KWS Saat

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Kleinwanzlebener Saatzucht AG)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
KWS SAAT SE & Co. KGaA

Logo
Rechtsform Europäische Gesellschaft &
Kommanditgesellschaft auf Aktien
ISIN DE0007074007
Gründung 1856
Sitz Einbeck, Deutschland Deutschland
Leitung
Mitarbeiterzahl 5.055[1]
Umsatz 1,819 Milliarden Euro (2022/23)[1]
Branche Nahrungs- und Genussmittel
Website www.kws.com
Stand: 12. Januar 2023
Zuckerfabrik in Klein Wanzleben 1923

Die KWS Saat SE & Co. KGaA (Eigenschreibweise: KWS SAAT SE & Co. KGaA) ist ein börsennotiertes Pflanzenzüchtungs- und Biotechnologie-Unternehmen. KWS ist weltweit der viertgrößte Saatguthersteller nach Umsatz aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Zum Kerngeschäft gehören die Züchtung und der Vertrieb von Gemüse- und Getreidesaatgut. KWS war im Geschäftsjahr 2020/21 mit 6.000 Mitarbeitern in über siebzig Ländern aktiv.[2] Das Unternehmen wurde 1856 in Klein Wanzleben bei Magdeburg gegründet; Sitz heute ist in Einbeck (Niedersachsen).

Chronologie der Namensänderungen

Aktie über 1000 RM der Rabbethge & Giesecke AG vom Januar 1938
Jahr Name
1856 Rabbethge, Giesecke & Reinecke OHG
1864 Rabbethge & Giesecke OHG
1885 Zuckerfabrik Kleinwanzleben vormals Rabbethge & Giesecke AG
1937 Rabbethge & Giesecke AG
1946 Auffangfirma Rabbethge & Giesecke Saatzucht GmbH
1951 Kleinwanzlebener Saatzucht vormals Rabbethge & Giesecke AG
1975 KWS Kleinwanzlebener Saatzucht AG vormals Rabbethge & Giesecke
1999 KWS Saat AG (seit 1.7.1999)
2015 KWS Saat AG wird zur KWS Saat SE
2019 KWS Saat SE zu KWS Saat SE & Co. KGaA

Beginn als Zuckerfabrik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zuckerfabrik Klein Wanzleben wurde 1838 als Aktiengesellschaft von 19 Bauern, Handwerkern und Gastwirten gegründet. 1847 erwarb der deutsche Zuckerrübenzüchter Matthias Christian Rabbethge einen Hof, zu dem auch ein Aktienanteil gehörte. Rabbethge kaufte nach und nach fast alle Aktien auf. Die Fabrik expandierte und konnte 1888 etwa 400 Tonnen, nach 1904 sogar 1.000 Tonnen Rüben pro Tag verarbeiten. Sie betrieb von 1898 bis 1955 ein umfangreiches Netz von Feldbahnen, das auch bis zum Bahnhof Dreileben-Drackenstedt reichte. Nach der Wende von 1989 wurden die alten Fabrikanlagen ab 1991 abgerissen.[3]

Aufbau der Saatzucht

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Saatzuchtunternehmen wurde im Jahr 1856 von Matthias Christian Rabbethge gegründet. Im selben Jahr gründeten er und sein zukünftiger Schwiegersohn Julius Giesecke eine offene Handelsgesellschaft (OHG) mit dem Namen Rabbethge & Giesecke OHG.[4] Der auf Zuckerrübensaatgut spezialisierte Betrieb wurde bereits 1885 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Jahr 1900 wurde die erste internationale Außenstelle in der ukrainischen Stadt Winnyzja gegründet, um die Nachfrage der russischen Zuckerrübenzüchter zu stillen. 1920 wurde das Sortiment durch die Aufnahme der Getreide-, Futterrüben- und Kartoffelzüchtung verbreitert.[5]

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem Neubeginn in Einbeck, nachdem die hauseigene Saatgutbibliothek dorthin verbracht werden konnte.[5] Dazu wurden die wichtigsten Mitarbeiter vom 18. bis zum 21. Juni 1945 mitsamt ihren Familien in einer gut organisierten militärischen Aktion in die britische Zone nach Einbeck gebracht, noch bevor die ersten sowjetischen Besatzungstruppen am 1. Juli 1945 Klein Wanzleben erreichten.[3] Ab 1951 trug das Unternehmen den Namen Kleinwanzlebener Saatzucht vormals Rabbethge & Giesecke AG und erweiterte sein Züchtungsprogramm um Mais-, Futter-, Öl- und Eiweißpflanzen. Ab 1961 entstanden Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Nordafrika. 1975 wurde der Name noch einmal geändert in KWS Kleinwanzlebener Saatzucht AG vormals Rabbethge & Giesecke und am 1. Juli 1999 wurde das Unternehmen in KWS SAAT AG umbenannt.[5] Im Frühjahr 2015 wurde die KWS Saat AG zu einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) umfirmiert.[6] Anfang Juli 2019 vollzog KWS einen Rechtsformwechsel in KWS SAAT SE & Co. KGaA.[7]

Firmengeländer der KWS SAAT SE in Einbeck
Firmengelände der KWS Saat SE in Einbeck

In den 1950er Jahren begann die KWS ihre Geschäftsaktivitäten in west- und südeuropäischen Ländern auszubreiten. Zur gleichen Zeit verstärkte das Unternehmen auch seine Tätigkeiten auf dem amerikanischen Zuckerrübenmarkt. 1956 erwarb KWS das chilenische Unternehmen Segenta und das türkische Unternehmen Pan Tohum Islah ve Üretme[8] KWS züchtete in ihrer Tochtergesellschaft Peragis seit den 1920er Jahren Weizen und Gerste. 1964 war die Peragis mit der Saatzucht Heine zur Heine-Peragis in Einbeck zusammengeführt worden. 1968 erwarb das Unternehmen die Anteile der Erben Krupp, der Farbwerke Hoechst und einen Teil der Anteile der Dresdner Bank an der Lochow-Petkus GmbH. Somit kaufte das Unternehmen gut 54 % des Gesamtkapitals des Unternehmens, das sich auf Getreidezüchtung spezialisierte. Die restlichen Anteile der Dresdner Bank (27 %) wurden von dem Bankdirektor Hans Rinn übernommen. Carl-Ernst Büchting wurde als Vertreter der KWS der neue Vorsitzende des Verwaltungsrates der Lochow-Petkus GmbH. 1975 erwarb das Unternehmen die Anteile der Familie Rinn an der Lochow-Petkus GmbH und hält seit dem rund 81 % der Geschäftsanteile; die restlichen 19 % sind im Besitz von Nachfahren Ferdinand von Lochows.[9] Im Jahr 2008 erfolgte die Umbenennung der Lochow-Petkus GmbH in KWS Lochow sowie der Tochtergesellschaften in Polen und Großbritannien in KWS Lochow Polska und KWS UK.[10]

KWS France S.A.R.L in Roye
KWS France SARL in Roye

1968 kooperierte das Unternehmen mit dem amerikanischen Pflanzenzüchter Northrup King Company, um das Unternehmen Betaseed zu gründen. Im Jahr 1972 wurde ein Labor für Zellbiologie eingerichtet und 1984 die PLANTA Angewandte Pflanzentechnik und Biotechnologie GmbH gegründet. Diese ist seit Juli 2011 wieder in die KWS Saat AG eingegliedert.[11] Im Jahr 1978 wurde KWS Seeds Inc. gegründet, um die Geschäftsaktivitäten in Nordamerika zu verwalten.

In den 1990er Jahren erwarb das Unternehmen die argentinische Pflanzenzuchtfirma Trebol Sur, die im Jahre 1997 in KWS Argentina umbenannt wurde.

Hybridroggen-Sorte KWS BINNTTO,
Hybridroggen-Sorte KWS BINNTTO

Im Jahre 2000 gründeten KWS und die französische Pflanzenzüchtungsfirma Limagrain das Joint Venture AgReliant, um die Maiszüchtung in USA zu verwalten. 2003 kam es zur Gründung von KWS Türk, um die Saatgutdistribution in Nordafrika (Marokko, Tunesien, Libyen und Ägypten) und im Nahen Osten (Iran, Irak und Libanon) zu verbessern. Im Jahr 2008 gründeten KWS und das niederländische Unternehmen Van Rijn Group ein 50/50 Joint Venture, das sich auf Kartoffelzüchtung spezialisiert. Im April 2011 erwarb KWS den restlichen Anteil und errichtete die Tochtergesellschaft KWS Potato.[12] Im September 2011 kam es zu einem Joint Venture mit dem chinesischen Unternehmen Kenfeng.[13] Beide Unternehmen fokussieren sich nun auf die Produktion und den Vertrieb von Maissaatgut in China. Seit Oktober 2011 gibt es das Joint Venture Genective zwischen KWS und dem französischen Saatgutunternehmen Vilmorin.[14] Hierbei geht es um die Forschung und Entwicklung von gentechnisch veränderten (gv) Mais-Merkmalen.[15]

Im Juni 2012 erwarb das Unternehmen die brasilianischen Züchtungsgesellschaften Semília und Delta. Die beiden Gesellschaften wurden zum 1. Juli 2012 in der KWS Brasil Pesquisa & Sementes LTDA zusammengeführt. Im Juli 2012 erwarb KWS zudem eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen Riber, das sich im brasilianischen Bundesland Minas Gerais befindet. Riber–KWS Sementes, wie der neue Name der Gesellschaft jetzt lautet, wird sich wie bisher auf den brasilianischen Markt konzentrieren und vor allem gentechnisch veränderte Mais- und Sojasorten anbieten.[16] Zum 1. Juli 2019 vollzog KWS mit der Akquisition des niederländischen Unternehmens Pop Vriend Seeds den Einstieg in das Geschäft mit Gemüsesaatgut.[17]

Aktuelle Produkte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Schwerpunkte des Vertriebs liegen bei Saatgut für Zuckerrüben, Getreide, Mais und Raps. Neben diesen Schwerpunkten hat man Sommerraps, Sonnenblumen, Sorghum, diverse Zwischenfrüchte und Gemüse im Programm.[18]

Firmenlogo am Edesheimer Wald
Anteil Anteilseigner
54,4 % Familien Büchting / Arend Oetker / Giesecke
15,4 % Tessner Beteiligungs GmbH
30,2 % Streubesitz

Stand: Oktober 2021[19]

Das Unternehmen ist seit 1954 an den Börsen Hamburg-Hannover und seit Juni 2006 im SDAX der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Daneben sind die Aktien im niedersächsischen Aktienindex Nisax20 notiert.

Das Unternehmen investiert jährlich durchschnittlich 18,5 % vom Umsatz in Forschung und Entwicklung, um neue Saatgutsorten zu entwickeln, die auf die Anforderungen der Landwirtschaft, klimatische Bedingungen und geologische Begebenheiten angepasst sind. Dazu nutzt KWS verschiedene Züchtungsmethoden wie beispielsweise Kreuzung und Selektion, Linien- und Hybridzüchtung, Phänotypisierung Marker, Gentechnik und Genome Editing.[20]

Commons: KWS Saat AG – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Geschäftsjahr 2022/2023. (pdf) In: kws.com. Abgerufen am 25. Oktober 2023.
  2. Geschäftsjahr 2021/2022. (PDF) In: kws.com. Abgerufen am 12. Januar 2023.
  3. a b Reinhard Richter: Feldbahnen im Dienste der Landwirtschaft. Verlag Bernd Neddermeyer, Berlin 2005, ISBN 3-933254-65-5, S. 79–99.
  4. Detlef Diestel: Die Zuckerfabrik Klein Wanzleben von Gründung bis 1917/18. In: Landwirtschaft und Kapitalismus. Bd. 1, Teil 2, Akademie-Verlag, Berlin 1978, S. 63.
  5. a b c Betina Meißner: Erfolg kann man säen – 150 Jahre KWS. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. S. 90.
  6. KWS SAAT SE – Hauptversammlung 2015. In: deutscher-aktien-informations-dienst.de. 9. November 2015, abgerufen am 22. November 2019.
  7. KWS vollzieht Wechsel der Rechtsform - Press Corner - Presse - Unternehmen - KWS SAAT SE & Co. KGaA. Abgerufen am 5. Juli 2019.
  8. Betina Meißner: Erfolg kann man säen – 150 Jahre KWS. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. S. 90 f.
  9. Jost von Lochow, Joachim Köchling und Reinhard von Broock: Die Lochow-Petkus Pflanzenzüchtung. Vorträge für Pflanzenzüchtung, Heft 65, Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e. V., 2004. S. 27.
  10. Webseite KWS (Memento vom 6. Juli 2010 im Internet Archive), abgerufen am 3. April 2012.
  11. Institut für Pflanzenzüchtung und PLANTA zusammengelegt. In: www.topagrar.com. 4. Juli 2011, abgerufen am 22. November 2019.
  12. Aus "Van Rijn-KWS B.V." wird "KWS POTATO B.V." In: www.topagrar.com. Abgerufen am 22. November 2019.
  13. KWS unterzeichnet Joint Venture Vertrag mit Kenfeng. In: www.topagrar.com. 4. Oktober 2018, abgerufen am 22. November 2019.
  14. Genective - technology for plants - introduction. Abgerufen am 20. Februar 2018.
  15. KWS SAAT AG: KWS und Vilmorin vereinbaren Zusammenarbeit bei der Entwicklung gentechnisch verbesserter Merkmale für Mais. 25. Oktober 2011, abgerufen am 5. Juli 2019.
  16. Geschichte - Unternehmen - KWS SAAT SE & Co. KGaA. In: www.kws.com. Abgerufen am 22. November 2019.
  17. DGAP-News: KWS SAAT SE: KWS startet Geschäft mit Gemüsesaatgut und erwirbt Pop Vriend Seeds. In: www.finanznachrichten.de. 19. Juni 2019, abgerufen am 22. November 2019.
  18. Produkte - Partner der Landwirte seit 1856 - KWS SAAT SE & Co. KGaA. In: www.kws.com. Abgerufen am 22. November 2019.
  19. IR-Seite auf KWS website, abgerufen am 24. August 2020
  20. Innovation - Ziele, Züchtungmethoden, Projekte - KWS SAAT SE & Co. KGaA. In: www.kws.com. Abgerufen am 22. November 2019.
  • Detlef Diestel: Die Zuckerfabrik Klein Wanzleben von Gründung bis 1917/18. In: Landwirtschaft und Kapitalismus. Bd. 1, Teil 2, Akademie-Verlag, Berlin 1978. S. 63–90.
  • Betina Meißner: Erfolg kann man säen – 150 Jahre KWS. Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0161-0, S. 90 f.