Equal Rights Beyond Borders

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Equal Rights Beyond Borders ist eine 2016 gegründete gemeinnützige Organisation mit Sitz in Berlin, Deutschland und Athen, Griechenland, sowie weiteren Büros auf den griechischen Inseln Chios und Kos.[1]

Die Organisation besteht aus zwei separaten juristischen Personen in Deutschland[2] und Griechenland[3]. Die Arbeit wird von einem transnationalen Management Board koordiniert.[4] Dem internationalen fachlichen Beirat[5] gehören nationale und internationale im Flucht und Migrationsrecht erfahrene Juristen, aber auch Journalisten und Vertreter der Kirchen an. Darunter aus Deutschland die Professorinnen Anna Lübbe[6] und Nora Markard[7], sowie die Professorin Violetta Moreno-Lax[8] von der Queen Mary University of London.

Im März 2016 wurde die Erklärung EU-Türkei vom 18. März 2016 unterzeichnet. Diese Absichtserklärung zur Aufnahme und Rückführung von Geflüchteten, führte dazu, dass tausende Geflüchtete auf den griechischen Inseln feststeckten und an einer Weiterreise auf das europäische Festland gehindert wurden. Somit wurden die seit 2015 existierenden sogenannten EU-Hotspots faktisch zu Haft- und Abschiebezentren.[9]

Vor diesem Hintergrund reisten einige in Deutschland ausgebildete junge Juristen in einer spontanen Solidaritätsaktion auf die griechische Insel Chios, um dort mit dem Boot ankommende Geflüchtete rechtlich zu unterstützen. In Abstimmung mit griechischen Juristen und Juristinnen wird, zunächst unter dem Namen Refugee Law Clinics Abroad, ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut. Infolgedessen kamen nun regelmäßig junge Jura-Studierende aus Deutschland nach Chios, um dort für einige Wochen kostenlose Rechtsberatung anzubieten. Im Jahr 2016 wurde der gemeinnützige, eingetragene Verein Equal Rights Beyond Borders gegründet.[10] Mitgründerin ist die heutige Bundestagsabgeordnete Clara Bünger, die 2017 das erste Büro der Organisation auf Chios mit eröffnete und aufbaute.[11][12] So entstand eine der ersten durch eine NGO geleitete Rechtsauskunftsstelle auf Chios.[13]

Im Jahr 2018 eröffnete die Organisation ihr Büro in Athen und 2019 ein Büro in Berlin. Seit 2021 unterstützen ihre Anwälte Geflüchtete auch aus einem Büro auf der griechischen Insel Kos.[14] Auf der Insel Kos wurde zuvor ein neues Haftlager durch Griechenland eröffnet, welches als Abschiebegefängnis dient. Die Bedingungen im Lager wurden in der Vergangenheit mehrfach von Journalisten und Menschenrechtsorganisationen kritisiert.[15][16][17] So stand neben den grundsätzlich als menschenunwürdig bezeichneten Lebensbedingungen, insbesondere die pauschale Inhaftierung von Familien, Kindern und vulnerablen Personen, wie schwangeren Frauen oder Opfern sexualisierter Gewalt, in der Kritik.[18] Im Februar 2023 kritisierte die Organisation gemeinsam mit terre des hommes die Inhaftierung Minderjähriger auf Kos.[19]

Seit der Gründung versucht die Organisation auch mithilfe strategischer Prozessführung Menschenrechte von Asylsuchenden an den europäischen Außengrenzen durchzusetzen und auf deren Situation somit aufmerksam zu machen und diese zu verbessern.[20] Sie bietet kostenlose rechtliche Unterstützung für Flüchtlinge, insbesondere bei der Familienzusammenführung und bei Visumsverfahren. Darüber hinaus bietet sie auch Unterstützung in Fällen von Inhaftierung und beim Zugang zu sozialen Rechten. Dafür vertreten sie Mandanten vor griechischen und deutschen Gerichten.[21][22][23][24]

Ihre Anwälte vertreten darüber hinaus Mandanten in Verfahren in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen nach der EMRK vor dem EGMR.[25] Regelmäßig werden eigene Publikationen veröffentlicht,[26] darunter Expertengutachten zur menschenrechtlichen Situation von Geflüchteten in griechischen Haftlagern.[27]

Im Februar 2022 richteten Juristen der Organisation zwei Eingaben an den damaligen UN-Sonderberichterstatter zu den Menschenrechten von Migranten betreffend der Frage der menschenrechtlichen Auswirkungen der Praktiken sicherer Drittstaaten auf Kos und Chios[28], sowie der Frage betreffend der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Menschenrechte von Asylbewerbern auf Kos und Chios.[29] Die Berichte wurden Bestandteil des Reports „Human rights violations at international borders: trends, prevention and accountability“, der dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in seiner 50. Sitzung vorgelegt wurde.[30]

Mediale Aufmerksamkeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Juristen der Organisation sind gefragte Experten im Bereich des Asyl- und Migrationsrechts sowie der Durchsetzung von Menschenrechten.[31][32] In Interviews äußern sie sich zur Lage der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Europa[33], kritisieren die Migrationspolitik der EU als „Abschreckungspolitik“[34] sowie die Folgen des EU-Türkei-Deals für Geflüchtete auf den griechischen Inseln in der Ägäis.[35] Im Jahr 2023 beteiligten sie sich an der Diskussion um die Aufklärung eines der schwersten Bootsunglücke im Mittelmeer mit hunderten Toten[36] und kritisierten im Zuge dessen auch die aktuelle amerikanische Migrationspolitik.[37] Die Organisation kritisierte mehrfach die geplante und in Deutschland sowie Europa kontrovers diskutierte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.[38][39][40]

Wissenschaftliche Tätigkeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit ihrem Bestehen veröffentlichte die Organisation eine Vielzahl an Expertengutachten zur menschenrechtlichen Lage von Geflüchteten in Griechenland.[41] Einige Mitglieder schreiben als Autoren für den Verfassungsblog zu asyl- und europarechtlichen Themen.[42][43][44][45] Zudem referieren sie deutschlandweit bei Tagungen[46], Konferenzen[47] und nehmen an Podiumsdiskussionen teil.[48][49]

Die Organisation war mehrfach Mitausrichter internationaler Fachkonferenzen, so im Jahr 2022 in Berlin, gemeinsam mit Amnesty International, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland, European Center for Constitutional and Human Rights, medico international, Miserior und Pro Asyl[50] sowie 2023 gemeinsam mit Diakonie Deutschland auf Kos.[51]

Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • "Still detained and forgotten" – Update on Detention Policies, Practices, and Conditions on Kos [1], Equal Rights Beyond Borders (Hg.), März 2024
  • Report on Conference – Immigration Detention in the EU, Kos, 08.-10.06.2023 [2], Equal Rights Beyond Borders (Hg.), September 2023
  • "Still detained and forgotten" – Update on Detention Policies, Practices, and Conditions on Kos 2022/2023 [3], Equal Rights Beyond Borders (Hg.), Februar 2023
  • "Extraordinary Measures" – How Greece used the COVID-19 pandemic as a Pretext for the Unlawful Detention of Asylum Seekers on Chios [4], Equal Rights Beyond Borders (Hg.), Februar 2023
  • The State of the Border Procedure on the Greek Islands [5], Equal Rights Beyond Borders/HIAS Greece/Refugee Support Aegean (Hg.), October 2022
  • Detained and Forgotten at the Gates of the EU – Detention of Migrants on the Island of Kos [6], Equal Rights Beyond Borders (Hg.), November 2021

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Unsere Geschichte. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 15. April 2024.
  2. Deutscher Vorstand. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  3. Griechischer Vorstand. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  4. Unser Beirat. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  5. Beirat Equal Rights Beyond Borders. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  6. Prof. Dr. Anna Lübbe. In: Hochschule Fulda. Abgerufen am 22. April 2024.
  7. Prof. Dr. Nora Markard. In: Universität Münster. Abgerufen am 22. April 2024.
  8. Prof. Violetta Moreno-Lax. In: Queen Mary University of London – School of Law. Abgerufen am 22. April 2024.
  9. EU-Türkei-Flüchtlingsvereinbarung: Bestandsaufnahme und menschenrechtliche Bewertung. In: Bundeszentrale für Politische Bildung. Abgerufen am 17. April 2024.
  10. Jura not alone - 12 Ermutigungen, die Welt mit den Mitteln des Rechts zu verändern, Nora Markard, Ronen Steinke, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2024, ISBN 978-3-593-51850-3
  11. Über Mich. In: Webseite Clara Anne Bünger. Abgerufen am 15. April 2024.
  12. Juristisches Ehrenamt in Griechenland. In: LTO Karriere. Abgerufen am 22. August 2023.
  13. Ulrich Stege: How Clinical Legal Education is Crossing Borders? In: Cecilia Blengino, Andrés Gascón-Cuenca (Hrsg.): Epistemic Communities at the Boundaries of Law: Clinics as a Paradigm in the Revolution of Legal Education in the European Mediterranean Context. Quaderni del Dipartimento di Giurisprudenza dell'Università di Torino, 11/2019. 2019, S. 141–156 (englisch). S. 151.
  14. Unsere Geschichte. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 15. April 2024.
  15. Griechenland eröffnet weitere befestigte Flüchtlingslager. In: Die Zeit. Abgerufen am 19. April 2024.
  16. In der „Hölle der Asylsuchenden“: Was Migranten erleben, wenn sie es bis Griechenland schaffen. In: Tagesspiegel. Abgerufen am 19. April 2024.
  17. "Geschlossene" Flüchtlingslager eröffnet. In: Deutsche Welle. Abgerufen am 19. April 2024.
  18. Inhaftiert im Urlaubsparadies. In: Neues Deutschland - Clara Bünger über die Realität Geflüchteter auf griechischen Insel Kos. Abgerufen am 19. April 2024.
  19. Inhaftierung statt Schutz | Unbegleitete Minderjährige werden ihrer Freiheit und Kindheit beraubt. In: Pressemitteilung Equal Rights Beyond Borders und terres des hommes. Abgerufen am 19. April 2024.
  20. How we work. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 17. April 2024.
  21. Jura not alone - 12 Ermutigungen, die Welt mit den Mitteln des Rechts zu verändern, Nora Markard, Ronen Steinke, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2024, ISBN 978-3-593-51850-3
  22. Interview mit Robert Nestler - EU-Asylpolitik: „Wir haben in Europa ein Rechtsstaatsproblem“. In: Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 15. April 2024.
  23. Unsere Projekte. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 15. April 2024.
  24. Unsere Mission. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 15. April 2024.
  25. CASE OF A.R. AND OTHERS v. GREECE (Applications nos. 59841/19 and 2 others). In: Euorpean Court of Human Rights. Abgerufen am 17. April 2024.
  26. Publikationen. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 17. April 2024.
  27. EXPERT REPORT Detained and Forgotten at the Gates of the EU. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 15. April 2024.
  28. Report of the Special Rapporteur on the Human Rights of Migrants Human Rights – Question no.3. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  29. Report of the Special Rapporteur on the Human Rights of Migrants Human Rights – Question no.2. In: United Nations Human Rights Office Of The High Commissioner. Abgerufen am 22. April 2024.
  30. Human rights violations at international borders: trends, prevention and accountability. In: United Nations General Assembly – Human Rights Council Fiftieth session 13. Juni – 8. Juli 2022. Abgerufen am 22. April 2024.
  31. Sterben und sterben lassen. In: Kontext Wochenzeitung Ausgabe 530. Abgerufen am 22. April 2024.
  32. Ohne Kleidung – ohne Rechte. In: Die Zeit, 18.10.2022. Abgerufen am 22. April 2024.
  33. EU-Asylpolitik: „Wir haben in Europa ein Rechtsstaatsproblem“ – Interview mit Robert Nestler. In: Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 22. April 2024.
  34. "Das Signal ist: Bleibt Fort" – Interview mit Robert Nestler. In: Amnesty Journal, 26.06.2023. Abgerufen am 22. April 2024.
  35. „Viele dürften auf das Festland“. Interview mit Catharina Ziebritzki. In: taz.de. 20. Februar 2019, abgerufen am 22. April 2024.
  36. Zweifel an griechischer Version. In: Tagesschau - Faktenfinder. Abgerufen am 22. April 2024.
  37. Joe Biden is adopting the same policies that led to last week’s Greek tragedy. In: Slate, 23.06.2023. Abgerufen am 22. April 2024.
  38. So entsteht das berüchtigte Mora – An dieser Asylreform wird Europa scheitern. In: Tagesspiegel. Abgerufen am 22. April 2024.
  39. Europe’s New Asylum Policy. In: Der Spiegel, 23.06.2023. Abgerufen am 22. April 2024.
  40. EU-Asylreform: Schon heute findet eine Inhaftierung statt, Interview mit Anne Pertsch. In: Neues Deutschland, 09.04.2024. Abgerufen am 22. April 2024.
  41. Unsere Publikationen. In: Equal Rights Beyond Borders. Abgerufen am 22. April 2024.
  42. Autorenseite Anne Pertsch. In: Verfassungsblog. Abgerufen am 22. April 2024.
  43. Autorenseite Niki Georgiou. In: Verfassungsblog. Abgerufen am 22. April 2024.
  44. Autorenseite Robert Nestler. In: Verfassungsblog. Abgerufen am 22. April 2024.
  45. Autorenseite Catharina Ziebritzki. In: Verfassungsblog. Abgerufen am 22. April 2024.
  46. Vortrag im Rahmen der Tagung „Refugees still in orbit?“ des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg am 13.April 2019. In: youtube – Catharina Ziebritzky: EU-Hotspots in Griechenland. Abgerufen am 22. April 2024.
  47. Westfälische Missionskonferenz Studientag zum Thema Menschenrechte. In: Evangelischer Kirchenkreis Minden. Abgerufen am 22. April 2024.
  48. 22. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz - Panel 2 Familiennachzug aus Afghanistan. In: Evangelische Akademie zu Berlin. Abgerufen am 22. April 2024.
  49. Zugang zum Schutz in der EU – Zur menschenrechtlichen Situation von schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen. In: Refugee Law Clinic Berin. Abgerufen am 22. April 2024.
  50. Im permanenten Ausnahmezustand? – Menschrenrechtliche Herausforderungen an den Eu-Außengrenzen – und jenseits des Mittelmeers. In: European Center for Constitutional and Human Rights. Abgerufen am 22. April 2024.
  51. Immigration Detention in the EU - Conference. In: Medical Justice UK. Abgerufen am 22. April 2024.