Wikipedia Diskussion:Schiedsgericht/Wahl/Mai 2012/Aschmidt

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Letzter Kommentar: vor 12 Jahren von Rosenkohl in Abschnitt Mohammed-Bilder
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Juristen und Schiedsrichter

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Hallo Aschmidt, in Deiner Bewerbung äußerst Du die Überzeugung, als Volljurist „auch für das ‚Richteramt‘ in Wikipedia die notwendigen Voraussetzungen mit[zu]bringen“. Mich interessiert, wie Du zu dieser Überzeugung gelangst:

  • Welche Qualifikationen eines Volljuristen allgemein (gern auch speziell Deine) sind Deiner Meinung nach hilfreich für Schiedsrichter?
  • Welche wichtigen Gemeinsamkeiten gibt es Deiner Meinung nach zwischen einem Gericht und dem Schiedsgericht?
  • Welche wesentlichen Unterschiede gibt es Deiner Meinung nach zwischen Rechtsprechung und dem, was das Schiedsgericht hier tut?

Anka Wau! 16:48, 3. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Liebe Anka, ich glaube, ich hätte den Ironie-Indikator setzen sollen ;) Es war eine Anspielung darauf, daß einem mit dem zweiten juristischen Staatsexamen die sogenannte Befähigung zum Richteramt bescheinigt wird (§ 5 I DRiG). Wenn das schon im richtigen Leben so ist, reicht es für Wikipedia erst recht. Smiley. Warum ist das so? Weil Streitentscheidung, das Anwenden von Regeln usw. absolut vergleichbar sind.
  • Hilfreich ist, daß man als Jurist gelernt hat, auch sehr komplexe Sachverhalte normativ zu beurteilen. Studium und Referendariat (und in meinem Fall auch: Promotion) sind hier wirklich hilfreich und versehen einen mit dem nötigen Rüstzeug. Ich war auch lange genug in der Rechtsberatung tätig und hatte auch an der Uni mit Studenten anderer Fachrichtungen über rechtliche Themen gearbeitet, um das beurteilen zu können.
  • Die Gemeinsamkeiten von staatlichen Gerichten und dem WP-SG besteht darin, daß beide bei Fällen angerufen werden, die konstruktiv gelöst werden müssen. Wie ich schon in meiner Bewerbung schrieb: Ein Gericht hat – im Gegensatz zu einer "rein rechtlichen" Gutachtenlösung in der Rechtswissenschaft – immer eine Friedensfunktion, und das gilt gleichermaßen bei einem staatlichen wie bei einem Schiedsgericht wie diesem hier. Hardliner sind hier am falschen Ort. Es geht hier vor allem ums Schlichten. Wir sind ein ehrenamtliches Projekt, in dem ein möglichst gutes Arbeitsklima zu schaffen ist. Erst wo definitiv nichts mehr zu schlichten ist, muß entschieden werden, und dann kann es natürlich auch sein, daß man einen Schlußstrich ziehen muß, um zu einem eindeutigen und klaren Ergebnis zu kommen, das möglichst auch anderen gegenüber eine Signalwirkung zum Besseren hin zeigt. Von der Sache her gesehen, stehe ich immer auf der Seite der Autoren, die bemüht sind, Wikipedia inhaltlich voranzubringen. Sie brauchen sowohl seitens der Admins als auch seitens einer Einrichtung wie dem SG jemand, der ihnen ein produktives Arbeiten möglich macht.
  • Die wesentlichen Unterschiede zwischen WP-SG und Justiz: Gerichte rekonstruieren jeweils Vergangenes (den "Fall"), um es nach ganz bestimmten Regeln zu entscheiden und damit gleichzeitig die Zukunft in vergleichbaren Fällen zu gestalten. Der bedeutsamste Unterschied zu einem staatlichen Gericht (oder auch zu einem Schiedsspruch bei einem kommunalen Schiedsamt oder zu dem Schiedsgericht einer politischen Partei) folgt wohl aus der Natur der Streitigkeiten: So ernst die Konflikte auch immer sich ausnehmen mögen, das Leben geht weiter, unabhängig vom Ausgang eines solchen Schiedsverfahrens. Das bedeutet keinesfalls, daß man sie weniger ernst zu nehmen hätte, als es bei den Beteiligten der Fall sein mag, denn alle Beteiligten müssen mit dem, was das SG entscheidet, auch in Zukunft gut leben können. Aber es ist auch ein Akt der Erkenntnis, daß wir hier beileibe nicht mit derselben Bedeutung und mit derselben Macht auftreten können, wie es beispielsweise bei einem Sozialgericht der Fall ist, das fortwährend darüber entscheiden muß, welchen Spielraum ein Betroffener in seiner Biographie in Zukunft haben wird, wenn es über existentiell wichtige Sozialleistungen (etwa über die Gewährung einer Krankenbehandlung oder einer Rente) oder allgemein wegen Behördenwillkür angerufen wird.
Ich würde mir übrigens wünschen, daß die Entscheidungen des SG bekannter wären. Ich würde mir überhaupt wünschen, daß das Regeldickicht, das es in WP mittlerweile gibt, besser durchschaubar wäre. Aber das ist nur so eine Idee von mir. Wahrscheinlich hat das Obskure, das hier besteht, ja, wie sonst auch, wenn es um Regeln und Normen geht, auch ihren Zweck, wer weiß.--Aschmidt (Diskussion) 20:01, 3. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Danke für Deine ausführliche Antwort. Anka Wau! 22:29, 3. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Hallo Aschmidt, mich interessiert, ob Schiedsrichter trotz bestem Abstraktionsvermögens, guter Regelkenntnis und -technik in bestimmten Fällen nicht auch neben (Alters)Weisheit Sachkenntnis besitzen sollten. Bei vorliegenden unterschiedlichen Sachgutachten kann doch der Spruch der Schiedsrichter nicht nur aus dem Bauchgefühl heraus gefällt werden. Trotz richterlicher Mehrheitsfindung bleibt: Sachverständigenmehrheit muss nicht richtig sein. Wer bestimmt den SV oder ist es der mit der selbs(?)gebastelten, werbeträchtigsten WP-Seite? Sollten Berufungen oder Beschwerden möglich sein? Wieviele Instanzen soll das hier bei WP gehen? --WillyWu (Diskussion) 11:31, 4. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Lieber WillyWu, Sachverständige in Wikipedia? Scheint mit abwegig. Ich setze voraus, daß ein SG-Mitglied selbst genügend Sachverstand mitbringt. Am derzeitigen Verfahren möchte ich nichts ändern.--Aschmidt (Diskussion) 12:00, 4. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Guten Morgen Aschmidt! Danke für die klare Aussage: "nobody is ...?" MfG --WillyWu (Diskussion) 09:59, 5. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Mohammed-Bilder

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Du schreibst auf en:Wikipedia:Requests for comment/Muhammad images u.a.:

>>Support — If opposition against a veiled or an unveiled depiction is really that fierce, we should be considerate hereof and opt for the least offensive solution that we all can get along with in the infobox. This should, however, not lead to the conclusion that other depictions of a veiled or an unveiled Muhammad are no longer displayed in Wikipedia altogether.--Aschmidt (talk) 10:58, 20 March 2012 (UTC)<<
>>We should be considerate of the feelings of faithful Muslims, but we also have to defend tolerance and enlightenment as fundamental Western values an encyclopaedia is a part of.--Aschmidt (talk) 11:14, 20 March 2012 (UTC)<<
>>Being considerate against other people's sincere feelings and believes also is an element of tolerance. The point is that we have to find a threshold, a line of demarcation. This can only be found in a deliberative approach, in a discussion. My point of view is that we live in one world, but this a platform of enlightenment, so it must be possible after all to show depictions of Mohammed at all, just as we do show depictions of Jesus Christ or indeed any other prophet or religious reader in an encyclopaedia. The current solution for the infobox as a prominent point if interest in an article seems to be a good idea. Everyone gives in a bit, no one prevails abolutely, and the character of an encyclopaedia is preserved.--Aschmidt (talk) 11:32, 20 March 2012 (UTC)
I would like to add that perhaps your point of view is mainly influenced by the rigid discussion that has taken place in th U.S. on matters of Christian fundamentalism lately. We don't have this problem in Germany, or indeed in Europe, as we are quite liberal in this country. Denying the Holocaust is a crime in this country, and we hardly have any religious fundamentalists in prominent places.--Aschmidt (talk) 11:35, 20 March 2012 (UTC) <<

Bitte entschuldige, daß ich diese Edits, noch dazu aus einem anderen Projekt, "hervorgekramt" habe, in einer Sachfrage, wo Deine Ansichten nur in Teilen von meinen abweichen. Dennoch möchte ich nicht hier abstimmen, ohne dazu etwas zu sagen.

1. Hieran stört mich zunächst, unabhängig von dem Zusammenhang mit dem Thema Islam, daß Toleranz und Aufklärung als "grundsätzliche westliche Werte", und Aufklärung als Teil dieser grundsätzlichen westlichen Werte bezeichnet werden. Der Begriff der "westlichen Werte" kam m.W. erst mit dem Ende des zweiten Weltkrieges auf. Die westliche Welt setzte sich als "westliche Wertegemeinschaft" sowohl von den Systemen des Nationalsozialismus als auch von den sozialistisch und kommunistisch orientierten Staaten ab. Dieser Begriff westlicher Werte hatte sein Berechtigung, soweit damit die freie Gesellschaftsordnung der westlichen Staaten betont wurde; zweifelhaft ist dagegen die implizierte Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Sozialismus. Wohlgemerkt stimme ich vollkommen darin zu, daß die Aufklärung, und damit auch die Enzyklopädie in einer langen westlichen Tradition stehen, welche sich wohl mindestens bis in die griechische Antike zurückverfolgen läßt. Nur kann diese Aufklärung weder rein bejahend begriffen werden, ohne die Widersprüche der Aufklärung wahrzunehmen. Noch darf diese westliche Wissenschaftstradition verwechselt werden mit den seit 1945 zum Teil berechtigt, und zum Teil als Schlagwort mißbrauchten "westlichen Werten".

2. Toleranz wird hier von Dir in einen gewissen Gegensatz zur Aufklärung gestellt, und mit jener wird eine graduelle Relativierung dieser begründet. Toleranz, z.B. religiöse, bedeutet aber gerade, daß die Sitten und Ansichten einzelner Teilgruppen akzeptiert werden, umgekehrt die Teilgruppen aber keine Rechte bei der Gestaltung des politischen Gemeinwesens besitzen. Z.B. zitiert Marx (in Zur Judenfrage) in diesem Sinne zustimmend Hegel mit:

»Damit [...] der Staat als die sich wissende sittliche Wirklichkeit des Geistes zum Dasein komme, ist seine Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens notwendig; diese Unterscheidung tritt aber nur hervor, insofern die kirchliche Seite in sich selbst zur Trennung kommt; nur so über die besondern Kirchen hat der Staat die Allgemeinheit des Gedankens, das Prinzip seiner Form gewonnen und bringt sie zur Existenz« (Hegels Rechtsphilosophie, 1. Ausgabe, p. 346).

Insofern ist übrigens auch der us-amerikanische Staat selbstverständlich genauso ein liberaler Rechtsstaat wie es der deutsche Staat ist, denn in beiden Ländern ist Staat und Religon grundsätzlich getrennt. Während es in beiden Ländern zwar im einzelnen kulturell unterschiedlich geprägte, gesellschaftlich, z.B. religiöse und weltanschauliche Interessengruppen mit zum Teil zueinander antagonistischen Ansichten gibt. (Aktuell könnte man z.B. auch an den Konflikt zwischen Salafisten und Rechtsextremisten in NRW denken).

Nun ist Aufklärung zwar keine staatliche Veranstaltung, und eine Enzyklopädie kann auch keinen wirklichen "sittlichen" Anspruch erheben. Andererseits kann die Aufklärung hinter diesen Fortschritt des modernen Staates nicht zurückgehen. Auch das Einnehmen eines enzyklopädisch neutrale Standpunktes macht daher eine "Unterscheidung von der Form der Autorität und des Glaubens notwendig". Toleranz bedeutet für eine Enzyklopädie somit, daß man keiner Teilgruppe ein besonderes Recht bei der Gestaltung einräumt.

3. Schließlich halte ich auch die Idee, in die sogenannte "Infobox", also die erste Stelle, in der in Biographien der englischsprachigen Wikipedia eine Abbildung der dargestellten Person erscheint, ausgerechnet eine sogenannte "Schönschrift" ("Calligraphy") des Namens der Person zu stellen, für alles andere als gut. Es handelt sich bei einem Schriftzug eben nicht um die bildliche Darstellung eines realen menschlichen Körpers, durch welche Informationen über die dargestellte Person vermittelt werden können.

Wobei hier erschwerend hinzukommt, daß es bisher keine Quellen gibt, dafür daß die ursprüngliche Bildvorlage File:Edirne 7331 Nevit.JPG tatsächlich als dem Genre der "islamischen Kalligraphie" zurechenbar gilt, und nicht nur ein ins Überdimensionale vergrößterter Schriftzug ist, und dafür daß dann diese Eigenschaft, eine Kalligraphie zu sein, durch die per Bildbearbeitung vorgenommene Dekontextualisierung sozusagen auf File:Mohammad SAV.svg "vererbt" worden wäre.

--Rosenkohl (Diskussion) 00:21, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Lieber Rosenkohl, könntest Du auch mit einem Satz sagen, inwiefern Aschmidts Auffassungen ihn für das SG disqualifizieren? Für mich wäre die relativ differenzierte, begründete und angesichts der Meinungsverhältnisse bei WP nicht gerade abseitige Weise, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, ein Grund für pro, auch wenn er dabei Wörter verwendet, die sich bei näherer Betrachtung als fragwürdig erweisen könnten.
Ich teile Aschmidts Auffassungen übrigens auch nicht, da ich finde, dass WP "Aufklärung" nicht erzwingen soll. Insofern stimme ich Rosenkohl zu, dass Toleranz nicht durch Aufklärung beschnitten werden soll, sondern eine Grundlage aufgeklärten Handelns sein sollte. Zudem stellt sich bei Mohammed-Abbildungen ja auch die Frage, worüber hier eigentlih aufgeklärt werden soll. Geht es wirklich um „Informationsvermittlung“ über den „realen menschlichen Körper“ Mohammeds? Gibts denn da Fotos ;-) oder wenigstens zeitgenössische realistische Portraits? Eigentlich nicht. Da die Darstellung Mohammeds außerdem nicht zur kulturellen Tradition der bedeutenderen Strömungen des Islam gehört, wird noch nicht mal etwas Allgemeingültiges über die Ikonografie Mohammeds ausgesagt. Die Darstellung wird dem Gegenstand daher aus missverstandener Liebe zur „Aufklärung“ und auf der Grundlage der etwas aggressiveren der "westlichen Werte" übergestülpt, obwohl sie zum Artikelgegenstand allenfalls ganz am Rande etwas beizutragen hat. Da würde die imho nicht mit dem Bilderverbot kollidierende und eher in der islamischen Kunst verankerte Kalligrafie besser passen. Alles andere ist ein bißchen so, als würden wir irgendwo eine phantastische Rekonstruktionszeichnung von Vineta finden, um hier gegen Widerstände damit "Aufklärung" zu betreiben.
Um meiner bisherigen Unentschiedenheit abzuhelfen, würde ich mir von Aschmidt nicht notwendig eine spezielle Auseinandersetzung mit islamischen Bilderverbot wünschen, aber allgemein mit dem Verhältnis von Aufklärung und Toleranz (gegenüber Minderheiten oder nicht (bzw. nicht primär) wissenschaftlich fundierten Weltanschauungen). --olag disk 2cv 07:47, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Meine Ausführungen, auf die Rosenkohl Bezug nimmt, sind im Zusammenhang mit der dortigen Diskussion in en.wp gefallen. Auch der konkrete Anlaß stellt sich in en.wp grundsätzlich anders dar als in de.wp, weil hier eine sehr viel homogenere Autoren- und Leserschaft besteht. Ich habe dort noch weitere Diskussionen geführt und habe dem nichts hinzuzufügen. Quintessenz: Ich halte nichts von Einseitigkeiten, dafür aber viel von Kompromissen, mit denen mehrere beteiligte Seiten gut weiter gemeinsam leben können. --Aschmidt (Diskussion) 15:31, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Leider fehlt mir der Überblick über weitere von Dir auf en.wp geführte Diskussionen, sondern habe nur diese vom "20 March 2012 (UTC)" oben zitiert, weil sie mir ins Auge gefallen sind. Leider gehst Du inhaltlich nicht auf die von mir hier aufgeschriebenen Argumente ein. Eine Enzyklopädie soll zunächst den Stand der Wissenschaft darstellen und vermitteln, unabhängig davon, welchen Teilgruppen die Autoren oder die Leser angehören mögen. Nebenbei sind Aufgrund der Anonymität von Autoren und Lesern der Wikipedia Spekulationen über solche Gruppenzugehörigkeiten von vornherein haltlos. Selbst wenn sich tatsächlich graduelle Unterschiede in der Zusammensetzung der Autoren- oder Leserschaft zwischen der deutsch- und englischsprachigen Wikipedia statistisch plausibel machen ließen, Gruppenzugehörigkeiten dürfen jedenfalls zu keiner Beeinflußung der inhaltlichen Gestaltung und Neutralität der Projekte führen. Wenn Neutralität hier als "Einseitigkeit" abgetan, und "Kompromissen" das Wort geredet wird, so bestärkt mich dies eher in meiner Stimmentscheidung bei dieser Schiedsgerichtswahl, --Rosenkohl (Diskussion) 14:50, 17. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Meinungsfreiheit in Wikipedia

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By the way: um eine Erklärung für mein bisher unentschlossenes (auch von Müdigkeit geprägtes) Abstimmungsverhalten zu geben: was mich irgendwann einmal irritiert hat, war die aus meiner Sicht etwas schnelle Ablehnung einer Ausdehnung fundamentaler Partizipationsrechte (z.B. Meinungsfreiheit) auf die Wikipedia (Difflinks können auf Wunsch rausgekramt werden). Mir ist klar, dass es nach herrschender Meinung unter Juristen da mehrere Probleme bzgl der Grundrechtsgeltung in zwischenstaatlichen, durch Privatrechtsbeziehungen geprägten Verhältnissen gibt, die ich hier im Einzelnen nicht ausbreiten will. Trotzdem noch mal zwei Fragen dazu:

  • Dürfen Benutzer, weil sie bestimmte, vielleicht unbeliebte Meinungen vertreten - und damit nerven, per BSV oder Schiedsgerichtsentscheidung indefinit gesperrt werden, ohne dass allgemeine Gründe oder die Verletzung der Rechte anderer Personen geltend gemacht werden?
  • Wenn dies mit ja zu beantworten wäre, gilt dann nicht auch hier die „Meinungsfreiheit“ und eine Art (Nach-)"Zensurverbot"?
  • Allgemeiner: Nun sag, wie hast Du's mit der NPOV? Folgt daraus, dass individuelle Meinungsäußerungen bei WP verboten sind und "Men on a Mission" ohne weiteres gesperrt werden können?

Ich will das alles nicht zu hochhängen, es ist wahrscheinlich am Ende bloß ein Streit um Worte und nicht über inhaltliche Unterschiede in der Entscheidung konkreter Konflikte. Viele Grüße--olag disk 2cv 08:17, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten

Lieber Olag, wie schön, daß Du das Thema Grundrechte aufbringst. Die liegen mir auch besonders am Herzen. Sie bilden sozusagen das Herz unserer Rechtsordnung. Die wichtigste Stelle, an der Grundrechte in unsere Arbeit hineinspielen, ist sicherlich WP:BIO für das Verhältnis von Außenstehenden gegenüber dem Projekt insgesamt. Natürlich ist auch an WP:URV zu denken. Aber: Grundrechte in Wikipedia, zwischen Wikipedianern, als eine Regel innerhalb des Projekts?
Natürlich gelten die Grundrechte auch zwischen Privaten, denn sie formulieren eine objektive Wertordnung, die für alle Rechtsbeziehungen nach deutschem Recht gilt. Fraglich ist, wie sich das im konkreten Fall auswirkt. Welches Ausmaß an Verrechtlichung (immer noch rot) wir haben oder wünschen. Eine Antwort auf Deine Fragen ist nicht möglich, weil sie zu allgemein gefaßt sind. Trotzdem ein paar Gedanken dazu:
Wer „unbeliebte Meinungen“ vertritt und damit „nervt“, stellt sich damit allein noch nicht außerhalb des Projekts oder des Konsens im Projekt. Trolle gehören zur Netzkultur, manchmal sind sie sogar eine Bereicherung, die wir nicht missen möchten. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und sie ist die Grundlage für unsere Arbeit, aber sie ist auch im Grundgesetz nicht unbeschränkt verbürgt, sie hat Grenzen. Für Wikipedia bedeutet das: Wir brauchen ein optimistisches und gutes Arbeitsklima, das von dem Willen zur ständigen Verbesserung unserer Inhalte, von Liberalität, Neugier, Freiheit und gegenseitigem Respekt getragen ist, WP:AGF, WP:KPA. Konkret: Nazis, Militaristen, Rassisten und Homophobe und dergleichen müssen draußen bleiben. Und der WP:NPOV ist eine Regel für die Artikelarbeit, nicht beispielsweise für Diskussionen, die sind notwendig subjektiv, sonst wären sie keine.
Benutzersperren können auf Entscheidungen des Schiedsgerichts gestützt werden. Dafür gibt es Beispiele. Die Grundrechte stehen einer Benutzersperrung als letztem Mittel auch nicht entgegen. Das SG kommt ins Spiel bei hinreichend schweren Verstößen gegen unsere selbstgesetzten Regeln. Das ist auch keine Zensur, denn die geht im verfassungsrechtlichen Sinne von einer staatlichen Stelle aus, nicht von einer privaten.
Spannend und noch auszuarbeiten wäre für reine Online-Projekte dagegen die Frage, inwieweit hier ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe bestehen könnte. Die Frage stellt sich bei Projekten, die so wichtig werden, so groß, daß sie eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung erlangen, so daß man von einer monopolartigen Stellung sprechen könnte. Es müßte aber ein tatsächliches Monopl sein; ein rein faktisches Monopol, das nur von den Benutzern ausgeht, obwohl es durchaus noch zumutbare Alternativen gibt, reicht mir da nicht aus. Auf das Thema Benutzersperren bezogen: Wann müssen wir also jemand hereinlassen oder drinlassen? Zum einen bin ich dezidiert dagegen, daß es mit den Wikimedia-Projekten eines Tages mal soweit käme, daß wir uns über die Anwendung des allgemeinen Gleichheissatzes (oder einfachrechtlich: Wettbewerbsrechtlichen Fragen) unter diesem Gesichtspunkt Gedanken machen müßten. Deshalb arbeite ich auch in anderen Wikis und Projekten mit und unterstütze die Vielfalt der Wikisphäre, und ich wäre auch dafür, dies im Bereich WP:WEB, WP:BLG in Wikipedia zum Tragen zu bringen, indem wir selbst andere gute Wikis, die auch gute Qualität bieten, fördern und verlinken. (Deshalb halte ich übrigens auch ein Ziel des Kompaß 2020 von WMDE – „Jeder, der etwas wissen will, geht zu Wikimedia“ – bei einem zivilgesellschaftlichen Grassroots-Projekt ganz sicher für vermessen und unangebracht, denn wir brauchen Vielfalt und produktive Konkurrenz mit anderen Projekten. Das geht aber auf Dauer nur, indem wir diese auch unterstützen und nicht versuchen, sie aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Sonst bekämpfen wir am Ende auch anderes Freies Wissen, das kann nicht das Ziel sein. Damit entzöge sich Wikimedia letztlich auch selbst den Boden, denn Kreativität und Produktivität sind nicht grenzenlos vermehrbar.) Zum anderen kann ein Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an einem solchen Projekt aber nur unter sehr engen Voraussetzungen durchgreifen, die nach meiner Überzeugung zumindest derzeit auch für Wikipedia noch nicht zu bejahen wären, und er setzte natürlich auch voraus, daß derjenige, der ihn geltend macht, sich selbst an die Regeln des Projekts hielte und dessen Interessen fördert.
Übrigens danke ich Dir dafür, daß Du eine Frage, die Du ausdrücklich nicht zu hoch hängen möchtest, in drei Teilfragen und auf drei Absätze aufgeteilt hast, die ja auch auf der Diskussionsseite kaum auffallen. ;) Deshalb habe ich mich in meiner Antwort auch entsprechend kurz gehalten. ;) --Aschmidt (Diskussion) 15:22, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Vielen Dank für die ausführliche und fundierte Antwort, die mich nun nach erheblichem hin und her von Deiner Qualifikation überzeugt und für Dich eingenommen hat. Ob wir über einige Fragen inhaltliche Differenzen haben, darauf kommt es nicht an, aber ich sehe, dass mein Eindruck falsch war, und dass Du Fragen die imho wichtig sind, nicht brüsk mit Verweis auf h.M. oder Ähnliches "wegwischt". Wahlen bei WP sind immer so ein Problem, weil man sich oft auf kurze Wortwechsel basierend - oder in zeitraubenden REcherchen - über die Kandidaten kaum eine umfassende Meinung bilden kann. Aber auf der DS geht das dann doch meist ganz gezielt. Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Wahl :-)--olag disk 2cv 15:34, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Danke sehr! Und natürlich freut es mich, daß ich vor Deinem kritischen Urteil bestehen konnte. ;) --Aschmidt (Diskussion) 15:41, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Eine noch größere Freude könntest Du mir natürlcih mit einer zitierfähigen Version als Sekundärliteratur für die Artikelarbeit machen, aber habe ich jetzt mal nicht zur Voraussetzung für meine Stimmabgabe gemacht ;-)--olag disk 2cv 15:45, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten
Puh, Glück gehabt. ;) Ich könnte mir durchaus vorstellen, das Thema "Grundrechte in Wikipedia" oder allgemein "Grundrechte in Onlineprojekten mit einer großen Zahl an Teilnehmern" mal in einem Aufsatz zu bearbeiten. Gerne auch gemeinsam. Mal sehen. ;)--Aschmidt (Diskussion) 15:52, 13. Mai 2012 (CEST)Beantworten