Diskussion:Textkritik/Archiv/1

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Letzter Kommentar: vor 2 Jahren von CRolker in Abschnitt Das Leithandschrift-Prinzip
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Diskussionen von 2004

Das ist ein (nicht allzu seltener) Irrtum: Textkritik ist nicht Kritik am Text sondern Rekonstruieren des Originaltexts. Sie ist auch nicht zu verwechseln mit der historisch-kritischen Exegese. --Irmgard 18:30, 1. Sep 2004 (CEST)

Verschoben:
, als die Bibel nicht mehr allgemein als autoritativer Text anerkannt war. Die Entdeckungen der Textkritik führten zu einer Krise der Theologie.

Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --CRolker (Diskussion) 22:16, 7. Aug. 2022 (CEST)

Abzuklären

Aus dem Artikel zunächst hierherverschoben. Ich verstehe den ergänzten zweiten Satz (der außerdem kein Satz ist) nicht.

Je älter ein Textzeuge, desto weniger Abschreibefehler dürften entstanden sein. Sofern innerhalb dieser ersten Zeit nur wenige Abschriften angefertigt wurden und später das Interesse am Text nicht nachgelassen hat, so dass die Zahl der Abschriften im Laufe der Zeit konstant geblieben ist.

--Sigune 03:31, 3. Jan 2005 (CET)

Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --CRolker (Diskussion) 22:16, 7. Aug. 2022 (CEST)

Lachmann

Mir ist unbekannt, wer die Idee hatte, daß Lachmann die Textkritik erfand, aber er sollte sich mal die von Erasmus von Rotterdam erarbeitete kritische Edition des griechischen Texts des Neuen Testaments (Rekonstruktion des Originaltexts mit lateinischen Kommentaren, Anmerkungenapparat und 7 Indices) ansehen. --Dunnhaupt 00:11, 13. Okt. 2006 (CEST)

soweit ich weiß, waren die anfänge sogar bei kallimachos im hellenistischen ägypten, weil sie schon damals mit der homerüberlieferung zu kämpfen hatten --Hesiod 23:15, 01.02.2008 (CEST)

Hebräische Bibel

gestrichen:

Bei der Hebräischen Bibel war der masoretische Text bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts meist der Endpunkt der Textkritik, da die Masoreten versuchten, schlechtere Texte systematisch zu verdrängen – sprich: zu vernichten.
Durch die Entdeckung der Schriftrollen am Toten Meer (Qumran) und weiterer Textfunde in der Wüste von Judäa gibt es jedoch heute Textzeugen, die über tausend Jahre älter sind, als die ältesten masoretischen Texte, was für die Textkritik des Alten Testaments eine ganz neue Ausgangslage ist.

die masoreten versuchten hauptsächlich das original zu bewahren bzw. zu rekonstruieren, sie haben garnichts vernichtet, sondern im gegenteil alles bewahrt. der textkritische aparat der bhs geht auf diese arbeit zurück. die schriftrollen vm totenmeer werden eigentlich immer als beleg für den überdurchschnittlich guten erhalt des biblischen textstandes aufgeführt. also das ganze bitte präziser und mit quellenangabe. ekuah 14:43, 19. Dez. 2006 (CET)

Diesmal präziser – gern geschehen. Warum nicht mal auf eine 13 Jahre und 3 Wochen alte Bitte reagieren? Quelle: Emanuel Tov: Textual criticism of the Hebrew Bible. 3rd, revised and expanded edition, Minneapolis 2012.--Appelboim (Diskussion) 00:05, 11. Jan. 2020 (CET)
Beides inzwischen erledigt - :Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --CRolker (Diskussion) 22:18, 7. Aug. 2022 (CEST)

Abschnitt Grundlagen

"Dennoch blieb die Vorstellung eines auktorial abgesicherten Urtextes, den die Textkritik zu rekonstruieren hat, lange Zeit eine wirkungsvolle Vorstellung." Dieser Satz will in den Abschnitt nicht so recht passen. Tempuswechsel, außerdem Abgrenzung gegen diese Vorstellung. Was ist dagegen heute die Vorstellung? ––– ( Beitrag von Giftzwerg 88 17:19, 16. Okt. 2013 (CET) – Signatur nachgetragen von --Horst bei Wiki (Diskussion) 14:01, 31. Dez. 2013 (CET) )

Und dieser Satz vorher ist ziemlich unsinnig: "Der rekonstruierte Text wird Urtext oder Archetyp genannt. Er wird vom Original und allen mutmaßlichen Überlieferungsstufen unterschieden."
Dem Sinn nach - da "Original" auf "Urtext" verlinkt - steht da: Der rekonstruierte Text wird Urtext genannt und der wird vom Urtext unterschieden. Wie?? Was??
Wann wird der Artikel mal von 'nem Fachmann überarbeitet? – – –-- Horst bei Wiki (Diskussion) 14:01, 31. Dez. 2013 (CET)
Prima. Nun ist an den Stellen Ordnung eingekehrt. –– --Horst bei Wiki (Diskussion) 15:06, 31. Dez. 2013 (CET)
Ich bin noch nicht zufrieden. Ich muss mir den gesamten Artikel nochmal im Detail vorknöpfen. Es sollte auch noch mehr zu den theoretischen Grundlagen drinstehen, also wann und von wem sie entwickelt wurden.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 15:32, 31. Dez. 2013 (CET)

Einleitung unklar

@ Giftzwerg 88: Ob denn das auch noch korrigiert werden kann: Im 2 Satz der Einleitung steht
"Sie wird angewandt, wenn es unterschiedliche Fassungen gibt, um eine kanonische Textfassung („Textedition“) aus Manuskripten oder Erstdrucken zu (re-)konstruieren."
Dabei erscheint dieses "Textedition" im Fett-Druck wie eine Erklärung zu "Textfassung", ist aber als Fett-Markierung eine Suchwort, unter dem dann erneut als Weiterleitung "Textkritik" wieder auftaucht. Das ergibt so keinen Sinn.
Gruß. –– --Horst bei Wiki (Diskussion) 17:25, 19. Dez. 2014 (CET)

Also erst mal ist klar, dass das Wort "Textedition" fett ist, weil die Weiterleitung hierher zeigt. Die Hauptaufgabe bei einer Textedition ist die natürlich die Textkritik, v. a. wenn es sich um eine Erstausgabe eines bisher handgeschriebenen Textes geht. Der Begriff ist aber eigentlich etwas weiter und gilt auch für nichtwissenschaftliche Ausgaben bzw. Leseausgaben, die keinen textkritischen Apparat haben. Desgleichen gibts auch Texte, da gibts nicht viel textkritisches zu machen ist, weil es nur wenige MSS gibt, die sich zudem kaum unterscheiden. Da sollte nochmal jemand hobeln, der mehr aus der Literaturwissenschaft stammt als ich, aber die Fettung ist auf diese Weise tatsächlich missverständlich.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 23:19, 19. Dez. 2014 (CET)

Textkritik NT

2 von 3 Änderungen von Benutzer:Giftzwerg 88 habe ich rückgängig gemacht. "Textform" statt "Form" dient der Klarheit. aber die logisch überflüssige Hinzufügung von "einzige" zu "keine" und das Ersetzen von "nur selten eine" durch "so gut wie keine" tragen eine nicht-neutrale, wertende (wann ist etwas Seltenes so gut wie keines?) Sprache hinein und stellen daher keine Verbesserung dar. --Anfeld (Diskussion) 00:11, 19. Apr. 2018 (CEST)

Zum ersten: Wenn eine einzige Handschrift den Text einer Konjektur bringt ist es keine Konjektur mehr, sondern ein "normales" textkritisches Problem. Bei einer Konjektur ist die Zahl der Textzeugen unter ca. 25.000 in Frage kommender Manuskripte genau null. Konjekturen werden in der neutestamentlichen Wissenschaft schon vom Prinzip her gar nicht mehr gemacht, weil man der Ansicht ist, dass prinzipiell mindestens eine einzige Handschrift den originalen Text bewahrt hat. Konjekturen werden von daher nicht mehr ernsthaft in der neutestamentlichen Wissenschaft diskutiert und es gibt auch kein einziges textkritisches Problem, das man mit einer Konjektur befriedigend lösen könnte, das nicht auf andere Weise, also unter Berücksichtigung der vorhandenen Lesarten mindestens eben so gut gelöst werden kann. Konjekturen im Neuen Testament gibt es also heute nicht mehr "nur selten", sondern nur noch "gar nicht". Es gibt allerdings Bibelübersetzungen, die sich vom wissenschaftlichen Konsens abwenden und mit Konjekturen arbeiten, zumeist um irgendeine vorgefasste Lehrmeinung in den Bibeltext hineininterpretieren zu können. Solche Übersetzungen werden von der Wissenschaft als gegen den Stand der Wissenschaft komplett abgelehnt. Ab und zu kommt es noch vor, dass man sich mit der Meinung vorhergehender Generationen von Bibelwissenschaftlern auseinandersetzt, und da kann man noch auf Konjekturen treffen, wenn es sich um die Zeit vor den modernen Textkritischen Ausgaben handelt. Wir reden da ungefähr von der Zeit vor 1900, meistens noch eher in Richtung Reformationszeit, als der Überblick über alle Manuskripte noch nicht da war und auch die gedruckten Ausgaben noch voller Fehler und Probleme waren. Konjekturen haben in der heutigen Bibelwissenschaft noch ihren Platz im alten Testament, wo es einzelne Stellen gibt, die mit unserem heutigen Wissen keinen wirklichen Sinn ergeben und wo man tatsächlich im Dunkeln stochert und irgendwie erraten muss, was da mal ursprünglich ausgesagt werden sollte. Also: Eigentlich muss man schreiben, dass es heute Konjekturen nicht mehr gibt, aber es gibt sie doch noch aus historischen Gründen, als wissenschaftshistorisches Verfahren. --Giftzwerg 88 (Diskussion) 17:56, 19. Apr. 2018 (CEST)
Zitat: "Aufgrund der Vielzahl der frühen Textzeugen ist im Vergleich zu anderen antiken Texten weniger davon auszugehen, dass die ursprüngliche Textform in keiner einzigen Handschrift überliefert ist."
Das ist schon eine ziemlich holprige Aussage, die mit dem Abschnitt "Kritik der Textkritik" verknüpft werden müsste, denn sie impliziert ganz klar, dass es "die ursprüngliche Textform" möglicherweise gar nicht gegeben hat und die Suche nach ihr letztlich ein aussichtsloses Unterfangen ist. Ich halte das Problem "eklektischer" Texteditionen gerade in der Bibelwissenschaft, aber auch in der Geschichtswissenschaft, für massiv unterschätzt. --Rieseninsekt (Diskussion) 11:02, 9. Jan. 2020 (CET)
Die doppelte Negation macht den Satz zwar sperrig, aber nicht unverständlich. Daß es die ursprüngliche Textform gar nicht gegeben habe, kann ich daraus nicht herauslesen, im Gegenteil. Ins Positive gewendet heißt der Satz von Giftzwerg 88: "Aufgrund der Vielzahl der frühen HSS ist davon auszugehen, daß die ursprüngliche Textform in mindestens einer überliefert sein wird." Also muß es sie ja auch gegeben haben. (- Die Diskussionsebene deines Beitrags habe ich der Lesbarkeit halber durch zweifache Doppelpunkte mal angepaßt. Wenn du hierauf antwortest, beginne bitte mit ::::) --Anfeld (Diskussion) 16:06, 9. Jan. 2020 (CET)
Die ursprüngliche Textform ist das Autograph, der erste Text, den der Autor seinerseits geschrieben (und verbreitet) hat. Da die Autographen nicht erhalten sind, kann man nicht 100% genau wissen, wie der Text im Detail aussah, es steht aber außer Frage, dass es diese erste Handschrift einmal gab. Es ist aber wahrscheinlich, dass unter den vielen erhaltenen Handschriften welche dabei sind, die die den ursprünglichen Text enthalten, oder wenigstens eine Fassung, die diesem Text sehr nahe kommt, sagen wir mal auf 99% genau. Denkbar, dass der Autor einen kleinen Schreibfehler gemacht hat, den bereits alle seine ersten Abschreiber stillschweigend korrigiert haben. Eine Konjektur besagt Folgendes: Egal was alle Handschriften schreiben, sie haben alle den falschen Text und es muss aus irgendeinem Grund so lauten, wie ich mir das ausgedacht habe. Konjekturen sind der Versuch den ursprünglichen Sinn und Wortlaut eines Textes anhand von Überlegungen zu erraten. Das muss man manchmal machen wenn man einen Text übersetzen muss und niemand eine Ahnung hat, was ein bestimmtes Wort bedeutet (z. B. wenn es sonst nirgends verwendet wurde, oder aus einem Schreibfehler resultiert), wenn der Text an der Stelle eine Lücke in der Überlieferung hat oder wenn der Text nicht mehr zu lesen ist. Im neuen Testament gibt es aber immer ein Manuskript, das diese Lücke nicht hat. Es gibt aber keine Stelle im Neuen Testament, die in allen Manuskripten keinen klar erkennbaren Sinn hat, und bei der man im nachhinein aus einem völlig unverständlichen Text einen neuen, erst damit überhaupt verständlichen Text rekonstruieren müsste. Solche "einmaligen" Worte gibt es im neuen Testament nicht, oder sie lassen sich leicht ableiten. Z. B. wenn ein Text das Wort "Dummheit" enthält, aber der Abschreiber oder Übersetzer kennt nur das Wort "dumm", so kann er trotzdem den Sinn des Worts erkennen und daraus ableiten. Schwer wirds wenn das Wort durch einen beschädigten Text nur noch als "Drmuuwkeit" entziffert werden kann. Aber wie gesagt solche Dinge gibt es im Neuen Testament an keiner Stelle, aber es könnte sein, dass ein Abschreiber den unverständlichen Text falsch interpretiert hat und aus so einem Grund an der Stelle statt dessen das Wort "Drunkenheit" geschrieben hat. Beide Versionen würden dann in Manuskripten vorkommen und beide würden einen Sinn machen und es gäbe keinen Grund, gleich beide Versionen zu verwerfen und als Konjektur nochmal etwas anderes vorzuschlagen.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 18:57, 9. Jan. 2020 (CET)
Ich habe den Satz jetzt mal positiv formuliert und hoffentlich deutlicher gemacht, dass nicht zu erwarten ist, dass es eine Handschrift gibt, in der der ursprüngliche Text an allen Stellen erhalten ist.--Appelboim (Diskussion) 22:37, 10. Jan. 2020 (CET)

Satz richtig?

Stand jetzt: "Auch Übersetzungen sind sekundäre Bezeugungen, da abhängig von der Texttreue des Übersetzers nur indirekt aus der Übersetzung auf die der Übersetzung vorliegende Fassung geschlossen werden kann."

Entweder ist das "auch" oder das "nur" falsch.
Vielleicht statt "nur" "mitunter"?
--Karl-Hagemann (Diskussion) 10:04, 10. Aug. 2018 (CEST)
Begründet wird das "sekundär": Ebenso wie Zitate sind Übersetzungen nur sekundäre Bezeugungen, weil sie nur indirekten Rückschluß auf den dahinter liegenden alten Bibeltext ermöglichen. Die Lesart könnte ggf. auch auf den Zitierenden (strenge Wörtlichkeit bei Zitaten ist in der Antike nicht immer vorauszusetzen) bzw. den Übersetzer zurückgehen und gar nicht im zugrundeliegenden Bibeltext stehen.
Besser als "der Übersetzung vorliegende" wäre aber "der Übersetzung zugrundeliegende Fassung". --Anfeld (Diskussion) 16:58, 11. Aug. 2018 (CEST)
Es gibt Übersetzungen, die sehr eng an der Vorlage bleiben, andere sind eher eine Paraphrase. Entpsprechend unterschiedlich sind die Übersetzungen. Aber auch eine texttreue Übersetzung kann an einzelnen Stellen "Ausreißer" haben, die auf die Übersetzung und nicht auf die Vorlage zurückzuführen sind. Es kann z. B. Vorkommen, dass der Übersetzer ein Wort nicht kennt und deswegen etwas anderes als das ursprünglich gemeinte schreibt oder ein Wort hat seine Bedeutung im Lauf der Zeit geändert. Ich schlage vor:

"Auch Übersetzungen sind sekundäre Bezeugungen, da abhängig von der Texttreue des Übersetzers nur indirekt von der Übersetzung auf die Vorlage geschlossen werden kann." --Giftzwerg 88 (Diskussion) 10:50, 12. Aug. 2018 (CEST)

Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --CRolker (Diskussion) 22:42, 7. Aug. 2022 (CEST)

Einleitung

Die Einleitung könnte man straffen und dabei einige kleine missverständnisse eliminieren: 1. Textkritik ist nicht nur möglich, wenn es mehrere textzeugen gibt 2. Sie "gehört" vielleicht zur Editionswissenschaft, in der Praxis aber ebenso zu anderen, deutlich größeren Fächern 3. Ziel muss keine Edition sein. Mein Vorschlag:

Die Textkritik (von altgriechisch κρίνω krínō „unterscheiden, aussondern, auswählen“) ist eine Methode, mit der die Veränderung historischer Texte im Laufe ihrer (handschriftlichen) Überlieferung und damit auch ältere, nicht erhaltene Textstufen rekonstruiert werden. Sie wird angewandt, wenn die ursprüngliche Fassung eines überlieferten Textes rekonstruiert werden soll, meist anhand mehrerer, aber im Wortlaut unterschiedlicher Handschriften. Das Ergebnis ist ein Text, der als gesicherte Grundlage der Textinterpretation bzw. Exegese dienen kann; dieser Text kann auch den Kern einer historisch-kritische Ausgabe des Textes bilden.

Textkritik wird in allen Disziplinen, die sich mit der Interpretation historischer Text befassen, betrieben (insbesondere Philologie, Theologie und Geschichtswissenschaft); speziell mit der Erstellung kritischer Ausgaben beschäftigt sich die Editionswissenschaft.

Gruß --CRolker (Diskussion) 18:23, 19. Aug. 2022 (CEST)

Ich schließe mich der Argumentation an, halte das für eine Verbesserung des Artikels und unterstütze daher den Vorschlag. (NB: Im zweiten Absatz hat sich ein kleiner Tippfehler eingeschlichen: "Texte".) Gruß --WAH (Diskussion) 19:55, 19. Aug. 2022 (CEST)
Danke für die Rückmeldung und den Hinweis auf die Fehler. Ich selbst überlege noch, ob die "ursprüngliche Fassung" so als Ziel genannt werden soll. Einerseits zielen fast alle textkritischen Versuche (letztlich) auf einen in irgendeinem Sinne ursprünglichen Text, andererseits konstruiert jede komplexere Recensio ja Hyparchetypen (also nicht nur den "Urtext") und manche Editionen wollen ja bewusst nicht die älteste, sondern zB die am weitesten verbreitete oder sonst eine andere Fassung bieten. Was meinen andere? Gruß --CRolker (Diskussion) 20:19, 19. Aug. 2022 (CEST)
Interessanter Gedanke. Könnte man sagen, dass die Textkritik nicht ohnehin primär dazu dient, Abhängigkeiten zwischen vorhandenen und (ggf.) rekonstruierten Fassungen eines Textes zu klären, wobei das Ziel "gewöhnlich" (aber nicht immer) die Rekonstruktion und/oder Edition der Ursprungsfassung ist (die ursprüngliche Fassung kann ja noch als Original existieren, muss also nicht immer rekonstruiert werden)? Gruß --WAH (Diskussion) 21:03, 19. Aug. 2022 (CEST)
Ja, ich glaube wir meinen sehr Ähnliches, müssen aber beide noch verständlicher formulieren. Zum "Rekonstruieren": Ja, die erstrebte Fassung kann in einem Textzeugen zu finden sein (zB die ursprüngliche Fassung im Original), aber Nein, das ändert nichts daran, dass man diese Fassung rekonstruieren muss: solange man das nicht tut, weiß man nicht, dass das Original das Original ist. Bei jüngeren Texten mag das spitzfindig klingen und ist es auch ein bißchen, aber bei vormodernen Texten ist das glaube ich sehr einsichtig: ein oder mehrere Handschriften könnten (nach Alter, Provenienz usw) als Autograph in Frage kommen, aber erst im Laufe der ganz normalen textkritischen Arbeit stellt sich heraus, ob eine davon das gesuchte Original ist. Analoges gilt für alle anderen Textstufen als das Orignial. --CRolker (Diskussion) 23:29, 19. Aug. 2022 (CEST)
Vielen Dank für die oft sehr erhellende Diskussion, an der ich mich leider aus Zeitmangel kaum beteiligen kann. Ich schlage als Phrase vor: "Textkritik dient der wissenschaftlichen Überprüfung überlieferter Texte und ihrer Varianten. Je nach Erkenntnisinteresse, Materialbasis und methodischem Ansatz steht dabei die Rekonstruktion eines Stammbaums (Stemmas) der überlieferten Textzeugen oder allein die Dokumentation vorkommender Varianten im Mittelpunkt." (zur weiteren Anpassung)
Bei der Etymologisierung des Begriffs zurückgehend auf κρινω bin ich nicht scher, ob die Vokabel nicht doch eher auf lateinisch „criticus“ zurückgeht, also einen mehr oder weniger etablierten Begriff der Tradition, statt unmittelbar auf den griechischen Verbalstamm, zu dem dann ja noch die Bedeutung „urteilen“ hinzukommen müßte. Laurentianus (Diskussion) 11:06, 20. Aug. 2022 (CEST)
κρι^τ-ήρ , ῆρος, ὁ, A.= κριτής, I G4.493 (Mycenae). II. interpreter of dreams, Nic.Dam.66.9J. III. f.l. for κραντήρ (q.v.), Arist. ap. EM742.37. ;-)https://www.perseus.tufts.edu/hopper/morph?l=krith%2Fr&la=greek&can=krith%2Fr0&prior=krite/os#lexicon; κρι^τ-ός , ή, όν, A.separated, picked out, chosen, Il.7.434, Od.8.258. 2. choice, excellent, Pi.P.4.50, S.Tr.27, 245, etc.; “δάμαλις” SIG1026.6 (Cos, iv/ iii B. C.)https://www.perseus.tufts.edu/hopper/morph?l=kri%5Eth%2Fs&la=greek&can=kri%5Eth%2Fs0&prior=kritiko/s#lexicon -- Leif Czerny 14:08, 20. Aug. 2022 (CEST)
Noch besser hier. Laurentianus (Diskussion) 14:18, 20. Aug. 2022 (CEST)
Danke, das ist ein guter Vorschlag, der auch offen gegenüber nicht-Lachmann'schen Editionen ist (das müsste man auch mal angehen, nicht einmal Lachmann hat ja so ediert, wie die Lachmann'sche Methode es verlangt ...) und ja, die Etymologie ist so noch nicht sinnvoll - criticus im Sinne von Philologe ist entscheidend. Wenn ich es richtig verstehe (d.h. ohne es selbst überprüft zu haben) ist κριτικός in dieser Bedeutung ebenfalls belegt, aber seltener als γραμματικός, und für die neuzeitliche Geschichte der Textkritik dürfte criticus als Selbstbezeichnung wichtiger sein. Gruß --CRolker (Diskussion) 01:29, 21. Aug. 2022 (CEST)
Ich finde den Vorschlag gut, fände es aber ebenfalls interessant, zu betonen, dass es nicht unbedingt um einen ursprünglich autoritativen Textzeugen geht. Ich kenne das auch ncoh bei jüngeren Druck-Werken, dass zwischen Manuskripten, Druckfahnen, Änderungskommentaren zu beiden, Druckausgabe etc. durchaus verschiedene Textzeugen entstehen, von denen aber keiner eine Ausgabe "letzter Hand" darstellt, so dass der Urtext nur als Rekonstruktion zugänglich wäre; eine zweite Druckauflage mag Korrekturen, aber auch Änderungen enthalten, oder eben Fehler bis hin zu Blattversetzungen aus der Erstauflage übernehmen. Dabei gibt es wieder Abwägungsproblematiken bestehen, ob eine Änderung im Text auch eine Änderung in der Absicht des Autors entspricht etc. Genau genommen sind Urtext und Autorenabsicht (oder Absichten) zu verschiedenen Zeitpunkten immer fiktionale Rekonstruktionen, oder? ---- Leif Czerny 14:03, 20. Aug. 2022 (CEST)
1. Lachmann und Co wird fast immer in Bezug auf antike und mittelalterliche Texte gedacht und dargestellt, und zu Recht sind in den Neuphilologien andere Editionstechniken üblich, aber manchmal eben doch auch die hier beschriebenen - ob nun eifriges Kollationieren im Falle der Nietzsche-Ausgabe oder Blattversetzungen bei Kant. Ein Grund mehr, Textkritik "offen" darzustellen, also nicht zu stark auf antike Texte und nicht zu stark auf "Originale" fixiert.
2. Ich sehe zwar keinen Grnud, die Ergebnisse "fiktional" zu nennen, sehe sie aber immer als Konstruktion an, wenngleich ich in der WP "Rekonstruktion" schreiben würde (da das üblicher ist).
Genau, danke, ebenso ist der zitierte "text that never was" zwar ein starker Spruch, aber in der Sache ein ziemlicher Unsinn, denn wer einen verlorenen Textzustand rekonstruiert, kann ihn per se nicht materialiter vorweisen. Laurentianus (Diskussion) 11:19, 21. Aug. 2022 (CEST)
Gruß --CRolker (Diskussion) 01:42, 21. Aug. 2022 (CEST)
Ich nehme mal die erfreulich zahlreichen Rückmeldungen auf und formuliere (etwas lang, aber dafür "inklusiv" im Sinne der bisherigen Diskussion):
Die Textkritik (von lat. criticus als Bezeichnung des Philologen) dient der wissenschaftlichen Untersuchung überlieferter Texte und ihrer Varianten. Je nach Erkenntnisinteresse, Überlieferungslage und methodischem Ansatz steht dabei die Rekonstruktion eines Stammbaums (Stemma) der überlieferten Textzeugen oder allein die Dokumentation vorkommender Varianten im Mittelpunkt.
Soweit die Textkritik ein Modell der Überlieferung produzieren kann, erlaubt dies auch die Rekonstruktion nicht erhaltener Textstufen. Dies wird meistens genutzt, um die ursprüngliche Fassung eines historischen Textes (oft „Original“, „Archetyp“ oder „Urtext“ genannt) anhand mehrerer, aber im Wortlaut unterschiedlicher Textzeugen zu rekonstruieren.
Das Ergebnis textkritischer Arbeit ist ein Text, der als gesicherte Grundlage der Textinterpretation bzw. Exegese dienen kann; dieser Text kann auch den Kern einer historisch-kritische Ausgabe des Textes bilden.
Textkritik wird in allen Disziplinen, die sich mit der Interpretation überlieferter Texte befassen, betrieben (insbesondere Philologie, Theologie und Geschichtswissenschaft); speziell mit der Erstellung kritischer Ausgaben beschäftigt sich die Editionswissenschaft. --CRolker (Diskussion) 01:55, 21. Aug. 2022 (CEST)
Vielen Dank, das gefällt mir auch. Ich würde nur auf griechisch κριτικός verweisen. Laurentianus (Diskussion) 11:19, 21. Aug. 2022 (CEST)
Doch noch eines: Die Editionswissenschaft reflektiert und theoretisiert die methodischen Ansätze, aber ich wüßte nicht, daß sie selbst hist.-krit. Ausgaben produziert. Das tun doch nach wie vor Klassische Philologen, Theologen, Neuphilologen ... Laurentianus (Diskussion) 11:23, 21. Aug. 2022 (CEST)
Das stimmt, das kleine und junge Fach ist eher für die Theorie zuständig, wenngleich seine Vertreter als Philologen durchaus edieren. Aber wenn es um die Einordnung der Textkritik in akademische Disziplinen geht, muss der Unterschied in Deinem Sinne klar werden, eindeutig. Danke! --CRolker (Diskussion) 22:13, 21. Aug. 2022 (CEST)
ok --CRolker (Diskussion) 22:14, 21. Aug. 2022 (CEST)
Nachdem ich selbst Colli/Montinari und die Kant-Philologie erwähnt habe, sollten wir wohl auch die Philosophie in die Liste der Textkritik treibenden Fächer aufnehmen. --CRolker (Diskussion) 22:15, 21. Aug. 2022 (CEST)
Ich habe noch überlegt, ob man irgendwie klar gesagt kriegt, daß nicht jede Theologie Textkritik treibt. Das war zumindest das Ergebnis einer unsystematischen Lektüre zur islamischen Theologie, die (soweit dargestellt) Untersuchungen über Text- und Ideengeschichte des Korans ablehnen soll. Ich bin da aber alles andere als ein Experte. Vielleicht sagt man: ... jede historisch arbeitende Disziplin, die sich mit der Interpretation überlieferter Texte befasst ... (o.ä.). Laurentianus (Diskussion) 22:29, 21. Aug. 2022 (CEST)
"Textkritik wird in allen Disziplinen ... betrieben" suggeriert natürlich schon, dass es auch in jeder Theologie von min einem Fachvertreter getan wird, insofern ist die Ergänzung berechtigt. Allzu große Sorgen mache ich mir aber auch nicht, die Defintion in der Einleitung ist ja sehr weich und behauptet nicht, in der islamischen Theologie werde regelmäßig eine spezifische Form von Textkritik betrieben, sondern nur dass es in der Theologie einschließlich offenbar der islamischen wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Varianten überlieferter Texte gebe - was aber nicht einmal auf den Koran bezogen werden muss, auch ein Hadith ist ja ein überlieferter Text, dessen Überlieferung zu untersuchen doch recht unkontrovers als Teil islamischer Theologie angesehen werden kann. --CRolker (Diskussion) 23:11, 21. Aug. 2022 (CEST)
D. Brown, Rethinking Tradition in Modern Islamic Thought , ch. 5 klingt zum Beispiel so, als habe Echtheitskritik in bezug auf Hadithe eine lange und anspruchsvolle Tradition, die nicht anders als im Christentum aus dogmatischen Gründen problematisiert wurde. --CRolker (Diskussion) 23:21, 21. Aug. 2022 (CEST)
Mir geht ja schon das Herz auf, dass ich nur Blattversetzung erwähnen musste. aber mich persönlich würde es sher freuen. ---- Leif Czerny 17:23, 22. Aug. 2022 (CEST)
Der Hinweis auf Vaihinger und ähnliche Erkenntnisse war wirklich wertvoll, also nochmals Danke für die Erinnerung. Aber jetzt sind wir hier erstmal fertig, oder? Also: :Archivierung dieses Abschnittes wurde gewünscht von: --CRolker (Diskussion) 20:15, 9. Sep. 2022 (CEST)
Im Prinzip ja, ich würde allerdings versuchen wollen, den zweiten Abschnitt der Einleitung noch etwas zu straffen und etwas perspektivischer zu gestalten. Leider fehlt mir ad hoc die Muße, aber ich habe das noch vor. Herzliche Grüße --Laurentianus (Diskussion) 18:37, 10. Sep. 2022 (CEST)

Geschichte der Textkritik

Hier fehlt noch ein Verweis auf Johann Albrecht Bengel. Der formulierte die Regel von der lectio difficilior. Vorher hat man oft einfach nach der Mehrheit der vorhandenen Manuskripte entschieden. d.h. wenn (zufällig) 10 Handschriften Version A behaupteten und 7 Version B, dann hat man Version A als gültige Version gewählt. Bengel bestand aber auf einer qualitativen Auswahl gegenüber einer quantitativen Auswahl.--Giftzwerg 88 18:11, 5. Mär. 2011 (CET)

Johann Albrecht Bengel hat inzwischen seinen eigenen, recht ordentlichen Artikel, und sowohl dort als auch in Textkritik des Neuen Testaments wird sein Beitrag zur Methode gebührend gewürdigt. Dennoch ist "Proclivi scriptioni praestat ardua" ein so wichtiger Beitrag zur textkritischen Methode im allgemeinen, keineswegs nur der des NT, dass ich den Vorschlag @Giftzwerg 88 unverändert richtig finde. Allerdings wird "Proclivi scriptioni praestat ardua" Bengel meist ohne Quellenangabe zugeschrieben. Wenn wir ihn aufnehmen, zumal in einen Artikel der vom "genauen Hinsehen" handelt, sollte das geklärt sein. Hat zufällig jemand einen präzisen Nachweis des Zitates? Ich füge mal Digitalisate in seinen Artikeln ein, die fehlen mir da sowieso. Gruß --CRolker (Diskussion) 22:40, 7. Aug. 2022 (CEST)

Schleiermacher

Kann jemand erklären, was Schleiermacher so revolutionäres gelehrt hat, dass er hier namentlich aufgeführt wird? Ja, er hat einen allgemein anerkannten Plato-Text herausgegeben und ein textkritisches Werk über eins der Evangelien geschrieben. Das soll wahrscheinlich bedeuten, dass er die textkritischen Methoden benutzt hat. Aber in seinem Gesamtwerk ist das ein verschwindend kleiner Teil. Nirgendwo wird erklärt, dass er irgendetwas Neues in der Theorie zur Textkritik erkannt oder gelehrt hat. Die beiden anderen haben bekanntermaßen jeweils an den Methoden gearbeitet und haben Theorie und Praxis vorangetrieben.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 22:52, 14. Aug. 2022 (CEST)

Er hat sie zum Standard gemacht?-- Leif Czerny 12:19, 15. Aug. 2022 (CEST)
Hallo @Giftzwerg 88, Du meinst vermutlich Schleiermachers Platon-*Übersetzung*, die ganz überwiegend Stephanus folgt und aus heutiger Sicht in der Tat keinen textkritischen Wert hat; wie er auch in den "Vorerinnerungen" schreibt, hat S im wesentlichen die Druckausgaben verglichen und in Einzelfällen Konjekturen vorgenommen, teils auch stillschweigend. In Darstellungen der Geschichte der Textkritik werden aber normalerweise auch nicht seine Übersetzungen, sondern seine Vorlesungen zu "Hermeneutik und Kritik" als einschlägige Werke angeführt. Schleiermacher differenziert beide Aspekte begrifflich, betont aber (viel stärker als Lachmann und Co), dass inhaltliches Verstehen und textkritische Arbeit einerander wechselseitig bedingen. In der "Allgemeinen Einleitung" (Sämmtliche Werke, 1. Abt, 7. Bd., S. 1) beschreibt er das Verhältnis knapp wie folgt: "[Kritik ist die] Kunst, die Ächtheit der Schriften und Schriftstellen richtig zu beurtheilen und aus genügenden Zeugnissen und Datis zu konstantieren. Da die Kritik die Gewichtigkeit der Zeugnisse in ihrem Verhältnis zum bezweifelten Schriftwerke oder zur bezweifelten Schriftstelle nur erkennen kann nach gehörigem richtigen Verständniß der letzteren, so setzt ihre Ausübung die Hermeneutik voraus. Wiederum, da die Auslegung in der Ermittlung des Sinnes nur sicher gehen kann, wenn die Ächtheit der Schrift oder Schriftstelle vorausgesetzt werden kann, so setzt auch die Ausübung der Hermeneutik die Kritik voraus." Das ist ein viel weniger mechanisches Modell als die Regeln zur Konstruktion von Archetypen à la Paul Maas. Ich denke schon, dass wir dem Konsens der historischen Forschung, Schleiermacher in die TOP 10 der Textkritik aufzunehmen, folgen sollten, ob oder ob nicht wir persönlich diese enge Verbindung von textkritischen und inhaltlichen Analysen für richtig halten. Gruß, --CRolker (Diskussion) 10:55, 19. Aug. 2022 (CEST)
Meines Wissens ist S auch der erste, der explizit schreibt, dass Textkritik auch dann nötig sein kann, wenn ein Werk autograph erhalten ist. Das war für die Ausdehnung der Textkritik auf "junge" Texte, aber auch den Umgang mit tatsächlichen oder vermeintlichen Autographen wichtig. S selbst formulierte übrigens noch radikaler - auch mündliche Rede könne ein Fall für Kritik sein: "So oft sich Jemand verspricht, haben wir einen Fall für die philologische Kritik, ungeachtet kein geschriebener Buchstabe vorhanden ist." (Sämmtliche Werke I/7, S. 275) Gruß --CRolker (Diskussion) 11:03, 19. Aug. 2022 (CEST)

Textkritik und Echtheitskritik

Wie ich gelernt habe (Danke, @Anfeld!), wird in der Theologie klar zwischen Textkritik einerseits und Literarkritik andererseits unterschieden, wobei die Echtheitskritik eindeutig Letzterer zugeordnet wird. Das entspricht der Einteilung in niedere und höhere Kritik, wie sie im 19. Jh. kommun war (Theologie, Altphilologie, Rechtswissenschaften) und auch jenseits der Fachwissenschaften in Lexika ihren Niederschlag fand (Pierer, Mayer, Rotteck; scheinbar nicht Brockhaus). In der Theologie ist diese Unterscheidung ausweislich auch aktueller Fachlexika unverändert üblich (LThK, TRE). Für andere textkritisch arbeitende Disziplinen aber scheint mir das nicht das Fall: Weder ist dort "Literarkritik" ein üblicher Fachausdruck, noch wird Echtheitskritik unbedingt von Textkritik getrennt. Es gibt im Gegenteil in der Geschichtswissenschaft (seit Bernheim) und in der Editionsphilologie Definitionen, die die Echtheitskritik sogar als wichtigstes Element der Textkritik beschreiben. Der Sprachgebrauch geht hier also auseinander. Da der Artikel Textkritik nicht die Rolle der Textkritik in diesem oder jenem Fach beschreiben soll (wie es beim Artikel "Historisch-kritische Methode" der Fall ist, der ausdrücklich die Verwendung dieser Methoden in der Exegese und nicht der Altphilologie, der Geschichtswissenschaft usw behandelt), halte ich es für sinnvoll, diese unterschiedlichen Begriffsverwendungen knapp, aber deutlich anzusprechen. Dazu erst einmal eine Umfrage an alle, dies diese Diskussionsseite nutzen: Stimmen meine Beobachtungen, dass hier teilweise eine chronologische, vor allem aber eine Differenz zwischen Disziplinen vorliegt? In welchen Fächern würde man Echtheitskritik der Textkritik zuordnen, in welchen nicht, wo wird die Unterscheidung nicht so scharf gezogen? --CRolker (Diskussion) 16:48, 1. Aug. 2022 (CEST)

Nur ein Beleg für eine Auffassung, dass Echtheitskritik Teil der Textkritik, ja sogar ihre "vorrangige Aufgabe", sei: Der (Probe-)Artikel Textkritik des geplanten Wörterbuchs der Editionsphilologie - nachzulesen in Martens Gunter (Hrsg.), Editorische Begrifflichkeit: Überlegungen und Materialien zu einem "Wörterbuch der Editionsphilologie" (editio. Beihefte 36), de Gruyter, Berlin und Boston 2013, S. 193-204, hier S. 200 (DOI:10.1515/9783110337822.193) - beginnt wie folgt: "Die Interpretation von überlieferten Texten, die den zentralen Gegenstand von Religions-, Geistes- und Rechtswissenschaften bildet, verlangt eine gesicherte Grundlage, d. h. einen Text in seiner ursprünglichen, heute historischen Gestalt. Die zahlreichen Methoden, Texte auf ihre →Authentizität und →Historizität zu überprüfen, nennt man Textkritik. Vorrangige Aufgabe der Textkritik ist die Feststellung der Authentizität. Stammt ein Text aus der Zeit, aus der er zu stammen vorgibt, und von dem Autor, unter dessen Namen er überliefert ist?" Siehe --CRolker (Diskussion) 16:54, 1. Aug. 2022 (CEST)
Hallo @Giftzwerg 88, liebe alle, wie sieht es mit dem Sprachgebrauch außerhalb der Theologie nun aus? Editionswissenschaftler neigen zu einem weiten Begriff (inclusive Echtheitskritik), Altphilologen scheinen "Textkritik" teils so, teils so zu verwenden, Germanisten wieder eher inclusive. Für einen enzyklopädischen Artikel, der sich auf alle diese Fächer bezieht wäre daher vielleicht statt der Übernahme einer Fachtradition der Hinweis auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch eine gute Idee. So hält es auch das Metzler Lexikon Literatur; in der zweiten Auflage hatte es die Echtsheitskritik noch als Teil der Textkritik dargestellt, in der dritten beginnt der einschlägige Artikel neutraler wie folgt: „Textkritik, 1. im weiteren Sinn: Synonym zu 'Editionswissenschaft' oder 'Editionstechnik'. 2. Im engeren Sinn: von der klassischen Philologie entwickeltes, ursprünglich v.a. bei antiken und mittelalterlichen Texten angewendetes editorisches Verfahren, bei dem die Überlieferung von Texten anhand eines festgelegten Regelwerks überprüft wird. Ziel der T. ist es, ein verlorengegangenes, dem Autorwillen möglichst nahekommendes Original ('Archetypus') aus den überlieferten Textzeugen herzustellen.“ Ich schlage vor, den Artikel Textkritik, vor allem die Einleitung, in diesem Sinne zu überarbeiten. Einwände? Zustimmung? --CRolker (Diskussion) 22:54, 4. Aug. 2022 (CEST)
Echtheitskritik ist was völlig anderes als Textkritik. Die Textkritik kann nur bestimmen, welche Fassung die ältere ist. In vielen Fällen ist auch am Ende nicht sicher aus welcher Zeit die älteste ereichbare Fassung ist und wie weit sie von den Autografen abweicht. Ich wüsste nicht wie die Textkritik die Authentizität oder Historiztät überprüfen kann. Dazu braucht man völlig andere Mittel als sie durch den Textvergleich zu ermitteln sind. Man braucht dazu sprachwissenschaftliche Methoden, die beispielsweise bestimmte Sprachformen einer gewissen Zeit zuordnen kann, oder Methoden, die auf dem allgemeinen Wissen des historischen Zusammenhangs beruhen.--Giftzwerg 88 (Diskussion) 00:04, 2. Aug. 2022 (CEST)
Danke für die Antwort. Es geht mir weniger darum, ob die Textkritik Echtheitskritik leisten kann, sondern wie der Begriff "Textkritik" verwendet wird; und ich wollte auf Fächer hinweisen, in denen er (anders als in der Theologie, deshalb habe ich ja LThK und TRE pars pro toto zitiert) anders verwendet wird, nämlich als Bezeichnung jener Teil der Kritik, die Textentwicklung einschließlich Echtheit behandeln. Da der Artikel nicht spezifisch theologisch ist, fände ich ein Eingehen auf die andere Begrifflichkeit der Editionsphilologie (deshalb hatte ich das geplante WB der Editionsphilologie zitiert), aber auch der Altphilologie, der Rechtswissenschaften, der Geschichtswissenschaften usw. sachlich angemessen. --CRolker (Diskussion) 00:44, 2. Aug. 2022 (CEST)
PS Und auch wenn ich die inhaltliche Frage ("Wie kann die T das?") für nicht entscheidend halte, um die Berücksichtigung anderer Fachtraditionen im Artikel zu rechtfertigen: In der editiorischen Praxis liefert die Textkritik im engeren Sinne schon recht direkte Beiträge zur Echtheitskritik, und sei es nur, weil sie nachweisen kann, dass eine interne Autorennennung erst nachträglich in den Text geraten ist oder ausgefallen ist oder sich im Laufe der Zeit verändert hat. Wenn eine traditionelle Zuschreibung eines Werkes zu einem antiken Autor in allen mittelalterlichen Handschriften fehlt, dafür als Zutat einer erst neuzeitlichen Überlieferung nachweisbar ist (und da braucht es nur Heuristik, Kollation, recesio), dann wird die Diskussion der Autorschaft kurz ausfallen... - Ein anderes Beispiel wären Interpolationen in antiken Rechtstexten oder auch Literatur. Sie werden durch Textkritik im engeren Sinne identifiziert, und natürlich kann man die Echtheitskritik als separaten Schritt bezeichnen (wie Du es tun würdest, nehme ich an), aber es gibt Kollegen, die in diesem Feld erfolgreich arbeiten und die ihre eigene Arbeit "Textkritik" nennen. Für den Artikel Textkritik ist aus meiner Sicht die Frage, ob das verbreitet genug ist, um die Echtheitskritik hier im Artikel zu erwähnen, oder ob es Gründe dagegen gibt. Der Sprachgebrauch nur eines textkritisch arbeitenden Fachs wäre mir als Begründung zu schwach. --CRolker (Diskussion) 01:00, 2. Aug. 2022 (CEST)
@Giftzwerg 88 Wenn Du schreibst "Ich halte diese Vermischung der Aufgaben und Begriffe für sehr verwirrend und schädlich. Man solle es nicht so handhaben.", wen meinst Du? Sollten Fächer wie die Editionsphilologie Textkritik nicht in der Weise definieren, wie ich es zitiert habe, oder sollte die Theologie (angesichts Deiner bisherigen Diskussionbeiträge erlaube ich mir, Dich als theologisch arbeitenden Menschen zu identifizieren, ja?) dies nicht tun, oder sollte Wikipedia im Artikel "Textkritik" es nicht tun? Mein Argument bezieht sich nur auch Letzteres: Wenn hinreichend viele hinreichend relevante textkritisch arbeitende Fächer den Begriff Textkritik so gebrauchen, dass er Echtheitskritik einschließ, sollte das in einem (nicht auf Theologie beschränkten) Artikel über Textkritik erwähnt werden. Hauptsächlich bin ich mir unsicher, wie der aktuelle Sprachgebrauch in den mir fremderen Fächern ist, Fachlexika sind hilfreich, aber nicht immer ausreichend. --CRolker (Diskussion) 01:06, 2. Aug. 2022 (CEST)
@Giftzwerg 88, @Anfeld, habe die Echtheitskritik jetzt einmal ausgelagert und in Textkritik unter Berücksichtigung Eurer Hinweise auf den theologischen Sprachgebrauch hingewiesen. --CRolker (Diskussion) 12:56, 13. Aug. 2022 (CEST)
Ich habe sehr lange gewartet, ob vielleicht noch Gründe oder sehr gerne auch Literatur genannt werde; inzwischen habe ich aufgrund eigener Lektüre festgestellt, dass die Zuordnung der Echtheitskritik zur Literarkritik in der Theologie keineswegs so weit verbreitet ist, wie hier in der Diskussion behauptet. Vielleicht mag ja jemand mal den Artikel Literarkritik überarbeiten, die Literaturbasis ist nicht fürchterlich breit und zur Echtheitskritik in der Theologie erfährt man dort auch nicht viel. --CRolker (Diskussion) 23:37, 21. Aug. 2022 (CEST)
Ich halte diese Vermischung der Aufgaben und Begriffe für sehr verwirrend und schädlich. Man solle es nicht so handhaben.--00:47, 2. Aug. 2022 (CEST) (unvollständig signierter Beitrag von Giftzwerg 88 (Diskussion | Beiträge) )

Das Leithandschrift-Prinzip

Der Artikel ist, wie viele Einführungen, Handbücher und Lexika, stark auf die stemmatologische Methode konzentriert und verbindet diese ziemlich stark mit Lachmanns. Das ist enzyklopädisch in Ordnung, wir bilden damit einen stabilen Konsens ab. Dennoch kann man nicht ganz ignorieren, dass viele Philologen anders arbeiten, als es die "Lachmann'sche Methode" theoretisch verlangt, und Lachmann selbst ist da keine Ausnahme. In der Praxis ist das Leithandschriftprinzip im 19. und 20. Jh. immer wichtig gewesen, und aktuell nimmt das vermutlich noch einmal zu. Der Abschnitt "Kritik" ist m.E. nicht der geeignete Ort, das abzuhandeln. Ich will natürlich den Artikel nicht überfrachten, aber ein kurzer Abschnitt zur Erstellung von Editionen nach dem Leithandschrift-Prinzip wäre schon sinnvoll. Oder ist das keine "Textkritik", weil der Sprachgebrauch eben so ist, dass Textkritik="Lachmann"? Wäre dann Historisch-kritische Ausgabe der bessere Ort? Freue mich Rückmeldungen der sehr geschätzten Leser- und Schreiberschaft dieses Artikels, Gruß --CRolker (Diskussion) 18:06, 20. Sep. 2022 (CEST)

Zweifel habe ich auch an der Aussage "Die am häufigsten angewandte Methode der Textkritik ist die stemmatologische ...". Es ist die am häufigsten dargestellte Methode, aber die editorische Praxis sieht anders aus. Wenn, dann müsste man mindestens angeben, für welche Texte diese Aussage gilt (für *alle* sicher nicht). Umso sinnvoller daher vielleicht die Darstellung der Leithandschrift-Methode hier und z.B. nicht unter Historisch-kritische Ausgabe oder Edition, zumal es um die Methode und nicht das Ergebnis geht. Vielleicht lohnt sich auch (zusätzlich) ein eigenes Lemma "Leithandschrift"? --CRolker (Diskussion) 14:10, 16. Okt. 2022 (CEST)