtild Fülles: Frauen in Partei und Parlament. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1969, DNB 456683038.
  • Ralph Jessen, Hedwig Richter (Hrsg.): Voting for Hitler and Stalin. Elections under 20th Century Dictatorship. Frankfurt a. M. 2011, DNB 1011915669 (englisch).
  • Otmar Jung: Plebiszit und Diktatur: die Volksabstimmungen der Nationalsozialisten. Die Fälle „Austritt aus dem Völkerbund“ (1933), „Staatsoberhaupt“ (1934) und „Anschluß Österreichs“ (1938) (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Band 13). Mohr Siebeck, Tübingen 1995, DNB 945529260.
  • Peter Hubert: Uniformierter Reichstag. Die Geschichte der Pseudo-Volksvertretung 1933–1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1992, DNB 920034047.
  • Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Düsseldorf 2004, DNB 968733557.
  • Detlef Peitz: Der Reichstag und sein Stenografenbüro 1933 bis 1945. In: Neue Stenografische Praxis (= Parlamentsstenografen und NS-Diktatur. Band 2). 62. Jahrgang, Nr. 2, 2014, ZDB-ID 955215-7, S. 48–59.
  • Marcel Stepanek: Wahlkampf im Zeichen der Diktatur. Die Inszenierung von Wahlen und Abstimmungen im nationalsozialistischen Deutschland. Leipzig 2014, DNB 1060873370.
  • Verwaltung des Deutschen Bundestages, Fachbereich WD1: „Scheinparlamentarismus“ in der NS-Zeit. Hrsg.: Deutscher Bundestag. Berlin 2006 (bundestag.de [PDF] Begleittext Historischen Ausstellung des Deutschen Bundestages).

Quellen:

  • Deutsches Reich. Reichstag (Hrsg.): Verhandlungen des Deutschen Reichstags. Stenographische Berichte. Berlin 1871, DNB 011218193 (reichstagsprotokolle.de – letztmals erschienen 1939).
  • Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode des Großdeutschen Reichstags. Vom 25. Januar 1943. (= Reichsministerium des Innern [Hrsg.]: Reichsgesetzblatt. Band 1943, Nr. 10). Reichsverlagsamt, 29. Januar 1943, ZDB-ID 513863-2, S. 65 (onb.ac.at).

Einzelnachweise

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  1. Michael Stolleis: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914–1945 (= Die Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Band 3). München 1999, DNB 1135196222, S. 317.
  2. Hans-Ulrich Wehler: Deutschlands fatale Revolution. Eine Zäsur ohne Beispiel – und ohne historische Wiederkehr: zum 70. Jahrestag der „Machtergreifung“ Hitlers. In: Der Tagesspiegel. 30. Januar 2003 (tagesspiegel.de).
  3. Siehe Detlef Peitz: Der Reichstag und sein Stenografenbüro, S. 52.
  4. Siehe Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode des Großdeutschen Reichstags.
  5. Michael Grüttner: Das Dritte Reich. 1933–1939 (= Handbuch der deutschen Geschichte. Band 19). Stuttgart 2014, S. 548 f.
  6. Siehe Joachim Lilla et al.: Statisten in Uniform, S. 771–772.
  7. Siehe Mechtild Fülles: Frauen in Partei und Parlament.
  8. Reichstag im Nationalsozialismus. Deutscher Bundestag, abgerufen am 20. Oktober 2012.
  9. Diese sechste Sitzung der Legislaturperiode zur Verabschiedung der Nürnberger Gesetze fand abweichend nicht in der Krolloper in Berlin, sondern im Rahmen des Reichsparteitags in Nürnberg im dortigen Kulturvereinshaus statt (siehe Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Wahlperiode 1933, 6. Sitzung, S. 57).
  10. Hans Schneider: Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Bericht über das Zustandekommen und die Anwendung des Gesetzes (= Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 1. Jg., Nr. 3). 1953, ZDB-ID 200371-5 (ifz-muenchen.de [PDF]).