Leonore Gewessler
Leonore Gewessler (geboren am 15. September 1977 in Graz) ist eine österreichische Politikerin (Die Grünen) und ehemalige Umweltaktivistin. Sie war von 2014 bis 2019 Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000. Seit Jänner 2020 ist sie Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich (Bundesregierung Kurz II, Bundesregierung Schallenberg sowie Bundesregierung Nehammer).[1]
Ausbildung und politische Laufbahn
Gewessler besuchte die Volksschule in der oststeirischen Gemeinde Sankt Marein bei Graz und das Wirtschaftskundliche Bundesrealgymnasium Graz (WIKU).[2] Sie machte einen Bachelor in Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Gewessler war im 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau als Büroleiterin der Bezirksvorstehung tätig. Dort war sie mit nachhaltiger Stadtentwicklung und Partizipation der Bürger befasst. Von 2008 bis 2014 war sie Gründungsdirektorin der Green European Foundation (GEF) in Brüssel, einer europäischen politischen Stiftung, die aus Mitteln des Europaparlaments finanziert wird.[3]
Ab Juni 2014 arbeitete sie in der Umweltschutzorganisation Global 2000 in Wien und verantwortete als politische Geschäftsführerin (bis 2019) die Bereiche Kampagnen, Nachhaltigkeit und Öffentlichkeitsarbeit. Sie kämpfte für die Erhaltung der Verfassungsbestimmung zum umfassenden Umweltschutz und forderte eine Landwirtschaftspolitik, die uns „in Österreich und Europa weg von der Abhängigkeit von chemisch-synthetischen Spritzmitteln am Feld bringt“.[4] Sie war führend an der Europäischen Bürgerinitiative Stop Glyphosat beteiligt. Weitere Tätigkeitsfelder waren Proteste gegen die Kohleverstromung in Österreich und gegen das Atomkraftwerk Mochovce. Im Jahr 2017 unterstützte sie mit Global 2000 das Volksbegehren gegen die Handelsabkommen CETA und TTIP, welches von 562.552 Österreichern unterzeichnet wurde.
Sie war Beiratsmitglied der Grünen Bildungswerkstatt in Österreich und von 2009 bis 2018 Mitglied der Mitgliederversammlung der Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland. Außerdem war sie für Friends of the Earth Europe tätig.[3] Aufgrund der Unvereinbarkeit eines politischen Amtes mit einer Funktion bei Global 2000 verabschiedete sich Gewessler Mitte Juni 2019 von der Umweltschutzorganisation.[5]
Leonore Gewessler wurde am 29. Juni 2019 auf Platz zwei der oberösterreichischen Landesliste der Grünen bei der Nationalratswahl in Österreich 2019 gewählt.[6] Am 6. Juli 2019 wurde sie mit 99,52 Prozent auch auf Platz zwei der Bundesliste gewählt.[7] Ab 23. Oktober 2019 war sie Abgeordnete zum Nationalrat der 27. Gesetzgebungsperiode. Sie gehörte dem Sondierungs- und Verhandlungsteam der Grünen bei der Regierungsbildung in Österreich 2019 mit der ÖVP an. Am 7. Jänner 2020 wurde sie mit der Bundesregierung Kurz II als Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie angelobt.[8] Nachdem die geplanten Änderungen der Zuständigkeiten im Bundesministeriengesetz 1986 durch die türkis-grüne Regierung umgesetzt worden waren, kam es am 29. Jänner zur erneuten Angelobung von Gewessler als Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.[9] Nach dem Scheitern des ursprünglich geplanten 1-2-3-Tickets gibt es seit dem 26. Oktober 2021 die abgespeckte Version mit dem Namen Klimaticket, eine österreichweite Jahreskarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel zum Preis von 1095 Euro, das sind drei Euro pro Tag.[10] Im Oktober 2023 besitzen 262.000 Menschen ein Klimaticket Österreich,[11][12] Werbemaßnahmen werden jedoch kritisiert.[12][13]
Heftig kritisiert wurde der laut Experten und Umweltschützern viel zu niedrig angesetzte CO2-Preis von nur 30 Euro/Tonne ab Juli 2022 im Rahmen der Steuerreform.[14]
Am 24. Juni 2022 wurde Leonore Gewessler im erweiterten Bundesvorstand der Grünen als neue Stellvertreterin von Bundessprecher Werner Kogler gewählt. Sie folgte in dieser Funktion Nina Tomaselli nach.[15]
Gewessler möchte die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas reduzieren.[16]
Im August 2023 konnte Ministerin Gewessler die niedrigsten Treibhausgasemissionen seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1990 melden.[17][18]
Im Juni 2024 stimmte Gewessler im EU-Rat ausschlaggebend für das Renaturierungsgesetz. Da dies ohne Zustimmung des Koalitionspartners ÖVP erfolgte, kündigte Bundeskanzler Karl Nehammer eine Nichtigkeitsklage an.[19][20] Die ÖVP brachte zudem eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs bei der Staatsanwaltschaft Wien mit der Begründung ein, dass sie mit ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung „wissentlich ihre Befugnis (…) missbräuchlich ausgeübt“ habe.[21] Die Staatsanwaltschaft erklärte sich für nicht zuständig und legte die Agenda der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Prüfung vor. Am 13. September 2024 wurde bekannt, dass die WKStA eine Weiterverfolgung der Anzeige der ÖVP eingestellt hat und kein Verfahren eröffnet, da es sich laut WKStA bei Gewesslers Handeln nicht um ein Amtsgeschäft handle, sondern um einen „Akt der Gesetzgebung“.[22] Aufgrund der mehrheitlichen Zustimmung hat dieser Streit zwischen den Politikern in Österreich keine Auswirkung und das Renaturierungsgesetz kann umgesetzt werden.[23] Die ÖVP hat Oktober 2024 angekündigt, dass Österreich keine Nichtigkeitsklage gegen das EU-Renaturierungsgesetz einbringen wird, da das dafür notwendige Einvernehmen mit den betroffenen Ministerien (Grün) nicht hergestellt werden konnte.[24]
Nach der Nationalratswahl 2024 wurde sie in der am 24. Oktober 2024 beginnenden XXVIII. Gesetzgebungsperiode im Grünen Parlamentsklub Bereichssprecherin für Klimaschutz und Energie.[25]
Publikationen
- Gemeinsam mit Peter Filzmaier, Otmar Höll und Gerhard Mangott: Internationale Politik. WUV Facultas, Wien 2005, ISBN 978-3-8252-2733-3.
Weblinks
- Leonore Gewessler auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Leonore Gewessler auf meineabgeordneten.at
- Leonore Gewessler auf der Website des BMVIT
Einzelnachweise
- ↑ Leonore Gewessler: Vom Ökoprofi zur Umweltministerin. In: orf.at. 30. Dezember 2019, abgerufen am 4. Januar 2020.
- ↑ Leonore Gewessler, BA. In: Parlament Österreich. Abgerufen am 9. Januar 2020.
- ↑ a b Leonore Gewessler neue Geschäftsführerin der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000. In: ots.at. 30. Juni 2014.
- ↑ Interview mit Global 2000 Geschäftsführerin Leonore Gewessler: 35 Jahre Global 2000. In: Wirtschaft & Umwelt. 03/2017.
- ↑ Personalia: Leonore Gewessler wechselt in die Politik. Global 2000, Presseaussendung vom 18. Juni 2019.
- ↑ Grüne Landesversammlung: KandidatInnen-Liste der Grünen OÖ für die NRW 2019. In: ots.at. 29. Juni 2019.
- ↑ 98,6 Prozent: Grüne gehen mit Kogler in die Wahl. In: orf.at. 6. Juli 2019, abgerufen am 6. Juli 2019.
- ↑ ÖVP – Grüne: Gewessler erhält grünes Superministerium auf ORF.at vom 30. Dezember 2019, abgerufen am 30. Dezember 2019.
- ↑ Regierungsmitglieder mit neuen Zuständigkeiten angelobt orf.at vom 29. Jänner 2020, abgerufen am 10. Dezember 2021.
- ↑ Kleine Zeitung (Graz und Klagenfurt): Das Klimaticket, ein dringend notwendiger Leuchtturm in grün, Leitartikel von Georg Renner vom 30. September 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021.
- ↑ ORF at jkla: Kampagne für Klimaticket-Tattoo kostete 23.000 Euro. 26. Oktober 2023, abgerufen am 27. Oktober 2023.
- ↑ a b Das kosteten die Gewessler-Tattoos. 26. Oktober 2023, abgerufen am 28. Oktober 2023.
- ↑ Gewesslers Klimaticket-Tattoo ist ein nachhaltig dämlicher Werbegag. Abgerufen am 28. Oktober 2023 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Technologie & Nature: 30 Euro/Tonne: Umweltschützer:innen kritisieren niedrigen CO2-Preis Artikel auf techandnature.com vom 3. Oktober 2021, abgerufen am 10. Dezember 2021.
- ↑ Umweltministerin Gewessler wird neue Stellvertreterin von Kogler, abgerufen am 24. Juni 2022.
- ↑ red, ORF.at/Agenturen: Gewessler fordert Ende der SPÖ-Blockade im Nationalrat. In: news.orf.at. Österreichischer Rundfunk, Stiftung öffentlichen Rechts, 4. Juni 2023, abgerufen am 4. Juni 2023.
- ↑ ORF at/Agenturen red: Treibhausgasemissionen auf niedrigstem Wert seit 1990. 17. August 2023, abgerufen am 17. August 2023.
- ↑ ORF at/Agenturen cppp: Emissionsreduktion: „Nur der erste Schritt“. 17. August 2023, abgerufen am 17. August 2023.
- ↑ Kanzler Nehammer will Koalition fortsetzen, übt scharfe Kritik an Ministerin Gewessler. Abgerufen am 17. Juni 2024 (österreichisches Deutsch).
- ↑ EU-Staaten beschließen Renaturierungsgesetz. Abgerufen am 17. Juni 2024.
- ↑ ORF at/Agenturen red: Renaturierung: ÖVP brachte Anzeige gegen Gewessler ein. 20. Juni 2024, abgerufen am 22. Juni 2024.
- ↑ WKStA leitet kein Verfahren ein auf ORF vom 13. September 2024, abgerufen am 13. September 2024.
- ↑ Christian Rath: EU-Renaturierungsgesetz: Macht Österreich alles kaputt? In: Die Tageszeitung: taz. 22. Juni 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 22. Juni 2024]).
- ↑ ORF at/Agenturen red: Doch keine Nichtigkeitsklage der ÖVP. 22. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Grüne legten Bereichssprecherinnen und -sprecher fest. In: puls24.at. 10. Dezember 2024, abgerufen am 10. Dezember 2024.
Personendaten | |
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NAME | Gewessler, Leonore |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Politikerin (Grüne) und ehemalige Umweltaktivistin |
GEBURTSDATUM | 15. September 1977 |
GEBURTSORT | Graz |