Geodaten zu dieser Seite vorhanden

Oswald Mathias Ungers

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Torhaus der Frankfurter Messe

Oswald Mathias Ungers (* 12. Juli 1926 in Kaisersesch; † 30. September 2007 in Köln) war ein deutscher Architekt und Architekturtheoretiker.[1]

Der Postbeamtensohn[2] Oswald Mathias Ungers besuchte die Schule von 1932 bis 1945 in Mayen. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Ungers zum Militär eingezogen und am Kriegsende gefangen genommen.[3] Nach seiner Freilassung machte er 1946 am Megina-Gymnasium das Abitur und studierte von 1947 bis 1950 an der Technischen Hochschule Karlsruhe bei Egon Eiermann Architektur. Nach erfolgreichem Abschluss als Diplom-Ingenieur im Jahr 1950 arbeitete Ungers als Architekt zunächst mit Helmut Goldschmidt zusammen und gründete dann Architekturbüros in Köln (1950), Berlin (1964), Frankfurt am Main (1974) und Karlsruhe (1983) sowie New York.

Ungers war Professor an der Technischen Universität Berlin und dort 1965 bis 1967 Dekan der Fakultät für Architektur.[4] Im Jahr 1967 wurde er Professor an der Cornell University in Ithaca im Bundesstaat New York und deren „Chairman of the Department of Architecture“ von 1969 bis 1975. Zudem erhielt er Gastprofessuren an der Harvard University in Cambridge (1973), der University of California in Los Angeles (UCLA) (1974–1975), der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (1979–1980) und der Kunstakademie Düsseldorf (1986–1990). Ungers war Mitglied der Akademie der Künste (Berlin).[3]

Ungers war verheiratet mit der Diplom-Kauffrau Liselotte Ungers, geborene Gabler. Aus der Ehe gingen ein Sohn, Simon Ungers (1957–2006), der selbst erfolgreicher Architekt wurde, und die Töchter Sibylle (1960) sowie Sophie (1962) hervor.

Ungers starb im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Er wurde am 11. Oktober 2007 auf dem Kölner Friedhof Melaten bestattet.[5]

Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven

Ungers Einfluss auf das Architekturgeschehen hat mit seinen ikonenartigen Gebäuden zu tun, die jeweils eine klar formulierten Antwort auf den bestehenden Kontext geben. An Wettbewerben, so sein Diktum, nimmt man nicht einfach teil, sondern sollte „ein Statement abgeben.“[6] Seine Bauten zeichnen sich durch strenge geometrische Gestaltungsraster aus. Grundlegende gestalterische Elemente seiner Architektur sind elementare Formen wie Quadrat, Kreis bzw. Kubus und Kugel, die Ungers in seinen Entwürfen variierte und transformierte. Dies wird auch in der Fassadengestaltung sichtbar. Als Architekturtheoretiker und Hochschullehrer entwickelte Ungers das, was seine Kritiker den „Quadratismus“, seine Bewunderer den „deutschen Rationalismus“ nannten. Er griff dabei zurück auf die Lehre Jean-Nicolas-Louis Durands, der 1820 seine Musterbücher mit geometrischen Urtypen für „jedes x-beliebige Bauwerk“ publiziert hatte.[7] Ungers berief sich in seiner Formensprache explizit auf elementare und vom jeweiligen Zeitgeschmack unabhängige Gestaltungsmittel der Architektur. Seine historischen Vorbilder in der Architekturgeschichte kommen hauptsächlich aus der römisch-griechischen Antike. Sein Werk wurde daher aber auch gelegentlich als formalistisch kritisiert. Im Zusammenhang mit seiner Bebauung auf dem Messegelände Frankfurt wurde oft von einer „neuen Klarheit“ gesprochen. Wie kaum ein anderer Architekt ist Ungers seiner einmal gewählten Formensprache über Jahrzehnte treu geblieben. Er zählte zu den maßgeblichen Theoretikern der Zweiten Moderne.

Bekannte Schüler von Oswald M. Ungers sind neben anderen Max Dudler, Hans Kollhoff, Jo. Franzke, Christoph Mäckler, Rem Koolhaas, Jürgen Sawade und Eun Young Yi.

  • 1951: Einfamilienhaus in Köln-Dünnwald, Oderweg
  • 1951: Mehrfamilienhaus in Köln-Braunsfeld, Hültzstraße
  • 1951: Kleiderfabrik und Wohnhaus in Köln, Aachener Straße
  • 1952–1953: Mehrfamilienhaus in Köln-Neustadt, Riehler Straße 29–31 (mit Helmut Goldschmidt)
  • 1953–1958: Bauten für das Institut zur Erlangung der Hochschulreife in Oberhausen
  • 1955–1957: Mehrfamilienhaus in Köln-Dellbrück, Brambachstraße
  • 1956: Einfamilienhaus W. in Köln-Rodenkirchen[8]
  • 1956: Studentenwohnheim an der Goldenfelsstraße 19 (heute Hygieneinstitut der Universität zu Köln) in Köln-Lindenthal
  • 1957: Zweifamilienhaus Müller in Köln-Hohenlind, Werthmannstraße
  • 1958: Eigenes Wohn- und Bürohaus in Köln-Müngersdorf, Belvederestraße (1989/90 erweitert, heute Ungers Archiv)[9]
  • 1958–1959: Mehrfamilienhaus H. in Köln-Dellbrück, Schilfweg 6
  • 1959: Wohnanlage in Köln-Nippes, Mauenheimerstraße
  • 1959: Mehrfamilienhaus in Wuppertal-Elberfeld, Mozartstraße
  • 1959–1961: Wohnbebauung in Köln-Mauenheim, Eckewartstraße
  • 1960–1961: Einfamilienhaus in Overath, Schulstraße
  • 1960–1964: Verlagsgebäude und Druckerei in Köln-Braunsfeld, Stolberger Straße
  • 1962: Haus Wokan in Bad Homburg vor der Höhe
Villa Steimel in Hennef kurz vor dem Abriss 2017
Ungers-Bau über den Thermen am Viehmarkt, 1989–1996, Trier
Contrescarpe-Center, 2006, Bremen

Projekte (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungers Archiv für Architekturwissenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungers Archiv für Architekturwissenschaft enthält seine Architekturbibliothek, mit deren Aufbau er in den 1950er Jahren begann, sowie den gesamten künstlerischen Nachlass des Architekten.[25] Schwerpunkte der Bibliothek bilden Architekturtraktate, Werke zur Entstehung und Weiterentwicklung der Perspektive sowie Publikationen zur Farbenlehre. Die Bibliothek enthält unter anderem Vitruvs De Architectura Libri Decem in einer Ausgabe von 1495 sowie seltene Ausgaben wie das Staatliche Bauhaus in Weimar 1919–1923 und Veröffentlichungen der russischen Avantgarde, zum Beispiel Von zwei Quadraten des Architekten El Lissitzky. Untergebracht ist sie zusammen mit seinem Nachlass im Bibliothekskubus von Ungers denkmalgeschütztem Haus in der Belvederestraße 60, Köln-Müngersdorf und steht der wissenschaftlichen Öffentlichkeit für Forschungsarbeiten zur Verfügung.

Ungers Architekturikonen-Sammlung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenfalls Bestandteil des Archivs für Architekturwissenschaft sind die Modelle von historischen Architekturikonen, die der Diplom-Designer und Architekturmodellbauer Bernd Grimm in Zusammenarbeit mit dem Architekten angefertigt hat. Ungers Ziel war es, eine „dreidimensionale Sammlung“ historisch bedeutsamer Gebäude zu erstellen.[26] Die Modelle sind in weißem Alabastergips ausgeführt und haben eine Unterkonstruktion aus Holz.

Modelle der Architekturikonen-Sammlung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1993: Parthenon,[27] Athen, 447–438 v. Chr., Modell im Maßstab 1:50
1995: Pantheon Rom,[27] 118–128 n. Chr., Modell im Maßstab 1:50
2001: Castel del Monte von Friedrich II,[27] Apulien, 1240–1250, Modell im Maßstab 1:70
2002: Kenotaph für Isaac Newton,[27] 1784, Architekt: Étienne-Louis Boullée, Modell im Maßstab 1:400
2001: San Pietro in Montorio,[27] Rom, 1502, Architekt: Donato Bramante, Modell im Maßstab 1:15
2004: Mausoleum des Theoderich,[27] Ravenna, circa 520 n. Chr., Modell im Maßstab 1:20
  • 1999: O. M. Ungers. Zeiträume. Architektur. Kontext, Wallraf-Richartz-Museum (Köln).[28]
  • 27. Oktober 2006 bis 7. Januar 2007: Werkschau mit dem Titel O. M. Ungers. Kosmos der Architektur in der Neuen Nationalgalerie zu Berlin
    Dabei wurden neben einer Auswahl seiner Projekte auch Beispiele aus seinen Sammlungen (Kunst, Bücher, Modelle) gezeigt.
  • 23. Juni bis 28. Juli 2016: O. M. Ungers. Erste Häuser, Architekturmuseum der TU Berlin.[29]
  • 11. Juni bis 5. Juli 2018: O. M. Ungers. Programmatische Projekte, Architekturmuseum der TU Berlin.[30]

Mitgliedschaften, Auszeichnungen und Ehrungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Veröffentlichungen (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • mit Lieselotte Ungers: Kommunen in der Neuen Welt. 1740–1971. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1972, ISBN 3-462-00858-7.
  • Die Thematisierung der Architektur. DVA, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-02598-3.
  • Entwerfen mit Vorstellungsbildern, Metaphern und Analogien. Anmerkungen zu einem morphologischen Konzept. In: Architektur 1951–1990. Stuttgart 1991.
  • 10 Kapitel über Architektur. Ein visueller Traktat. (Anlässlich der Ausstellung „O.M.Ungers: Zeiträume – Architektur – Kontext“ erschienen) DuMont, Köln 1999, ISBN 3-7701-5271-9.
Commons: Oswald Mathias Ungers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Jonathan Glancey: Nachruf OM Ungers., In: The Guardian, 18. Oktober 2007, abgerufen am 10. Juli 2023.
  2. „Architekt Oswald Ungers gestorben“ Nachruf auf Spiegel Online, 4. Oktober 2007.
  3. a b Porträt von O. M. Ungers mit Liste der Werke; abgerufen am 29. Oktober 2009.
  4. Ungers, Oswald Mathias. In: Catalogus Professorum TU Berlin. Abgerufen am 28. Juli 2023.
  5. Grabstätte. In: knerger.de. Abgerufen am 27. Juli 2018.
  6. Peter Riemann: Casa Tragica – Cittá Comica: Zur Deutung von Ungers städtebaulichen Leitbildern und Entwurfsmethoden., In: „Der Architekt“, BDA Bonn, Heft 12, 1987, abgerufen am 7. Juli 2023.
  7. Dieter Bartetzko: Fürst des Quadrats. In: FAZ, 4. Oktober 2007 (Nachruf).
  8. Rainer Wolff: Das kleine Haus. Verlag Georg D. W. Callwey, München 1959.
  9. Haus Belvederestraße 60. In: ungersarchiv.de. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  10. Die Villa Steimel liegt in Trümmern. In: general-anzeiger-bonn.de vom 16. März 2017. Eine Ecke blieb jedoch stehen, weil sich ein Baubeamter eingemischt hatte. Die Einstufung als Baudenkmal durch das Denkmalamt des Landes NRW zog sich zu lange hin, weil zuerst eine „genaue gerichtsfeste Begründung“ verlangt worden war.
  11. Nikolaus Bernau: Die Machtfrage gestellt. In: Berliner Zeitung, 23. März 2017, S. 21.
  12. Gerhard Ullmann: Märkisches Viertel. In: Werk – Archithese Heft 64/1977 (Digitalisat)
  13. Christian Schröder: Stadt ohne Maß: IBA-Bauten werden abgerissen – Tagesspiegel, 21. Feb. 2013.
  14. Stephan Becker, Gregor Harbusch: Ein letzter Blick auf ein Stück gebaute Utopie., In: Webseite urbanophil.net, „Netzwerk für urbane Kultur e. V.“, 23. Februar 2011, abgerufen am 7. Juli 2023.
  15. Wolfgang Pehnt: Oswald Mathias Ungers – Haus Belvederestraße 60, Köln-Müngersdorf in Edition Axel Menges 2016, abgerufen am 6. April 2016
  16. frankfurt.de – Chronik des Nordends (abgerufen am 27. April 2014)
  17. The Residence of the German Ambassador. German Information Center USA Embassy of the Federal Republic of Germany, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. August 2013; abgerufen am 24. September 2022 (englisch).
  18. The Residence of the German Ambassador Washington, DC. 1. Auflage. German Information Center USA Embassy of the Federal Republic of Germany, Februar 2013 (englisch, archive.org [PDF; 1,8 MB; abgerufen am 24. September 2022]).
  19. Baukultur Eifel – Gemeindehaus der Ortsgemeinde 54675 Utscheid (1998), abgerufen am 6. April 2016
  20. Frank P Jäger: Dorotheenhöfe: Oswald Mathias Ungers baut in Berlin. Jovis, Berlin 2003
  21. Ing.firma Grassl (Memento vom 1. Juni 2008 im Internet Archive) mit Details zur Hugo-Preuß-Brücke (abgerufen am 21. November 2012)
  22. a b Projekte (Selektiv). In: ungersarchiv.de. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  23. Cornelia Escher, Lars Fischer (Hrsg.): Negotiating UNgers: The Aesthetics of Sustainability, the Solar House. common books, Brüssel/New York 2020, ISBN 978-0-9882906-2-4.
  24. Masterplan Museumsinsel Projektion Zukunft. In: museumsinsel-berlin.de. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  25. Das UAA. In: www.ungersarchiv.de. Abgerufen am 20. Juni 2019.
  26. Eva Zimmermann: Grimms Gipsmodelle. In: Architectural Digest (Hrsg.): Architectural Digest: Best of Germany. New York Oktober 2008, S. 68.
  27. a b c d e f Architekturikonen. In: ungersarchiv.de. Abgerufen am 20. Juni 2019.
  28. O. M. Ungers: Zeiträume. Architektur. Kontext. Ausstellungskatalog Wallraf-Richartz-Museum in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln. Hrsg.: Anja Sieber-Albers. Köln 1999.
  29. O.M. Ungers Erste Häuser. In: architekturmuseum.ub.tu-berlin.de. 2016, abgerufen am 28. Juni 2020.
  30. O. M. Ungers Programmatische Projekte. In: architekturmuseum.ub.tu-berlin.de. 2018, abgerufen am 28. Juni 2020.
  31. O. M. Ungers: Architekturlehre. Abgerufen am 4. April 2024.