Nahmer (Hagen)
Die Nahmer ist ein Ortsteil des Stadtbezirks Hohenlimburg der Stadt Hagen. Er bildet zusammen mit Oege einen Statistischen Bezirk. Am 31. Dezember 2018 lebten 4286 Einwohner im Wohnbezirk Oege/Nahmer.[1]
Geographie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ortsteil Nahmer liegt linksseitig der Lenne und südlich von Hohenlimburg-Mitte und dem Ortsteil Oege. Nahmer liegt langgestreckt südlich durch das Nahmerbachtal bis an den Stadtteil Dahl. Westlich des Tals liegt auf der Höhe das große bewaldete Landschaftsschutzgebiet Stoppelberg mit der Wallburg Sieben Gräben und der höchsten Erhebung, dem Schleipenberg (336 m). Östlich des Tals liegt auf der Höhe das bewaldete Landschaftsschutzgebiet Roter Stein, Zimmerberg mit dem 320 m hohen Zimmerberg an der Hagener Stadtgrenze zu Nachrodt-Wiblingwerde. Die Hauptverbindung im Ort, die Unternahmer- und Obernahmerstraße, führt bis Lahmen Hasen und weiter bis in die im Volksmund genannte „Nahmer Schweiz“. In der Obernahmer zweigt zudem südwestlich das Nimmertal ab.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Namensgebung erscheint erstmals im Jahre 1437. Als älteste Niederlassung gilt die erstmals 1549 genannte Nahmer Kornmühle der Limburger Grafen, die ehemals am Ausgang des Tales nahe der Mündung des Nahmerbachs in die Lenne lag. Das Nahmertal war Sondereigentum des Limburger Grafen und Teil der großen Limburger Mark.[2] Am 4. November 1571 erlaubte Graf Adolf von Neuenahr dem aus Essen stammenden Burchhard von Stade die Errichtung eines Kupferhammers im Nahmertal. Sein Sohn Clemens von Stade zahlte im Jahr 1619 an das Haus Limburg ein jährlich zu entrichtendes Flussgeld von zwei Goldgulden.[3] Später war es der Hengstenberg´sche Kupferhammer, der 1870 in die Firma Borlinghaus aufging. Das Fachwerkhaus des Kupferhammers, damals als Verwaltung genutzt, und ältester Zeitzeuge Hohenlimburger Industriegeschichte, wurde in den Jahren 1922/23 von der Talsohle des Nahmertales in die Schleipenbergstraße umgesetzt.
Während es 1619 im Nahmertal erst 13 Häuser, darunter sechs Drahtrollen, mit ca. 60 bis 80 Personen gab, wurden 1765 dort schon 96 Familien gezählt. Einen ersten Aufschwung erlebte das Nahmertal 1740 mit der Einführung der Kratzendrahtfabrikation. Es gab sieben Feindrahtrollen und sieben Grobdrahtrollen. Im Jahr 1821 waren im Liegenschaftsbuch der ehemaligen Gemeinde Limburg im Ortsteil Nahmer 100 Grundeigentümer aufgeführt.[4]
In der Zeit des Niedergangs der Drahtindustrie besaß die Kaltwalzindustrie eine internationale Bedeutung, die im Nahmertal ihren Anfang nahm. Am 26. August 1830 lieferte der Essener Unternehmer Alfred Krupp an die 1810 gegründete Fabrik von Johann Peter Hüsecken die ersten gehärteten und geschliffenen Rietwalzen, die Stahldraht zu sehr flachen Streifen, den so genannten Bandstahl, auswalzen konnten, ohne sich durch starke Belastungen schnell abzunutzen. Die Kaltwalzindustrie erlebte im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts einen raschen Aufschwung und Hohenlimburg konnte sich später zu Recht „Wiege der Kaltwalzindustrie“ nennen.[5]
Wie an einer Perlenkette aufgereiht entstand im Nahmertal eine Fabrik nach der anderen. Scherzhaft auch „Industriegasse Nahmertal“ genannt. Um 1925 fanden in den Betrieben über 2000 Arbeiter ihr Auskommen. Von 1900 bis 1980 waren die Firmen mit Anschlussgleisen der Hohenlimburger Kleinbahn im Rollwagenbetrieb mit dem Übergabebahnhof in Hohenlimburg verbunden. Im ersten Betriebsjahr mit 15 Anschlussgleisen, 1915 mit 41 Anschlussgleisen und 1980 waren es zuletzt elf Betriebe mit 19 Anschlussgleisen. Darunter u. a. die größeren Werke Borlinghaus & Co. (1943 Hoesch AG bis 1964), Philipp Boecker, C.D. Wälzholz, Vereinigte Walz- und Röhrenwerke (später WURAG, danach bis 1993 Krupp) und das älteste Kaltwalzwerk der Welt J. P. Hüsecken & Co. (heute Huesecken Wire GmbH).[6]
Am Lahmen Hasen befand sich ein Stauteich, der so genannte Koenig-See, der nach dem Industriellen Heinrich Koenig benannt ist. Der Teich wurde Ende der 1930er Jahre angelegt, um das Kühlwasser für die Firma WURAG zu bevorraten. In den Sommermonaten war damals der See und das an ihm liegende Gasthaus „Zum Lahmen Hasen“ ein beliebtes Ausflugsziel. Im Jahr 1995 wurde der Teich mit Schließung des Krupp Werkes abgelassen. Anfang der 2010er Jahre das sumpfige Arial renaturiert und in ein Biotop umgestaltet.
In der Zeit des Nationalsozialismus spielte sich der Pogrom in Hohenlimburg bei Tageslicht am Vormittag des 10. November 1938 unter den Augen der Bevölkerung ab. Nach einer aufputschenden Rede des Ortsgruppenleiters Wilhelm Boecker auf dem Kronenburgplatz in der Unternahmer, zog eine große Menschenmenge, bestehend aus Einwohnern, Parteimitgliedern, SA-Leuten sowie von ihren Vorgesetzten eigens freigestellten Arbeitern (z. B. der WURAG), in einem öffentlichen Umzug plündernd und brandschatzend durch die Straßen der Stadt. Dabei kam es zu umfangreichen Zerstörungen sowie zur Misshandlung und Inhaftierung mehrerer Juden.[7]
Ab 1941 gab es in der Obernahmer ein Zwangsarbeiterlager mit mehreren hundert Menschen aus Frankreich und der Sowjetunion.[8][9] Im Ausländerlager der Wurag AG gab es 374 Kriegsgefangene, Ostarbeiter und Ostarbeiterkinder. Bei einem Luftangriff auf Hohenlimburg am 4. Dezember 1944 wurde in der Nahmer das Werk Hoesch AG Borlinghaus und Teile der Kleinbahn zerstört sowie das Speditionslager der Firma Carl Hütsch stark beschädigt. Am 14. und 15. April 1945 kam es zu Kämpfen zwischen deutschen und US-Truppen, die aus Richtung Lüdenscheid kommend über die Nahmer Schweiz und das Nimmertal vordrangen. Die Einnahme Hohenlimburgs erfolgte anschließend durch das 342. Infanterieregiment der 86. US-Infanteriedivision.[10]
In der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 2021 war die Nahmer von Starkregen betroffen. Die Wetterstation in der Nahmer maß in den drei Stunden zwischen 23 und 2 Uhr insgesamt 167,8 mm Regen (167,8 Liter/m²).[11] Einige Straßen und Häuser wurden massiv beschädigt.
Infrastruktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]An den öffentlichen Nahverkehr ist der Ortsteil durch die Buslinie 538 der Hagener Straßenbahn AG angebunden, die bis zum Bahnhof Hagen-Vorhalle und zur Mühlenstraße in Herdecke fährt.[12] Die Landschaft um den Ortsteil wird durch den 12,5 km langen Nahmer Rundweg, vom Sauerländischen Gebirgsverein als A 4 gekennzeichnet, erschlossen.[13]
Vereine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ATS Hohenlimburg-Nahmer 1879 e. V.
- Elseyer-Nahmer-Männerchor
- Billard Sportverein Hohenlimburg 1936 e. V.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Fotogalerie Nahmer / Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e. V.
- Fotogalerie Nahmer Kleinbahn / Hohenlimburg früher und heute
- Video der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 in Hohenlimburg
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Stadt Hagen: Stadtteildaten – Profile der 39 Wohnbezirke.
- ↑ Esser, Hermann: Hohenlimburg – Festschrift zur 700 Jahrfeier, Hohenlimburger Verlag 1930, pdf.[1]
- ↑ Fritz Emde: Hohenlimburg Industriestadt im Kranz grüner Wälder, Druck und Verlag P. A. Santz, Altena, 1961, S. 29.
- ↑ Bleicher, Wilhelm: 750 Jahre Hohenlimburg, Verlag Werner Dorau, Hohenlimburg 1979, S. 57–68.
- ↑ Ralf Blank / Stephanie Marra / Gerhard E. Solbach: Hagen – Geschichte einer Großstadt und ihrer Region, Klartext Verlag, Essen 2008, S. 337.
- ↑ Erhard Born / Wolf Dietrich Groote: Hohenlimburger Kleinbahn, Verlag Kenning, Nordhorn 2011, S. 3–95.
- ↑ Ralf Blank / Stephanie Marra / Gerhard E. Solbach: Hagen – Geschichte einer Großstadt und ihrer Region, Klartext Verlag, Essen 2008, S. 425.
- ↑ Wilhelm Bleicher: Einige Bemerkungen zum Gefangenenlager in der Obernahmer.
- ↑ Unternehmen in Hohenlimburg die ausländische Arbeitskräfte und Zwangsarbeiter beschäftigten
- ↑ Hermann Zabel (Hrsg.): Hohenlimburg unterm Hakenkreuz, Beiträge zur Geschichte einer Kleinstadt im Dritten Reich, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 386, 414, 418/19.
- ↑ Fabian Ruhnau: Meteorologische Chronologie der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands im Juli 2021. kachelmannwetter.de, 19. Juli 2021
- ↑ Hagener Straßenbahn AG: Linienfahrplan 538.
- ↑ SGV: Nahmer Rundweg.
Koordinaten: 51° 20′ N, 7° 34′ O