Thiergarten (Bayreuth)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Thiergarten
Kreisfreie Stadt Bayreuth
Koordinaten: 49° 54′ N, 11° 35′ OKoordinaten: 49° 54′ 11″ N, 11° 35′ 15″ O
Höhe: 376 m ü. NHN
Einwohner: 33 (25. Mai 1987)[1]
Eingemeindung: 1. Juli 1976
Postleitzahl: 95448
Vorwahl: 0921
Bayreuth-Thiergarten

Thiergarten ist ein Stadtteil der kreisfreien Stadt Bayreuth.[2] Die bis 1976 selbstständige Gemeinde umfasste ferner die Gemeindeteile Bauerngrün, Destuben, Heinersberg, Krodelsberg, Rödensdorf, Römersberg, Sorgenflieh und Weiherhaus.[3][4]

Fanggasse in (Unter-)Thiergarten

Der Gemeindeteil Thiergarten liegt im Süden der Stadt. Er gliedert sich in den Teilbereich Oberthiergarten mit dem Jagdschloss Thiergarten und das im Tal gelegene (Unter-)Thiergarten.[5]

Brunnen in Thiergarten (um 1910)

Bereits um 1390 wurde die Ortslage unter dem Namen „Breitengraß“ im Landbuch des Landschreibers Pfarrer Paul aus Kasendorf erwähnt.[6] Breitengraß bestand im 17. Jahrhundert aus einem Bauernhof, einem „Söldengut“, einem Jägerhaus mit „Wirtschaftsgerechtigkeit“, einer Schmiede und einer Ziegelhütte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg blieb der Ort unbewohnt und verfiel.[7]

Nachdem das Gebiet den Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth schon längere Zeit der Jagd gedient hatte, ließ Markgraf Christian Ernst oberhalb des Ortes ein erstes Jagdschlösschen errichten. 1715 wurde es von seinem Nachfolger Georg Wilhelm durch das nach wie vor erhaltene Jagdschloss Thiergarten ersetzt.[8] Etwa einen Kilometer abseits des Schlosses ließ der Markgraf im Tal des Tappert eine Stallung und ein Forsthaus errichten. Sie bildeten die Keimzelle des heutigen Ortsteils (Unter-)Thiergarten.

Das Schloss und die Stallungen sowie mehrere Weiher lagen in einem umzäunten Jagdareal, dessen Zaun Christian Ernst durch eine massive Mauer, die von sechs Toren durchbrochen war, ersetzen ließ. Hauptzugang war das mit Skulpturen des Bildhauers Elias Räntz prächtig gestaltete Bayreuther Tor. Die Reste des Ortes Breitengraß verschwanden im Zuge der Umgestaltung des Areals zu einem barocken Jagdgarten.

Im Thiergarten wurden vor allem Damhirsche gehegt und gejagt, auch gab es einen 45 Tagwerk Land umfassenden Fasanengarten. Der letzte Markgraf Karl Alexander ließ aus Desinteresse an der Jagd das Gelände teilweise zerstören.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Thiergarten 7 Anwesen. Die Hochgerichtsbarkeit stand dem bayreuthischen Stadtvogteiamt Bayreuth zu. Die Dorf- und Gemeindeherrschaft hatte das Hofkastenamt Bayreuth. Grundherren waren das Hofkastenamt Bayreuth (1 Gut mit Wirtschaft, 3 Gütlein, 1 Gütlein mit Schmiede) und das Amt Unternschreez (1 Hof, 1 Södengut).[9]

Von 1797 bis 1810 unterstand der Ort dem Justiz- und Kammeramt Bayreuth. Nachdem im Jahr 1810 das Königreich Bayern das Fürstentum Bayreuth käuflich erworben hatte, wurde Thiergarten bayerisch. Infolge des Gemeindeedikts wurde Thiergarten dem 1812 gebildeten Steuerdistrikt Oberkonnersreuth zugewiesen. Zugleich entstand die Ruralgemeinde Thiergarten, zu der Bauerngrün, Heinersberg und Sorgenflieh gehörten. Sie war in Verwaltung und Gerichtsbarkeit dem Landgericht Bayreuth zugeordnet und in der Finanzverwaltung dem Rentamt Bayreuth (1919 in Finanzamt Bayreuth umbenannt). Mit dem Gemeindeedikt von 1818 erfolgte die Eingemeindung von Destuben und Rödensdorf. Etwas später wurden auf dem Gemeindegebiet Krodelsberg, Römersberg und Weiherhaus gegründet. Ab 1862 gehörte Thiergarten zum Bezirksamt Bayreuth (1939 in Landkreis Bayreuth umbenannt). Die Gerichtsbarkeit blieb beim Landgericht Bayreuth (1879 in Amtsgericht Bayreuth umgewandelt).[4] Die Gemeinde hatte eine Gebietsfläche von 7,323 km².[10]

Im Oktober 1971 erklärte sich der Gemeinderat bereit, eine unbebaute, vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Fläche von 45 Hektar für den Bau der Universität Bayreuth abzutreten.[11] Im Zuge der Gebietsreform in Bayern wurde die Gemeinde Thiergarten am 1. Juli 1976 nach Bayreuth eingemeindet.[12][3] Zu diesem Zeitpunkt umfasste sie mehr als dreißig landwirtschaftliche Betriebe.

Einwohnerentwicklung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemeinde Thiergarten

Jahr 1822 1840 1852 1855 1861 1867 1871 1875 1880 1885 1890 1895 1900 1905 1910 1919 1925 1933 1939 1946 1950 1952 1961 1970
Einwohner 220 256 239 233 222 224 257 252 254 243 215 224 240 266 265 253 257 295 333 434 471 456 458 400
Häuser[13] 26 32 33 33 36 37 56 78
Quelle [4] [14] [14] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [14] [22] [14] [23] [14] [24] [14] [14] [14] [25] [14] [10] [26]

Ort Thiergarten

Jahr 001819 001822 001861 001871 001885 001900 001925 001950 001961 001970 001987
Einwohner 60 * 69 * 30 62 * 59 * 33 34 66 44 78 33
Häuser[13] 7 * 8 * 6 6 12 9 9
Quelle [27] [4] [15] [17] [20] [22] [24] [25] [10] [26] [1]
* 
inklusive Oberthiergarten

Ehemalige Gemeindeteile

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name des spätestens 1797 nachweisbaren Hofs geht auf die Rodung („Grün“) eines Bauern oder eines Mannes namens Bauer zurück.[28]

Hofwiesengasse in Destuben

Das Dorf Destuben fand erstmals im Landbuch A des Jahres 1398, bereits unter dem heutigen Namen, Erwähnung. Das mittelhochdeutsche Wort stube bedeutet heizbares Gemach oder auch kleines Wohnhaus. Somit könnte der Ortsname auf eine alte Herberge hindeuten, die aber nicht urkundlich belegt ist. Auch könnte es sich um einen alten Flurnamen handeln, der ein durch Wald eingeschlossenes Flurstück bezeichnete.[29]

Am 1. Juni 1992 wurde im alten Schulhaus von Destuben Bayreuths erster Waldorfkindergarten eröffnet.[30]

Im Landbuch A wurden 1398 vier Güter der Nanckenreuther von Unternschreez als Heuesberg erwähnt. Der Name Heinersberg tauchte erstmals 1692 auf und bedeutete „Berg des Heinrich“.[31]

Ortskern Rödensdorf, rechts das Baudenkmal Rödensdorf 28

Am Hang des Sophienbergs liegt Rödensdorf. Der Ort gehörte zur Gemeinde Thiergarten und wurde 1976 nach Bayreuth eingemeindet. 1398 wurde er im Landbuch A erstmals erwähnt. Der Ortsname enthält die Genitivform des altdeutschen Personennamens Hrodin (althochdeutsch hruod: Ruhm) und bedeutet Dorf eines Rodin.[32]

Das ehemalige Wohnstallhaus Rödensdorf 28 ist ein Baudenkmal (Nummer D-4-62-000-432) und gab 2011 den Impuls zur Gründung des Vereins Rettet die Fachwerk- und Sandsteinhäuser. 2016 wurde ein Gutachten zum Erhalt und der Sanierung des Gebäudes erstellt. Der Eigentümer ließ das leerstehende Haus jedoch verfallen und brach 2017 den Kontakt zum Verein ab. Im Februar 2020 fiel nach einem Sturmtief das dritte Fachwerk-Segment aus der Fassade; im Mai 2020 erklärten Denkmalpfleger und Politiker, das Gebäude sei kaum noch zu retten, und sprachen von einem „Multiorganversagen aller Behörden“.[33]

Der Weiler Römersberg ist nach einer Familie Römer benannt, der Flurname ist 1936 belegt.[32]

Der preußische Hauptmann von Reiche erbaute 1801 nahe Thiergarten einen kleinen Landsitz, den er Sorgenflieh nannte. Er war Verfasser eines Buchs über Bayreuth und eines Stadtplans.

Thiergarten ist evangelisch-lutherisch geprägt und nach St. Marien (Gesees) gepfarrt.[9][10]

Die Gemeinde Thiergarten liegt abseits der Hauptverkehrsachsen. Sie wird von den Linien 312 (und teilweise 315) des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN) erschlossen.

  1. a b Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand: 25. Mai 1987. Heft 450 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München November 1991, DNB 94240937X, OCLC 231287364, S. 287 (Digitalisat).
  2. Stadt Bayreuth, Liste der amtlichen Gemeindeteile/Ortsteile im BayernPortal des Bayerischen Staatsministerium für Digitales, abgerufen am 19. Oktober 2023.
  3. a b Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten, S. 94.
  4. a b c d R. Winkler: Bayreuth, S. 485.
  5. Ortskarte 1:10.000. Darstellung mit Schummerung. In: BayernAtlas. LDBV, abgerufen am 19. Oktober 2023.
  6. Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten, S. 36.
  7. Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten, S. 91.
  8. Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten, S. 92.
  9. a b R. Winkler: Bayreuth, S. 393.
  10. a b c d Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand am 1. Oktober 1964 mit statistischen Angaben aus der Volkszählung 1961. Heft 260 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1964, DNB 453660959, OCLC 230947413, Abschnitt II, Sp. 659 (Digitalisat).
  11. Vor 50 Jahren in: Nordbayerischer Kurier vom 27. Oktober 2021, S. 8.
  12. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 669 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
  13. a b Es sind nur bewohnte Häuser angegeben. Von 1871 bis 1987 werden diese als Wohngebäude bezeichnet.
  14. a b c d e f g h i j Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis : Die Einwohnerzahlen der Gemeinden Bayerns in der Zeit von 1840 bis 1952 (= Beiträge zur Statistik Bayerns. Heft 192). München 1954, DNB 451478568, OCLC 311071516, S. 139, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00066439-3 (Digitalisat).
  15. a b Joseph Heyberger, Chr. Schmitt, v. Wachter: Topographisch-statistisches Handbuch des Königreichs Bayern nebst alphabetischem Ortslexikon. In: K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern. Band 5. Literarisch-artistische Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, München 1867, OCLC 457951812, Sp. 847, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10374496-4 (Digitalisat).
  16. Kgl. statistisches Bureau (Hrsg.): Verzeichniß der Gemeinden des Königreichs Bayern nach dem Stande der Bevölkerung im Dezember 1867. XXI. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. Ackermann, München 1869, S. 130 (Digitalisat).
  17. a b Kgl. Statistisches Bureau (Hrsg.): Vollständiges Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Kreisen, Verwaltungsdistrikten, Gerichts-Sprengeln und Gemeinden unter Beifügung der Pfarrei-, Schul- und Postzugehörigkeit … mit einem alphabetischen General-Ortsregister enthaltend die Bevölkerung nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1875. Adolf Ackermann, München 1877, OCLC 183234026, 2. Abschnitt (Einwohnerzahlen vom 1. Dezember 1871, Viehzahlen von 1873), Sp. 1019–1020, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00052489-4 (Digitalisat).
  18. K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeinde-Verzeichniss für das Königreich Bayern. Hergestellt auf Grund der neuen Organisation der Regierungsbezirke, Bezirksämter und Gerichtsbezirke. Nachtrag zum Heft 36 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1879, OCLC 992516308, S. 50 (Digitalisat).
  19. K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeinde-Verzeichniss für das Königreich Bayern. Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1880. Heft 35 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1882, OCLC 460588127, S. 143 (Digitalisat).
  20. a b K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Regierungsbezirken, Verwaltungsdistrikten, … sodann mit einem alphabetischen Ortsregister unter Beifügung der Eigenschaft und des zuständigen Verwaltungsdistriktes für jede Ortschaft. LIV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1888, OCLC 1367926131, Abschnitt III, Sp. 965–966 (Digitalisat).
  21. K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeinde-Verzeichniss für das Königreich Bayern : Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dez. 1890. Heft 58 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1892, OCLC 162230561, S. 143 (Digitalisat).
  22. a b K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs Bayern, mit alphabetischem Ortsregister. LXV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1904, DNB 361988931, OCLC 556534974, Abschnitt II, Sp. 1010–1011 (Digitalisat).
  23. K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeinde-Verzeichnis für das Königreich Bayern Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand vom 1. Juli 1911. Heft 84 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1911, OCLC 162230664, S. 143 (Digitalisat).
  24. a b Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis für den Freistaat Bayern nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und dem Gebietsstand vom 1. Januar 1928. Heft 109 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1928, DNB 361988923, OCLC 215857246, Abschnitt II, Sp. 1033–1034 (Digitalisat).
  25. a b Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern – Bearbeitet auf Grund der Volkszählung vom 13. September 1950. Heft 169 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1952, DNB 453660975, OCLC 183218794, Abschnitt II, Sp. 896 (Digitalisat).
  26. a b Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern. Heft 335 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1973, DNB 740801384, OCLC 220710116, S. 151 (Digitalisat).
  27. A. H. Hoenig (Hrsg.): Topographisch-alphabetisches Handbuch über die in dem Ober-Mainkreise befindlichen Städte, Märkte, Dörfer, Weiler, Mühlen und Einöden. Bayreuth 1820, OCLC 165644543, S. 123 (Digitalisat).
  28. Rosa und Volker Kohlheim: Bayreuth von A–Z. C. und C. Rabenstein, Bayreuth 2009, ISBN 978-3-928683-44-9, S. 28.
  29. Rosa und Volker Kohlheim: Bayreuth von A–Z, S. 37.
  30. Stephan-H. Fuchs: Bayreuth Chronik 1992. 1. Auflage. Gondrom, Bindlach 1992, ISBN 3-8112-0793-8, S. 103.
  31. Rosa und Volker Kohlheim: Bayreuth von A–Z, S. 58.
  32. a b Rosa und Volker Kohlheim: Bayreuth von A–Z, S. 99.
  33. „Multiorganversagen aller Behörden“ in: Nordbayerischer Kurier vom 20. Mai 2020, S. 9.