Parabolische Untergruppe
In der Mathematik ist der Begriff der parabolischen Untergruppen ein wichtiger Begriff aus der Theorie der Algebraischen Gruppen und allgemeiner der Theorie der Lie-Gruppen. Minimale parabolische Gruppen heißen Borel-Gruppen. Klassisches Beispiel einer (minimalen) parabolischen Gruppe ist die Gruppe der invertierbaren oberen Dreiecksmatrizen als Untergruppe der allgemeinen linearen Gruppe.
Eine andere, nicht äquivalente, Verwendung des Begriffs "parabolische Untergruppe" findet sich in der Theorie der Kleinschen Gruppen oder der Theorie der Konvergenzgruppen: hier ist eine parabolische Untergruppe eine Gruppe, deren Elemente parabolische Isometrien mit demselben Fixpunkt sind.
Lie-Gruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es sei eine Lie-Gruppe und ihre Lie-Algebra.
Sei eine Cartan-Unteralgebra und das zugehörige Wurzelsystem. Man wähle eine Weyl-Kammer und bezeichne mit die entsprechenden positiven Wurzeln. Es seien die einfachen Wurzeln.
Minimale parabolische Untergruppe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die zu assoziierte minimale parabolische Untergruppe ist die Unter-Lie-Gruppe
mit Lie-Algebra
- ,
wobei den Zentralisator von und den Wurzelraum der positiven Wurzel bezeichnet.
Die minimalen parabolischen Untergruppen werden auch als Borel-Untergruppen bezeichnet.
Definition einer parabolischen Untergruppe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Untergruppe heißt parabolisch, wenn es eine minimale parabolische Untergruppe mit gibt.
Langlands-Zerlegung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man hat die Zerlegung
mit
und , wobei die Lie-Algebra mit , also die Lie-Algebra einer maximal kompakten Gruppe bezeichnet, insbesondere .
Die entsprechende Zerlegung
heißt die Langlands-Zerlegung von .
Parabolische Untergruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die zu einer Cartan-Algebra assoziierten parabolischen Untergruppen entsprechen den Teilmengen (die minimale parabolische Untergruppe entspricht der Teilmenge ), man erhält sie mit folgender Konstruktion, wobei die Linearkombinationen von Elementen in , sowie das mittels der Killing-Form definierte Dual von und das orthogonale Komplement (bzgl. der Killing-Form) von bezeichnet.
Wir betrachten
und
- .
ist die „standard-parabolische Unteralgebra“ von zu . Man beachte, dass die standard-parabolischen Unteralgebren von der Wahl der positiven Weyl-Kammer abhängen.
Eine Unteralgebra heißt parabolische Unteralgebra, wenn sie konjugiert zu einer standard-parabolischen Unteralgebra für eine Weyl-Kammer und eine Teilmenge ist.
Die zugehörige parabolische Untergruppe einer parabolischen Unteralgebra ist definiert als der Normalisator von in .
Für eine Weyl-Kammer und eine Teilmenge bezeichnet man mit die zu zugehörige parabolische Untergruppe. Jede parabolische Untergruppe enthält die minimale parabolische Untergruppe .
Auch in diesem Fall hat man wieder die Langlands-Zerlegung
- .
Die Bezeichnung „parabolische Unteralgebra“ bzw. „parabolische Untergruppe“ geht auf Godement zurück.[1]
Beispiel SL(n,R)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Cartan-Unteralgebra der Lie-Algebra
ist
- .
Als positive Weyl-Kammer kann man
wählen. Dann ist die Lie-Algebra der oberen Dreiecksmatrizen mit -en auf der Diagonalen und .
Die Langlands-Zerlegung von ist
mit
- ,
- ,
- die Gruppe der oberen Dreiecksmatrizen mit -en auf der Diagonalen.
Die Borel-Gruppe ist also die Gruppe der oberen Dreiecksmatrizen, jede andere Borel-Gruppe ist zu konjugiert.
Die maximalen standard-parabolischen Untergruppen, d. h. diejenigen, für die aus nur einem Element besteht, sind
für .
Algebraische Gruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine parabolische Untergruppe einer über einem Körper definierten algebraischen Gruppe ist eine Zariski-abgeschlossene Untergruppe , für die der Quotient eine projektive Varietät ist.
Man kann zeigen, dass eine Untergruppe genau dann parabolisch ist, wenn sie eine Borel-Untergruppe enthält. (Eine Borel-Untergruppe ist eine maximale Zariski-abgeschlossene, zusammenhängende, auflösbare, algebraische Untergruppe.) Borel-Untergruppen sind also minimale parabolische Gruppen. Im Fall oder stimmt die Definition mit der oben gegebenen überein.
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Borel-Untergruppe von ist die Gruppe der invertierbaren oberen Dreiecksmatrizen. In diesem Fall ist der Quotient die Fahnenvarietät.
Jede Borel-Untergruppe von ist zu konjugiert. Allgemeiner gilt für algebraische Gruppen über algebraisch abgeschlossenen Körpern, dass es genau eine Konjugationsklasse von Borel-Untergruppen gibt.
Tits-System
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sei eine reduktive algebraische Gruppe und eine Borel-Untergruppe, die einen maximalen Torus enthält. Sei der Normalisator von in und ein minimales Erzeugendensystem von . Dann ist ein Tits-System.
Kleinsche Gruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Kontext Kleinscher Gruppen wird der Begriff "Parabolische Untergruppe" häufig mit einer anderen Bedeutung gebraucht, nämlich als Gruppe parabolischer Isometrien, die einen gemeinsamen Fixpunkt haben und demzufolge die Horosphären um diesen Punkt auf sich abbilden.[2] Diese Verwendung ist nicht äquivalent zu der oben beschriebenen.
Allgemeiner wird eine Untergruppe einer Konvergenzgruppe als parabolische Untergruppe bezeichnet, wenn sie unendlich ist, einen globalen Fixpunkt besitzt und keine loxodromischen Elemente enthält.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Armand Borel, Lizhen Ji: Compactifications of symmetric and locally symmetric spaces. (= Mathematics: Theory & Applications). Birkhäuser, Boston, MA 2006, ISBN 0-8176-3247-6.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Parabolic subgroup (Encyclopedia of Mathematics)
- Borel subgroup (Encyclopedia of Mathematics)
- Alfred Noël: Tits Systems, parabolic subgroups, parabolic subalgebras
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Armand Borel: Essays in the history of Lie groups and algebraic groups. (= History of Mathematics. 21). American Mathematical Society, Providence, RI; London Mathematical Society, Cambridge 2001, ISBN 0-8218-0288-7 (Chapter VI, Section 2)
- ↑ B. H. Bowditch: Discrete parabolic groups. In: J. Differential Geom. 38 (1993), no. 3, S. 559–583.