MV Agusta Corse Sechszylinder

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Der Halbliterklassen-Prototyp von 1957: die MV Agusta 500 Sei mit der bis zum Ende dieser Saison[1] oft eingesetzten Stromlinienverkleidung
Die MV Agusta 350 Sei von 1968, hier gut zu erkennen: die charakteristischen sechs Endrohre

Die MV Agusta Corse Sechszylinder (MV Agusta Corse Sei Cilindrica) oder auch MV Agusta Sei (italienisch für Sechs) waren eine Gruppe von Rennmotorrädern des italienischen Herstellers MV Agusta, die zwischen 1957 und 1971 für die Klassen 350 cm³ und 500 cm³ der FIM-Motorrad-Weltmeisterschaft entwickelt und gebaut, aber nie im Rennen eingesetzt wurden.

Obwohl MV Agusta bei der Motorrad-Weltmeisterschaft 1956 die Titel in den Klassen 500, 250 und 125 cm³ gewonnen hatte, zeichnete sich für die kommende Saison (besonders in der 500er-Königsklasse) ein harter Konkurrenzkampf ab, nachdem Moto Guzzi in Imola mit der Moto Guzzi V8 einen V8-Motor im Rennen einsetzte, und auch die Gilera 500 4C großes Potenzial gezeigt hatte.[2] Vor diesem Hintergrund beauftragte Conte Domenico Agusta 1956 seinen Sportdirektor Nello Pagani, zusammen mit seiner Rennabteilung „Reparto Corse“, einen Sechszylindermotor zu entwickeln, der höhere Drehzahlen erreichen und dadurch mehr Leistung abgeben könnte als der bewährte Vierzylinder.

Prototyp 350 cm³ Sei (1957)

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1957 wurde der erste Prototyp der Sechszylinder mit 350 cm³ von MV Agusta fertiggestellt. Der Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen (die Stirnräder des Nockenwellenantriebs saßen zwischen Zylinder 3 und 4) hatte zwei Ventile je Zylinder. Die Bohrung betrug 44 mm, der Hub 38,25 mm (daraus ergab sich für die einzelnen Zylinder ein Hubraum von je von 58,13 cm³). Sechs Dell’Orto-Vergaser versorgten die Zylinder mit Gemisch, gezündet wurde mit einer Lucas-Magnetzündung. Nachdem sich Moto Guzzi, Gilera und F.B Mondial Ende 1957 vom Rennsport zurückzogen, wurde das Projekt 350 Sei eingestellt.[3]

Die 350 Sei wurde nur ein einziges Mal eingesetzt, und zwar 1957 im Training zum Großen Preis der Nationen in Monza durch Nello Pagani.[4]

Prototyp 500 cm³ Sei (1958)

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Ende 1957 testeten John Hartle und John Surtees eine Sei mit 500 cm³ Hubraum.[5] Nach wenigen Runden beim ersten Einsatz während des Rennens in Monza (1958) fiel die 500er von John Hartle mit Motorschaden aus.[6] Danach wurde dieses Motorrad nicht wieder eingesetzt, da die Vierzylinder von MV standfester waren. Der Motor hatte einen Hubraum von 499,2 cm³, eine Bohrung von 48 mm und einen Hub von 46 mm. Von sechs 26-mm-Dell’Orto-Vergasern mit Gemisch versorgt soll die Maschine eine Leistung von 75 PS bei einer Drehzahl von 15.000 min−1 erreicht haben.[7] Das einzig erhaltene Modell steht heute im MV-Agusta-Werksmuseum in Samarate.[8]

Die MV Agusta Corse 350 cm³ Sei (1968–1971)

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Obwohl die FIM die Zylinderzahl für die verschiedenen Hubraumklassen für die Zukunft beschränkt hatte, entwickelte MV Agusta auf der Basis der alten 350er von 1957 eine neue Sechszylinder, mit vier Ventilen je Zylinder. Vorbild dieser Weiterentwicklung war das Erfolgsmodell von Honda, die RC166. Eine 350-cm³-Sechszylinder setzte Mike Hailwood 1968 erstmals im Training von Monza ein und unterbot auf Anhieb den bestehenden Rundenrekord. Teaminterne Auseinandersetzungen um die Fahrerposition veranlassten Hailwood, die Maschine dann doch nicht im Rennen einzusetzen. Erst 1969 testete Agostini die 350er Sei in Modena erneut. Ein letzter Test im Training – der Motor hatte nun die Bohrung 46 mm und einen Hub von 35 mm – fand 1971 statt.[9] Mike Hailwood fuhr eine 350er Sei im Training von Monza (1968), Giacomo Agostini testete die Maschine zuletzt beim Training in Modena (1971). Einen Renneinsatz hatte dieses Motorrad jedoch nie.[10]

Technische Daten

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Heckansicht der MV Agusta 500 Sei von 1958
Die MV Agusta 350 Sei von 1968
Blick auf die offenen Ansaugtrichter der sechs Dell’Orto SS19 Rennver­gaser MV Agusta 350 „Sei“
Trotz des quer eingebauten 6-Zylinder-Reihenmotor hat die 350er eine schmale Silhouette
Das enorme Drehzahlband der MV 350 Sei

Anmerkung: bei abweichenden Informationen im Internet wurden die Daten aus der vorliegenden Literatur eingesetzt.

MV Agusta 500 „Sei“ (1958) MV Agusta 350 „Sei“ (1968–1971)
Motor
Bauart 6-Zylinder-Viertaktmotor; luftgekühlt
Hubraum 499,2 cm³ = 83,2 cm³/Zyl. 348,8 cm³ = 58,3 cm³/Zyl.
Bohrung und Hub 48 × 46 mm 43,3 × 39,5 mm / in der letzten Version: 46 × 35 mm
Verdichtung 10,8 : 1 11 : 1
Zylinderkopf k. A. Leichtmetall
Zylinder k. A. Leichtmetall
Ventile – Anordnung geneigt, hängend (Vier pro Kopf)
Ventile – Steuerung 2 obenliegende Nockenwellen DOHC
Vergaser 6 Stück Dell’Orto SSI 26 A 6 Stück Dell’Orto SS19
Schmierung k. A. Ölsumpf
Antrieb
Kupplung Ölbadlamellenkupplung trockene Lamellenkupplung
Getriebe angeblockt, 6 Gänge angeblockt, 7 Gänge (Rechtsschaltung)
Antrieb primär / sekundär Zahnräder / Kette Zahnräder / Kette
Elektrik
Zündung Lucas Magnetzündung Schwungradmagnetzündung
Spannung k. A. k. A.
Lichtmaschine k. A. k. A.
Leistung
Leistung 75 PS bei 15.000/min 72 PS (53 kW) bei 16.000/min
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h 250 km/h (1969)
Rahmen und Maße
Rahmen Rohr, geschlossene Doppelschleife Rohr; geschlossene, demontierbare Doppelschleife, Motor mittragend
Radstand 1350 mm 1360 mm
Länge 1950 mm 1990 mm
Breite 530 mm 530 mm
Tankinhalt 22 l 18 Liter
Inhalt Ölbehälter k. A. 3,3 Liter
Gewicht 145 kg 125 kg (trocken)
Federung, Reifen und Bremsen
Radaufhängung vorne hydraulische Teleskopgabel Ceriani-Teleskopgabel
Radaufhängung hinten hydraulische Stoßdämpfer Schwinge, Ölstoßdämpfer
Räder (vorne / hinten) Leichtmetall, Speichen 2,75×18″ / 3,25×18″ Leichtmetall, Speichen 2,75 × 18″
Reifen (vorne / hinten) vorne 3,00 × 18″ / hinten 3,50 × 18″ vorne 3,00 × 18″ / hinten 3,25 × 18″
Bremsen (vorne / hinten) 4 Nocken Trommel 260 mm / 2 Nocken Trommel 190 mm Doppelduplex-Trommelbremse 240 mm (4 Nocken) / 230 mm Trommelbremse (2 Nocken)

Quelle:[11][12][13]

  • Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5, DNB 959101292.
  • Siegfried Rauch: Berühmte Rennmotorräder. 2. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-87943-590-1
  • Christian Spahn: MV Agusta. Technik und Geschichte der Rennmotorräder. 1. Auflage. Serag-Verlag, 1986, ISBN 3-908007-13-1
Commons: MV Agusta 350 6C – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: MV Agusta 500 6C – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Diese Form der Verkleidung war nach 1957 verboten. Siehe: Rückzug italienischer Hersteller aus der Motorrad-Weltmeisterschaft 1957
  2. Fabio Avossa: MV AGUSTA 6 cilindri da GP (350 e 500). In: ItaliaOnRoad - Rivista Italia Motori. 27. April 2017, abgerufen am 4. April 2024 (italienisch).
  3. Grand Prix Motorcycle Engine Development von 1949 bis 2008, von David Piggott & Derek Taulbut (englisch) abgerufen am 4. April 2024.
  4. MV Agusta Corse 350 Sei Cilindrica – MV Agusta Club Deutschland e. V. Abgerufen am 4. April 2024 (deutsch).
  5. Spahn: MV Agusta. 1986, S. 261 ff.
  6. https://www.mvagustaoldtimers.nl/?avada_portfolio=500cc-seicilindrico
  7. MV Agusta Club.de (abgerufen am 30. September 2011)
  8. Siegfried Rauch, S. 160
  9. MV Agusta Werksmuseum: 350 6 cilindri Bialbero (Memento vom 3. Januar 2014 im Internet Archive) (abgerufen am 9. Oktober 2011; PDF; 651 kB)
  10. Spahn: MV Agusta. 1986, S. 264
  11. Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5, S. 248 bis 249.
  12. mvagustaoldtimers.nl: MV Agusta corse 350 sei
  13. MV Agusta Corse 500 Sei Cilindrica – MV Agusta Club Deutschland e. V. Abgerufen am 11. April 2024 (deutsch).