Oberhessischer Künstlerbund
Der Oberhessische Künstlerbund e. V. Gießen, abgekürzt OKB, ist in Gießen und Wetzlar verankert und vertritt Künstler aus dem Lahn-Dill-Kreis, dem Vogelsbergkreis, dem Wetteraukreis, dem Hochtaunuskreis und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf. Der Künstlerbund hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Mai 1943 wurde der Oberhessische Künstlerbund von den Gießener Künstlern Hanns Hagenauer, Hellmuth Mueller-Leutert und Carl Bourcarde gegründet. Im ersten Satzungsentwurf heißt es: „Der OKB bekennt sich zur Vielfalt der bildenden Kunst und ist offen für alle interessierten bildenden Künstler. Dabei ist nicht zu fragen, ob gegenständlich oder abstrakt, die Alternative heißt gut oder schlecht.“[1] Maßstab für die Aufnahme von Künstlern solle – unabhängig von der künstlerischen Richtung – allein die „künstlerische qualitative Leistung“ sein.[2] Damit sollte der propagandistischen Einvernahme der Bildenden Kunst durch die Nationalsozialisten das Ideal der Freiheit der Kunst entgegengesetzt werden.[3] Angesichts der Hinrichtung des Gießener Künstlers Heinrich Will im Februar 1943 wegen Abhörens von Feindsendern kann die Gründung des OKB als couragierte Demonstration gewertet werden. Erster Vorsitzender des Vereins wurde Hanns Hagenauer. Mit der Unterstützung lokaler Kulturpolitiker gelang die Aufnahme in die Reichskammer der bildenden Künste, die für ein öffentliches Wirken des Vereins Voraussetzung war. Die erste Ausstellung fand von Juni bis August 1943 im Kurhaus Bad Nauheim statt. Bereits nach wenigen Ausstellungen, in denen die Distanz zum Regime zu Tage trat, wurden die lokalen politischen Unterstützer des Vereins angehalten, ihre Zusammenarbeit mit dem OKB einzustellen. Die Ausstellungstätigkeit musste beendet werden.
Nach Kriegsende erhielt der OKB im September 1945 „angesichts seines eindeutigen Widerstandscharakters“ als erste Künstlervereinigung eine Lizenz im amerikanisch besetzten Hessen.[4] Vorsitzender wurde erneut Hanns Hagenauer. Da es kaum andere Künstlervereinigungen gab, stieg die Zahl der im OKB organisierten Künstler auf „über 100 Mitglieder, beheimatet in allen Teilen Deutschlands“.[4] Als außerordentliche Mitglieder wurden Fördermitglieder und Ehrenmitglieder wie der Kunsthistoriker Richard Hamann aufgenommen. In den Nachkriegsjahren setzte sich der OKB sowie für Materialbeschaffungen zur künstlerischen Arbeit ein als auch für Wohnraumzuweisungen, half bei der Beschaffung von Atelierraum und vermittelte Behördenkontakte. Durch Initiative des OKB-Vorstandes wurde 1947 der Landesverband bildender Künstler gegründet, der später Mitglied des BBK wurde.[5] 1950 wurde Ludwig Güngerich zum neuen Vorsitzenden gewählt. In den darauf folgenden Jahren sank die Mitgliederzahl, die finanzielle Situation des Vereins war angespannt. 1969 kam es zum Bruch. Mitglieder wie Hellmuth Mueller-Leutert, Alfred Fischer, Paul Klose, Ruth Leibnitz oder Ruth Schmidt Stockhausen traten aus dem OKB aus und gründeten die Gruppe 9. 1971 trat Ludwig Güngerich als Vorsitzender des OKB zurück. Nachfolger wurde Peter Merck. Als Mitglied des Landesverbandes Bildender Künstler und damit wiederum dem BBK untergeordnet, fungierte der OKB auf Wunsch des BBK ab 1977 offiziell als Bund Bildender Künstler – Lahn. 1979 trat der Verein aus dem BBK aus und nahm wieder die Bezeichnung Oberhessischer Künstlerbund an.
Heute wird der Verein neben den aktiven Mitgliedern durch die Fördermitgliedschaften kunstinteressierter Bürger unterstützt. Zu den regelmäßigen Jahresausstellungen an wechselnden Orten gibt der Verein Jahresgaben der ausstellenden Künstler heraus. Seit 2009 werden die Ausstellungen von wechselnden Kuratoren organisiert. Seit 2003 ist Dieter Hoffmeister Vorsitzender und künstlerischer Leiter.
Vorstand
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Seit 2003: Dieter Hoffmeister
- 1997 – 2003: Kurt Heyne
- 1992 – 1997: Heinz-Georg Baumgarten
- 1986 – 1992: Dietrich Grünewald
- 1982 – 1986: Gerd Römer
- 1980 – 1982: Theodor Klaßen
- 1979 – 1980: Helmuth Zerbach
- 1976 – 1979: Heinrich Vetter
- 1975 – 1976: Heinz Aubel
- 1971 – 1975: Peter Merck
- 1950 – 1971: Ludwig Güngerich
- 1943 – 1950: Hanns Hagenauer
Ehemalige Mitglieder (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Günther Hermann (1956–2020)
- Renate Schüler-Lamert (1939–2006)
- Johannes Eucker (geb. 1936)
- Karl Sümmerer (geb. 1933)
- Ruth Leibnitz (1928–2011)
- Ruth Schmidt Stockhausen (1922-2014)
- Hanneliese Fischer (1928–2015)
- Antonie Bitsch (1912–1989)
- Walter Kröll (1911–1976)
- Ilse Kayser-Kuhn (1907–1959)
- Wilhelm Viehmann (1902–1971)
- Lotte Bingmann-Droese (1902–1963)
- Hein Heckroth (1901–1970)
- Georg Demetriades (1899–1979)
- Hans Erwin Steinbach (1896–1971)
- Maria von Heider-Schweinitz (1894–1974)
- Hellmuth Mueller-Leutert (1892–1973)
- Hans Geilfus (1890–1966)
- Otto Franz Kutscher (1890–1971)
- Margarete Kranz (1888–1973)
- Ulrich Leman (1885–1988)
- Emil Beithan (1878–1955)
- Johannes Ködding (1876–1959)
- Heinrich Giebel (1865–1951)
Literatur (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1943–2018. 75 Jahre Oberhessischer Künstlerbund. Gießen 2018, ISBN 978-3-00-059111-2.
- Pas de deux der Positionen – die Ausstellung "paarlaufen" in der Kunststation. In: Fuldaer Nachrichten, 1. Februar 2009.
- Kunststation Kleinsassen e.V. (Hrsg.), paarlaufen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des OKB in der Kunststation Kleinsassen. Mit Texten von Christian Kaufmann und Dieter Hoffmeister. Hofbieber 2009, ohne ISBN.
- Mit Tradition und Ambition, Kunst- und Kulturvereine unserer Region. In: Wirtschaftsmagazin der IHK Gießen-Friedberg, 8. Jahrgang, Heft 5, Mai 2007.
- Oberhessischer Künstlerbund. 38 Portraits. Mit Texten von Kurt Heyne, Dagmar Klein und Klaus Peter Möller. Gießen 1999, ohne ISBN.
- Oberhessischer Künstlerbund 1943-1993. Katalog der Mitglieder zum 50-jährigen Bestehen des Künstlerbundes. Druckkollektiv GmbH, Gießen 1993, ohne ISBN.
- Oberhessischer Künstlerbund e. V. Gießen. Katalog der Mitglieder zum 45 jährigen Bestehen des Künstlerbundes. Mit Texten von Dietrich Grünewald und Friedhelm Häring. Ehgart + Albohn, Fernwald 1989, ohne ISBN.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website des Oberhessischen Künstlerbunds
- Dagmar Klein: Für die Vielfalt der Kunst, Gießener Allgemeine Zeitung, 5. Mai 2018; online
- Artikel über das 70-jährige Bestehen des Oberhessischen Künstlerbunds in der Gießener Allgemeine Zeitung vom 16. Juli 2013
- Artikel über die Ausstellung Liebe! Tod! Revolution! Georg Büchner und kein Ende im KiZ Gießen vom 8. Januar 2013
- Artikel über die Ausstellung paarlaufen in der Kunststation Kleinsassen vom 1. Februar 2009
- Kritischer Leserbrief von Bruno W. Reimann über den OKB als vermeintlichen Kampfbund gegen die Nazis
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Siehe: 50 Jahre Oberhessischer Künstlerbund, in: Oberhessischer Künstlerbund 1943-1993. Katalog der Mitglieder zum 50jährigen Bestehen des Künstlerbundes. Druckkollektiv GmbH, Gießen 1993, S. 12.
- ↑ Irene Ewinkel: Manet in Marburg – Kunstförderung als politische Bildung? In: Benno Hafeneger, Wolfram Schäfer (Hrsg.): Marburg in den Nachkriegsjahren. Bd. 1. Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur Bd. 65, Rathaus-Verlag Marburg 1998, ISBN 978-3-923820-65-8, S. 383–404, hier S. 390
- ↑ Über uns - Der Oberhessische Künstlerbund, Website des OKB
- ↑ a b Kurt Kühnemann: Neues Leben aus Ruinen: Gießen in und nach der Stunde Null; Menschen und Mächte des Wiederaufbaus, eine Dokumentation. Brühl, Gießen 1983, ISBN 3-922300-19-7, S. 54
- ↑ Siehe: 50 Jahre Oberhessischer Künstlerbund, in: Oberhessischer Künstlerbund 1943-1993. Katalog der Mitglieder zum 50 jährigen Bestehen des Künstlerbundes. Druckkollektiv GmbH, Gießen 1993, S. 16.