Philippa Sigl-Glöckner

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Philippa Sigl-Glöckner (* 6. Mai 1990 in München) ist eine deutsche Ökonomin und Gründungsdirektorin der Denkfabrik Dezernat Zukunft – Institut für Makrofinanzen. Seit 2020 gehört sie dem Wirtschaftspolitischen Beirat der SPD an. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Weiterentwicklung der Geld- und Wirtschaftspolitik in Deutschland.

Sigl-Glöckner stammt aus einer Münchener Familie. Zu ihren Vorfahren gehören Ferdinand von Miller[1], Oskar von Miller und Johann-Christoph Ottow.[2] Ihr Lebensgefährte ist Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt.[3]

Nach der elften Klasse verließ sie das Münchener Wilhelmsgymnasium und wechselte zum privaten Marlborough College in England. Anschließend nahm sie ein Studium der Philosophie, Politik und Ökonomik an der Universität Oxford auf. Nach einigen Berufsjahren absolvierte sie einen zusätzlichen Master in Informatik am Imperial College London.[4]

Erste Berufserfahrung sammelte sie in der Unternehmensberatung in London und Kambodscha sowie bei der Weltbank in Washington, D.C. Im Rahmen der African Governance Initiative von Tony Blair beriet sie das liberianische Finanzministerium.[5][6] Zwischen 2018 und 2020 arbeitete Sigl-Glöckner im Bundesministerium der Finanzen, zunächst als Ökonomin in der Grundsatzabteilung, ein Jahr später als persönliche Referentin und Büroleiterin des Staatssekretärs Wolfgang Schmidt.[7][8][9] Seit 2020 ist sie Direktorin der von ihr mitgegründeten Denkfabrik Dezernat Zukunft.

Sigl-Glöckner trat 2017 in die SPD ein. 2020 kandidierte sie gegen den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Florian Post für eine Kandidatur im Bundestagswahlkreis München-Nord zur Bundestagswahl 2021[2][10] und unterlag.[11] Auch für die Bundestagswahl 2025 bewarb sie sich innerhalb der SPD für eine Kandidatur im Bundestagswahlkreis München-Nord. und setzte sich gegen einen internen Mitbewerber durch.[12]

Seit dessen Gründung im April 2020 gehört Sigl-Glöckner dem Wirtschaftspolitischen Beirat der SPD an,[13] welchen sie seit 2022 gemeinsam mit dem Ökonomen Gustav Horn leitet.[14] 2023 wurde sie außerdem in die neu gegründete Kommission Steuern und Finanzen der SPD zur Erarbeitung eines steuer- und finanzpolitischen Konzepts berufen.[15]

2022 lud die Die Zeit Sigl-Glöckner zu einem Streitgespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn ein.[16] In der Süddeutschen Zeitung debattierte sie mit Stefan Kooths.[17] Sigl-Glöckner ist medial ferner auch präsent u. a. mit Interviews[18][19], Porträts[20][21][4], Gastbeiträgen[22][23], Besprechungen ihrer fachlichen Vorschläge[24][25] und im Fernsehen[26][27][28].

Dezernat Zukunft

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Sie ist Mitgründerin der Berliner Denkfabrik Dezernat Zukunft, welcher sie seit 2020 als Direktorin und Geschäftsführerin vorsteht. Dezernat Zukunft ist als gemeinnütziger Verein organisiert und wird u. a. von der Stiftung Open Philanthropy und der European Climate Foundation finanziert.[29] Mit Stand November 2023 werden nach eigenen Angaben 18 Angestellte beschäftigt.[30] Die Denkfabrik erarbeitet Analysen und Konzepte zur Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik in Deutschland und Europa.[31]

Zu den Forderungen der Organisation gehört laut Frankfurter Rundschau eine „Generalüberholung“ der Schuldenbremse und mehr Investitionen insbesondere auf kommunaler Ebene. Statt einer fixen Schuldenquoten schlägt das Dezernat Zukunft Vollbeschäftigung als Ziel der Finanzpolitik vor.[32]

Gemäß Sigl-Glöckner herrschen in den USA bessere Voraussetzungen zur Versorgung energieintensiver Industrieprozesse mit erneuerbaren Energien. Es gebe viel Platz, um günstigen Strom aus Wind und Sonne zu gewinnen. Zur Gestaltung der Märkte der Zukunft würde in den USA aktive Industriepolitik betrieben, investiert (vgl. mit Inflation Reduction Act und Infrastructure Investment and Jobs Act) und viel mehr geforscht. Gemäß Sigl-Glöckner müssten in Deutschland zum einen die richtigen Rahmenbedingungen geschafften werden, um Industrie im Land zu halten, zum anderen stelle sich die Frage, ob alle energieintensiven Grundstoffe (wie Ammoniak, Petrochemie, Stahl und Aluminium) im heutigen Maßstab weiterhin in Deutschland produziert werden müssten. Die Politik müsse industrielle Wertschöpfungsketten besser verstehen. Vor dem Hintergrund dieser Transformation bedürfe es neben Milliardeninvestitionen einer langfristigen Planung, insbesondere in den betroffenen Regionen, auch um neue Arbeitsplätze schaffen zu können.[15] Zur Finanzierung bringt Sigl-Glöckner zwei Vorschläge: Erstens spricht sie sich für eine Reform der Schuldenbremse in Deutschland aus.[33] Zweitens müsse es eine sinnvoll gestaltete Erbschaftsteuer geben. Lasten könnten so gerechter verteilt werden. Eine „Erbaristokratie“ bringe Deutschland nicht weiter.[15]

Zur Frage, ob eine Tilgung von Staatsschulden generell sinnvoll sein könne, sagte sie, dass dies von den Umständen und den Zielen von Kreditaufnahme oder Tilgung abhänge. Liege der Realzins unterhalb des Wirtschaftswachstums, sei es nicht nachvollziehbar, warum der Schuldenabbau Vorrang vor anderen politischen Vorhaben haben solle.[34]

2019 wurde Sigl-Glöckner vom Magazin Forbes zu den europäischen „30 unter 30“ im Bereich Finanzen gewählt.[35] Die Welt und das Handelsblatt bezeichneten Sigl-Glöckner 2019 bzw. 2021 als eine der „einflussreichsten Frauen ihrer Generation in Deutschland“.[31][36] 2023 wählte ein Experten-Gremium des Magazins Politik & Kommunikation Sigl-Glöckner unter die „Young Thinkers – 15 kluge, junge Köpfe, auf die Deutschland hört“. Laut dem Ökonomen Jörg Asmussen ist sie eine „gehörte und kontroverse Stimme in der Diskussion um Schuldenbremsen in Deutschland“.[37]

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete sie 2023 als „Vordenkerin für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse“ innerhalb der SPD.[38] Die britische Financial Times verortete sie und Dezernat Zukunft im Jahr 2021 als Urheber von unter Wirtschaftswissenschaftlern heftig debattierten Reformvorschlägen mit Relevanz für die gesamte EU.[25] Gemäß dem Ökonomen Jens Südekum fand ein Vorschlag zu einer „großzügigere[n] Berechnung der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse“ von Sigl-Glöckner und ihren Kollegen von Dezernat Zukunft bereits Eingang in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung.[39]

  • mit Max Krahé et al.: Eine neue deutsche Finanzpolitik. Dezernat Zukunft e. V., Berlin 2021, (Digitalisat (.pdf))
  • mit Max Krahé: Die Definition einer zukunftsfähigen Finanzpolitik. Wirtschaftsdienst, 2021 (Digitalisat (.pdf))
  • mit Max Krahé, Florian Schuster: Wird die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse in ihrer heutigen Ausgestaltung ihrer Aufgabe noch gerecht? Analyse und ein Reformvorschlag. Berlin 2021 (Digitalisat (.pdf))
  • Gutes Geld – Wege zu einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft. Quadriga, 2024, ISBN 978-3-86995-144-7.

Einzelnachweise

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  1. Philippa Sigl-Glöckner: Bewerbung um die SPD-Kandidatur für den Bundestagswahlkreis München-Nord. 18. Mai 2020 (philippa-sigl-gloeckner.de [PDF]).
  2. a b Paul Nöllke: "Müssen das System überdenken" – Münchner SPD-Politikerin Philippa Sigl-Glöckner: Ihr Ziel ist der Bundestag. In: Abendzeitung München. 22. Mai 2020, abgerufen am 22. Mai 2020.
  3. Neujahrsempfang von Table.Media: Politprominenz trifft sich in Berlin. 31. Januar 2024, abgerufen am 26. März 2024.
  4. a b Maja Brankovic: SPD-Hoffnung Sigl-Glöckner: Sie kämpft gegen die Schuldenbremse. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. Juni 2021, S. 20 (faz.net).
  5. Laura Lansche: Im Porträt: Philippa Sigl-Glöckner, Gründerin und Direktorin des Dezernats Zukunft. In: Tagesspiegel Background. Der Tagesspiegel, 23. November 2023, abgerufen am 28. November 2023.
  6. Lage der Nation Spezial, Folge 247, mit Philippa Sigl-Glöckner. In: Lage der Nation. Ulf Buermeyer, Philip Banse, 8. Juli 2021, abgerufen am 28. November 2023.
  7. Mark Schieritz: Was traut er sich? Olaf Scholz baut das Finanzministerium um – es könnte ein Zentrum für neue Ideen werden. In: ZEIT Online. DIE ZEIT, 13. November 2019, abgerufen am 21. Mai 2020.
  8. Simone Warias: Im Interview: Philippa Sigl-Glöckner. In: Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. November 2022, abgerufen am 26. November 2023.
  9. Werdegang - Philippa Sigl-Glöckne. Abgerufen am 26. November 2023.
  10. Christian Teevs: Machtkampf in der SPD: Genossen fürchten Ausbootung von Parteirebell. In: spiegel.de. 30. Mai 2020, abgerufen am 29. November 2023 ((hinter Bezahlschranke)).
  11. Deutlicher Sieg für Florian Post. In: Süddeutsche Zeitung. 25. September 2020, abgerufen am 26. November 2023.
  12. Team München für Berlin – Unsere Kandidierenden für die Bundestagswahl 2025 - SPD-Unterbezirk München-Stadt. In: spd-muenchen.de. Abgerufen am 31. Oktober 2024.
  13. Erste Sitzung des Wirtschaftspolitischen Beirats. In: Pressemitteilung der SPD. Abgerufen am 26. November 2023.
  14. Kai Doering: Philippa Sigl-Glöckner: Sie will eine neue Finanzpolitik für die SPD. In: Vorwärts (Deutschland). 21. Februar 2023, abgerufen am 26. November 2023.
  15. a b c Georg Ismar, Mike Szymanski: Was die neue SPD-Kommission vorhat. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Februar 2023, abgerufen am 26. November 2023.
  16. Lisa Nienhaus, Mark Schieritz: Finanzpolitik: Heizt der Staat die Inflation an? In: Die Zeit. 14. Januar 2022, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 2. Dezember 2023]).
  17. Bastian Brinkmann: Mehr Staatsschulden – dringend nötig oder gefährlich? In: Süddeutsche Zeitung. 1. Juni 2022, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  18. Handelsblatt. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  19. deutschlandfunk.de: Bundeshaushalt - Schuldenmachen - aber wie? Interview Philippa Sigl-Glöckner, Ökonomin. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  20. David Böcking: (S+) Staatsverschuldung: Warum junge Ökonomen Angst haben, die Regierung könnte zu sparsam sein (S+). In: Der Spiegel. 12. November 2021, ISSN 2195-1349 (online [abgerufen am 2. Dezember 2023]).
  21. Georg Ismar, Mike Szymanski: Was die neue SPD-Kommission vorhat. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Februar 2023, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  22. Philippa Sigl-Glöckner: Finanzpolitik: Warum unsere Schuldenbremse von gestern ist. In: Wirtschaftswoche. 7. August 2021, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  23. Max Krahé, Philippa Sigl-Glöckner: Haushaltshoheit und Schuldenbremse: Warum die Konjunkturkomponente reformiert werden sollte. In: Verfassungsblog. 9. November 2021, doi:10.17176/20211109-142241-0 (online [abgerufen am 2. Dezember 2023]).
  24. Georg Ismar: Haushaltskrise: Die Bremsmanöver der Ampel. In: Süddeutsche Zeitung. 23. November 2023, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  25. a b Olaf Scholz plots a way round Germany’s debt rules. In: Financial Times. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  26. Markus Lanz vom 7. September 2023. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  27. Markus Lanz vom 16. November 2022. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  28. phoenix runde: Bazooka, Wumms und Doppelwumms | ARD Mediathek. Abgerufen am 2. Dezember 2023.
  29. Lobbyregistereintrag "Dezernat Zukunft e. V." Abgerufen am 26. November 2023.
  30. Mitarbeiterseite des Dezernats Zukunft. Abgerufen am 28. November 2023.
  31. a b Carina Kontio: Interview: Direktorin der Denkfabrik Dezernat Zukunft: „Niemand sollte sich verachtet fühlen“. In: Handelsblatt. 7. Mai 2021, abgerufen am 26. November 2023.
  32. „Schluss mit Sparen“: Immer mehr junge Menschen fordern alternative Finanzpolitik. In: Frankfurter Rundschau. 25. Februar 2022, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  33. Sebastian Dullien et al.: Between high ambition and pragmatism: Proposals for a reform of fiscal rules without treaty change. Abgerufen am 29. November 2023 (englisch).
  34. Karsten Seibel: Schuldenbremse: Der Tilgungs-Trick – Werden die Corona-Schulden nie zurückgezahlt? In: Die Welt. 16. November 2023, abgerufen am 28. November 2023 (hinter Bezahlschranke).
  35. Philippa Sigl-Glöckner. In: Forbes 30 under 30 – Europe – Finance 2019. Forbes, abgerufen am 21. Mai 2020 (englisch).
  36. Melanie Croyé: Philippa Sigl-Glöckner: Diese Frau will die Wirtschaftswelt verändern. In: Die Welt. 24. Mai 2019, abgerufen am 26. November 2023 (hinter Bezahlschranke).
  37. Young Thinkers. 15 kluge, junge Köpfe, auf die Deutschland hört. In: politik&kommunikation. 24. Mai 2023, abgerufen am 26. November 2023.
  38. Georg Ismar: Haushaltskrise: Die Bremsmanöver der Ampel. In: Süddeutsche Zeitung. 23. November 2023, abgerufen am 28. November 2023.
  39. Jens Südekum: (Un-)konventionelle Methoden zur Finanzierung der Ampelpläne. In: Wirtschaftsdienst. Band 2022, Nr. 1, 2022, S. 15–18 (online [abgerufen am 28. November 2023]).