Schlössle (Pfullingen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Koordinaten: 48° 27′ 56,1″ N, 9° 13′ 23,8″ O

Das Pfullinger Schlössle

Das Schlössle (schwäbisch für Schlösslein) in Pfullingen im Landkreis Reutlingen in Baden-Württemberg ist ein spätmittelalterliches Fachwerkgebäude, das im 15. Jahrhundert von den Pfullinger Ortsadeligen Remp erbaut wurde. Heute beherbergt es das stadtgeschichtliche Museum und zählt zu den bekanntesten Gebäuden der Stadt. Das Schlössle sollte nicht mit dem Schloss Pfullingen verwechselt werden, das sich etwa 130 Meter nordwestlich befindet.

Das Schlössle liegt in Pfullingen auf einer Kuppe im nach ihm benannten Schlösslespark oberhalb der Echaz und in direkter Nachbarschaft zur Baumannschen Mühle. Es bildet gemeinsam mit der gegenüberliegenden Schlösslesscheuer und dem Doktorhaus ein Gebäudeensemble in der Mitte des Parks.

Das Gebäude besteht aus einem Sockelgeschoss aus Feldsteinmauerwerk und einem zweigeschossigen Fachwerkaufsatz, der auf allen Seiten um etwa 40 cm auskragt und etwa 12,5 Meter mal 8,0 Meter groß ist. Etwa unter der Hälfte des Gebäudes erstreckt sich außerdem ein Gewölbekeller, der nur durch eine Außentreppe erreichbar ist. Das Dach ist ein Krüppelwalmdach mit Eulenlöchern als Rauchabzug und heute mit Biberschwänzen gedeckt. Über einen Schornstein verfügt das Gebäude nicht. Das Sockelgeschoss besteht aus einem einzigen Raum mit Spitzbogentür, der nur durch schmale Fensteröffnungen erhellt wird. In ihm befinden sich zwei Holzsäulen, die den Aufbau tragen.[1][2]

Das Obergeschoss ist nicht durch das Sockelgeschoss erreichbar, sondern muss durch eine überdachte Außentreppe betreten werden. Es folgt einem dreischiffigen Aufbau: Zu beiden Seiten des quer zur Straße verlaufenden Erns befinden sich zwei Räume. Auf der, vom Eingang aus betrachtet, rechten Seite liegen vorne die Stube und hinten die ehemalige Küche. Auf der linken Seite befinden sich zwei Kammern. Die Stube verfügt über eine gewölbte Balkendecke und ein über Eck laufendes, vorstehendes Fensterband, einen sogenannten alemannischen Fenstererker. Von außen lässt sich diese Raumeinteilung, einschließlich der gewölbten Stubendecke, am Fachwerk gut erkennen. Der Zwischenraum zwischen der Decke der Stube und dem Fußboden des darüberliegenden Raumes war mit Spreu verfüllt, um die Stube zu isolieren, die, abgesehen von der Küche, als einziger Raum im Gebäude beheizt war. Im Boden der Stube fand man unzählige Schneckenhäuser, von denen man annimmt, dass sie auch der Wärmeisolation dienten. Das Dachgeschoss bildet einen großen Raum mit freigelegtem Fachwerk.[1][2][3]

Weder das Baujahr des Schlössle noch der Bauherr noch die ursprüngliche Funktion des Gebäudes sind überliefert. Eine dendrochronologische Untersuchung des Bauholzes ergab jedoch einen Bauzeitraum zwischen 1448 und 1450. Als Bauherr wird gemeinhin Caspar Remp angesehen, der letzte des Pfullinger Ortsadeligen-Geschlechts der Rempen. Er war zur Zeit des Baus Eigentümer des Baugrundes. 1487 verkaufte Remp seinen gesamten Besitz, darunter auch seinen Wohnsitz, die Rempenburg, an Graf Eberhard im Bart. Es wird insofern davon ausgegangen, dass auch das Schlössle zeitweise in dessen Besitz war, wenngleich es nicht im Kaufvertrag erwähnt wird.[1][3]

In den Jahrhunderten danach wurde das Gebäude wohl in erster Linie als Wohnhaus genutzt. Ein erster Umbau des Gebäudes erfolgte bereits um das Jahr 1600, als der äußere Treppenaufgang erneuert und ein Anbau errichtet wurde. Zahlreiche weitere Anbauten folgten im Laufe der Jahrhunderte. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Schlösslesscheuer errichtet. Ab 1852 war das Gebäude Teil der Riemenfabrik Klemm, die sich auf der Fläche des heutigen Schlösslesparks befand, und wurde dort als Lager genutzt. 1977 kaufte die Stadt Pfullingen das Fabrikareal Klemm und begann mit der Renovierung des Schlössle und der Schlösslesscheuer. Dabei wurde versucht, den Zustand des Gebäudes aus dem 15. Jahrhundert wiederherzustellen: Zahlreiche nachträgliche Anbauten wurden abgerissen, das verputzte Fachwerk wieder freigelegt, die mittlerweile gemauerten Gefache in den Originalmaterialien (Stakhölzer, um diese herum gewundene Ruten und ein Lehm-Stroh-Gemisch) wiederhergestellt, die Fenster wieder auf Ursprungsgröße verkleinert und der Fenstererker rekonstruiert. Anstatt der originalen Dachdeckung – es wird hier von Mönch und Nonne oder, aufgrund der geringen Stärke der Sparren wahrscheinlicher, Stroh ausgegangen – wurden Biberschwänze von Abbruchhäusern aus dem 18. Jahrhundert verwendet. Die gleichzeitig mit dem Umbau vorgenommenen baugeschichtlichen Untersuchungen ermöglichten weitgehende Rückschlüsse auf den Ursprungszustand des Gebäudes, sodass die Rekonstruktion möglich war. Jedoch wurden auch gewisse Modernisierungen vorgenommen. So erhielt ein das Gebäude aus Stabilitätsgründen einen Stahlbetonboden und eine Fußbodenheizung.[1][2][3]

1987 wurden im Schlössle und in der Scheuer das stadtgeschichtliche Museum und nebenan in der Baumannschen Mühle das Mühlenmuseum und das Württembergische Trachtenmuseum eingerichtet.[3] Neben der Nutzung des Gebäudes als Museum kann man in der Stube, die heute auch Rempenstube genannt wird, auch standesamtlich heiraten.

Stadtgeschichtliches Museum

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Schlössle und in der Schlösslesscheuer befand sich bis 2022 das stadtgeschichtliche Museum Pfullingens, das vom örtlichen Geschichtsverein betreut wurde. In der Dauerausstellung im Obergeschoss und im Dachgeschoss des Schlössle und in der Schlösslesscheuer fanden sich diverse Exponate aus der Pfullinger Stadtgeschichte, die zum Teil bis in die Zeit der Alemannen zurückreichten.[4] Im Oktober 2022 gab der Geschichtsverein bekannt, die Betreuung des Museums nicht fortzuführen, sodass das Museum nicht mehr öffne.[5]

Im Erdgeschoss des Schlössle veranstaltete der Geschichtsverein zu jährlich wechselnden Themen Sonderausstellungen:[6]

  • 2003: Ausstellung privater Gegenstände von Louis Laiblin[7]
  • 2004 und 2005: „Kaisersiegel – 1 000 Jahre Herrschaftssymbolik“[8] (2003 konnte die Stadt Pfullingen gemeinsam mit dem Schwäbischen Albverein und dem Geschichtsverein die größte private Siegel-Sammlung Europas aufkaufen, die rund 27.000 Exemplare enthielt)[9]
  • 2006: „Pfullinger Brücken im Wandel der Zeit“[10]
  • 2007: „100 Jahre Wasserversorgung und 150 Jahre Feuerwehr in Pfullingen“ (in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Pfullingen)[11]
  • 2008: „Energiestadt Pfullingen – Die Geschichte der Energie-Selbst-Versorgung Pfullingens“[12]
  • 2009 und 2010: „Pfullinger Brauereigeschichte(n)“; ab 2010 zusätzlich „Geschichte(n) vom Pfullinger Most, Wein, Saft und Sprudel“[13]
  • 2011 und 2012: „Pfullinger Schlossgeschichte(n) – Schloss und Anwesen, seine Geschichte(n), seine Menschen“[14][15]
  • 2013: „Pfullinger Industrie- und Sozialgeschichte(n): Vom Wasserrad zum Motor“[16]
  • 2014: „Pfullinger Esskultur – Geschichten zur Ernährung“[17]
  • 2015: „Wege aus Krisen und Kriegen in Pfullingen“[18]
  • 2016: „Kriege und Not: Pfullingen in Bewegung“ und „100 Jahre Straßenbahn: Pfullingen in Bewegung“ (in Zusammenarbeit mit dem Brauchtumsverein)[19]
  • 2017: „Pfullinger Lebensbilder“[20]
  • 2018: Klosterkirche, Kulturarbeit, Kommunikation“[21]
  • 2019: „‚Vergessene Berufe‘ – Handwerkskunst, Erfindergeist, Forscherdrang“[22]

2020 war eine Ausstellung zum Thema „Berufe 1920 und 2020“ geplant, die jedoch wegen der COVID-19-Pandemie verschoben werden musste.[23]

Commons: Schlössle (Pfullingen) – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d Sabine Röth: Denkmalpflege am Fachwerkbau. Das Schlößle in Pfullingen. In: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.): Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg. Heft 24: Pfullingen – Zeugen der Geschichte. Stuttgart 1992, ISBN 3-927714-18-6, S. 63–69.
  2. a b c Klaus Scholkmann: Das „Schlößle“ in Pfullingen – ein „Musterhaus“ des 15. Jahrhunderts. In: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Hrsg.): Denkmalpflege in Baden-Württemberg – Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege”. Band 10, Nr. 1, 1981, S. 9–12.
  3. a b c d Gabriele Böhm: Geheimnisse des Pfullinger Schlössle gelüftet. In: Reutlinger Generalanzeiger. 29. Dezember 2020, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  4. Faltblatt Pfullinger Museen (PDF; 786 kB). In: Website der Stadt Pfullingen. Abgerufen am 22. Oktober 2021.
  5. Gabriele Böhm: Geschichtsverein Pfullingen zieht sich aus Museum im Schlössle zurück. In: Reutlinger Generalanzeiger. 5. Oktober 2022, abgerufen am 5. Oktober 2022.
  6. Stadtgeschichtliches Museum Schlössle. In: schwaebischealb.de. Abgerufen am 22. Oktober 2021.
  7. Schicke Kleider, Privates von Louis. In: Reutlinger Generalanzeiger. 6. Mai 2003, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  8. Otto Künstner und seine Arbeit. In: Reutlinger Generalanzeiger. 4. Juni 2005, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  9. Zeichen der Regenten. In: Reutlinger Generalanzeiger. 15. Mai 2004, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  10. Fast so viele Brücken wie in Venedig. In: Reutlinger Generalanzeiger. 8. Mai 2006, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  11. Das Ende der Pumpbrunnen-Zeit. In: Reutlinger Generalanzeiger. 24. August 2007, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  12. Es rattert und klappert... In: Reutlinger Generalanzeiger. 10. Mai 2008, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  13. Magdalena Kablaoui: Wo die Pfullinger Sprudel holten. In: Reutlinger Generalanzeiger. 9. Juni 2010, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  14. Geschichten vom und übers Schloss. In: Reutlinger Generalanzeiger. 30. April 2011, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  15. Eine Sägemühle in Aktion. In: Reutlinger Generalanzeiger. 26. Mai 2012, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  16. Christoph Ströhle: Trachtenmuseum schon 25 Jahre alt. In: Reutlinger Generalanzeiger. 6. Mai 2013, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  17. Petra Schöbel: Pfullinger Esskultur: Haltbarmachen war lebenswichtig. In: Reutlinger Generalanzeiger. 15. August 2014, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  18. Thomas Baral: Pfullinger Geschichtsverein: Wege aus Krisen und Krieg. In: Reutlinger Generalanzeiger. 2. April 2015, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  19. Heimatgeschichte hautnah. In: Reutlinger Generalanzeiger. 8. September 2016, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  20. Pfullinger Lebensbilder. In: Reutlinger Generalanzeiger. 4. Mai 2017, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  21. Gabriele Böhm: Besucherzahlen steigen. In: Reutlinger Generalanzeiger. 19. Februar 2018, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  22. „‚Vergessene Berufe‘ – Handwerkskunst, Erfindergeist, Forscherdrang“ (PDF; 2 MB). In: Website des Geschichtsvereins Pfullingen. Abgerufen am 22. Oktober 2021.
  23. Aktuelles Programm. In: Website des Geschichtsvereins Pfullingen. Abgerufen am 22. Oktober 2021.