Benutzer:Wandervogel/Die Schweiz zur Zeit des Sklavenhandels und des Kolonialismus

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Die Schweiz war zur Zeit des Sklavenhandels und des Kolonialismus (17. bis 19. Jahrhundert) durch Schweizer Handelsfamilien und Handelsfirmen vollständig in das weitreichende europäische Netz an Finanz- und Handelsbeziehungen integriert. Dies, obwohl die Schweizerische Eidgenossenschaft zu keiner Zeit eine Seefahrernation oder eine Kolonialmacht war. Zürich und Bern waren durch Finanzgeschäfte am Sklavenhandel beteiligt. Schweizer Söldner kämpften zu dieser Zeit in fremden Diensten in kolonialen Kriegen und gegen Sklavenaufstände.[1]

Mit der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit tut sich die Schweiz bis in die Gegenwart schwer.[2] Nach der Jahrtausendwende hat eine neue Generation von Historikerinnen und Historikern begonnen, diesen Teil der Schweizer Geschichte zu erforschen.[3] 2019 erteilte die Stadt Zürich der Universität Zürich den Auftrag, die Verstrickung der Stadt in die Sklaverei zu untersuchen.[4] In Antworten auf parlamentarische Anfragen brachte der Bundesrat 2003, 2006, 2014 und 2018 zum Ausdruck, "dass er aus heutiger Perspektive zutiefst bedaure, dass in der Vergangenheit Schweizer Bürger, Unternehmen und Organisationen an der Sklaverei beteiligt waren."[5] Erst im Zuge der weltweiten Black Lives Matter-Kundgebungen nach dem gewaltsamen Tod von Georg Floyd in den USA im Frühjahr 2020 wurde die koloniale Vergangenheit der Schweiz dank zahlreicher Medienberichten einer breiten Bevölkerungsgruppe bewusst.[6]

Historischer Überblick und Begriffserklärung

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Atlantischer Sklavenhandel

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Dreieckshandel: Schematische Darstellung, Beispiel 1 (Afrika, Amerika, Europa)
Zeichnung eines Sklaventransportschiffs für den atlantischen Sklavenhandel, aus Unterlagen eines Komitees des House of Commons des Vereinigten Königreichs, 1790 and 1791

Im sogenannten atlantischen Sklavenhandel oder auch atlantischer Dreieckshandel, wurden ab dem 16. Jahrhundert Menschen vom afrikanischen auf den amerikanischen Kontinent zwangsverschleppt und dort als gratis Arbeitskräfte auf den Plantagen eingesetzt. Der Dreieckshandel kam mit der Besiedlung der Kolonien in Übersee auf. Über die Seefahrernationen Portugal, Spanien, Frankreich, Niederlande und Grossbritannien war der gesamte europäische Kontinent in den Dreieckshandel über den Atlantik einbezogen. Die Europäer konnten sich in Afrika auf bereits bestehende Strukturen von Sklavenhändlern stützen, um versklavte Menschen an den afrikanischen Küsten zu «kaufen». Diese Menschen waren teils Kriegsgefangene oder Häftlinge, oft aber einfach aus ihren Dörfern entführte Frauen, Männer und Kinder, die von arabischen Sklavenhändlern zur Küste gebracht wurden. Europäische Händler beluden ihre Schiffe an den Atlantikhäfen mit Textilien, Metall- und Glaswaren, Branntwein, Gewehren und Schiesspulver. Besondere an den afrikanischen Fürstenhöfen waren Indiennesstoffe aus der Schweiz und Frankreich beliebt. In den Häfen Westafrikas tauschte man die Waren gegen Sklaven ein. Auf engstem Raum im Schiffsbauch zusammengepfercht und aneinandergebunden, wurden die versklavten Menschen in die Neue Welt (Nordamerika, Karibik und Südamerika) verfrachtet. In den Kolonien verkauften die Händler die Menschen an Plantagen- und Minenbesitzer und erwarb mit dem Erlös die von Sklaven produzierten Güter wie Zuckerrohr, Baumwolle, Kakao, Tabak, Kaffee, Reis und Gewürze. Die Schiffe brachten anschliessend die Güter zurück nach Europa.

Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt ab dem 16. Jahrhundert elf bis zwölf Millionen Menschen als Sklaven verschleppt wurden. Zehn bis fünfzehn Prozent überlebten die Überfahrt nicht. Der atlantische Dreieckshandel kam Mitte des 19. Jahrhunderts zum Erliegen.[7][8]

Unter Kolonialismus versteht man die meist staatlich geförderte Inbesitznahme auswärtiger Territorien und die Unterwerfung, Vertreibung oder Ermordung der ansässigen Bevölkerung durch eine Kolonialherrschaft. Bei den Kolonialherren im neuzeitlichen Kolonialismus herrschte der Glaube an eine kulturelle Überlegenheit über die sogenannten „Naturvölker“ und teils an die eigene rassische Höherwertigkeit.[9] Diese Vorstellung wurde durch frühe Theorien einer soziokulturellen Evolution gestützt. Die Kolonisierung der Welt durch europäische Nationen leistete der Ideologie des Eurozentrismus Vorschub.[10] Zu den Kolonialmächten zählt man: Grossbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Deutsches Reich, Osmanisches Reich, Belgien, Russland, Japan, China (Qing-Dynastie), Österreich-Ungarn, Dänemark, Schweden-Norwegen, USA, Italien. Die Schweiz besass zu keiner Zeit Territorien ausserhalb von Europa.

Schweizer Beteiligung am atlantischen Sklavenhandel

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Die Schweizerische Eidgenossenschaft war zu keiner Zeit eine Seefahrernation oder eine Kolonialmacht und doch gehörten Schweizer Familien und Handelsgesellschaften gemäss Harald Fischer-Tiné, Professor für die Geschichte der modernen Welt an der ETH Zürich, zu wichtigen Akteuren im atlantischen Sklavenhandel. Zahlreiche Schweizer Handelsleute, aber auch Firmen wie das Geldinstitut Zinskommission Leu et Compagnie (die spätere Bank Leu)[11] hielten Aktien der französischen Ostindienkompanie, die eine wichtige Rolle im globalen Handel mit Sklavinnen und Sklaven spielten. In der Blütezeit des Sklavenhandels hielten sie bis zu 30 Prozent des Aktienkapitals und damit mehr als der französische König. [12]

Die Autoren des 2005 erschienen Standardwerks «Schwarze Geschäfte», Thomas David, Bouda Etemad und Janick M. Schaufelbuehl, gehen davon aus, dass rund 172'000 Afrikaner durch die direkte oder indirekte Teilnahme von Schweizer Händlern am Sklavenhandel deportiert und versklavt wurden. Dies entspricht rund 1,5 Prozent der elf bis zwölf Millionen Sklaven, die Afrika im Rahmen des transatlantischen Handels entrissen wurden.[13]

Wirtschaftlicher Hintergrund

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In der Zeit vor der Industrialisierung, also vor der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, waren die Möglichkeiten Geld anzulegen, begrenzt. Investitionen in den Handel bot sich als Ausweg an. Zwischen 1719 und 1734 besass der Staat Bern Anteile an der britischen Handelsgesellschaft South Sea Company[14] und war damit für eine gewisse Zeit der grösste Aktionär der Gesellschaft, noch vor der Bank of England und vor dem englischen König George I. Auch die Stadt Zürich erwarb 1727 120 Aktien dieser Gesellschaft.[15]. Die South Sea Company verkaufte u.a. 64 000 afrikanische Sklaven nach Südamerika. Während der Zeit des Sklavenhandels spielten in der Alten Eidgenossenschaft und der späteren Helvetischen Republik die Kantone nur eine untergeordnete Rolle. Es waren vor allem Kaufleute, Financiers und Offiziere, die im Sklavenhandel und der Niederschlagung von Sklavenaufständen tätig waren.

Indienne, Textilmuseum von Wesserling, Elsass (Frankreich).

Ein wichtiges Exportgut im Dreieckshandel waren die mit orientalischen oder indischen Motiven bedruckten, relativ günstigen Baumwollstoffe. Die sogenannten Indiennes waren in Afrika ein begehrtes Importgut. Die aufkommende Mechanisierung des Stoffdrucks bedrängte die traditionellen Produzenten von Seidenstoffen, besonders in Frankreich. König Ludwig XIV. verbot deshalb zwischen 1686 und 1759 die Herstellung und die Einfuhr von Indiennes. Die französischen Hugenotten verlegten daraufhin die Baumwollindustrie nach den Niederlanden, nach Deutschland und auch in die Schweiz. Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten in der Schweiz achttausend bis zehntausend Menschen in den Indiennes-Betrieben. Nach Aufhebung des Verbots liessen sich einige der Indiennes-Hersteller in den französischen Hafenstädte Marseille, Bordeaux und Nantes nieder, die Hochburgen des Sklavenhandels waren.

Schweizer Handelsfamilien

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Nach der Jahrtausendwende wurde die Geschichte der Schweizer Beteiligung am Sklavenhandel und an der Plantagenwirtschaft von Historikerinnen und Historikern intensiv aufgearbeitet.[16] Die Schweiz war über ihre Textilhandelsfamilien und über Finanzhäuser mit dem Sklavenhandel verflochten. Der europäische Sklavenhandel wurde von den Kolonialmächten Frankreich und England dominiert. Die Stiftung Cooperaxion hat sich zur Aufgabe gemacht, die Verstrickung der Schweiz in den traditionellen Dreiecks- und Sklavenhandel aufzuzeigen und zu dokumentieren. Die Stiftung unterhält eine umfangreiche Datenbank von Schweizern, die am Sklavenhandel beteiligt waren. Mehr als 260 Personen, Familien und Handelsgesellschaften hat die Stiftung bereits identifiziert. Die Datenbank liest sich wie ein Who’s who der damaligen bürgerlichen Schweiz: Darin finden sich bekannte Namen wie beispielsweise die Burckhardts und Merians[17] in Basel, die De Purys[18][19][20] und Pourtalès aus Neuenburg, die Picot & Fazys[21] in Genf, die Ammans aus Schaffhausen[22] oder die Familie Hottinger[23] und die Bank Leu in Zürich. Die Ausbeutung von Abertausenden Sklaven hat die Schweiz und einige Familien sehr reich gemacht. Die Spuren sind heute noch sichtbar, z.B. die prunkvollen Paläste der Familien DuPeyrou oder de Pourtalès in der Stadt Neuenburg[24] oder die herrschaftlichen Häuser der Familie Zellweger in Trogen.

Familien DuPeyrou

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Pierre-Alexandre DuPeyrou

Pierre Alexandre DuPeyrou wurde in Surinam geboren und erbte von seinem Vater Pierre, der dort Gerichtsrat war, einige Plantagen; darunter die am Fluss Cottica gelegenen Zuckerplantagen „Libanon“ und „La Nouvelle Espérance“, die Kaffeeplantage „Perou“ und die Holzplantage „L'Espérance“ am Fluss Para. Der jährliche Erlös aus diesen Plantagen betrug zwischen 24'000 - 40'000 Pfund. Als Vergleich; ein Neuenburger Lehrer verdiente in der damaligen Zeit etwa 30 Pfund pro Jahr. Von diesem Geld liess er das Hôtel DuPeyrou in Neuenburg bauen. Zusammen mit einem Konzertsaal, dem späteren Stadttheater, vermachte er das Hôtel DuPeyrou der Stadt Neuenburg. Die Familie DuPeyrou hielt noch bis in die 1840er Jahre Sklaven. [25][26][27]

Familie Pourtalès

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Jacques-Louis de Pourtalès

Jacques-Louis de Pourtalès (1722–1814) entstammte der durch Friedrich dem Grossen geadelten Hugenottenfamilie Pourtalès und wurde auch als "König der Kaufleute" oder "König des Indienne-Handels" bezeichnete. 1753 gründete er die Firma Pourtalès & Cie., welche bis 1801 in Europa und in den überseeischen Kolonien Handel betrieb. Die Textilbranche und besonders die Indienne-Fabrikation um Neuenburg war ganz in seiner Hand. Das spülte ihm derart viel Geld in die Kassen, dass er 1770 fünf Plantagen auf Grenada in der Karibik kaufte. Die Plantagen hiessen „Bellair“, „Mont Saint-Jean“, „La Conférence“, „Clavier“ und „Larcher“. Dort liess er Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle und Kakao anbauen und je 100 bis 200 Sklaven für sich arbeiten. Durch seinen aussergewöhnlichen Geschäftssinn häufte er ein riesiges Vermögen an. 1799 galt er als der reichste Mann auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. 1808 stiftete er der Stadt Neuenburg das Hôpital Pourtalès, das noch heute diesen Namen trägt und aus der noch immer bestehenden Stiftung von Jacques-Louis Pourtalès finanziert wird. Daneben stehen in Neuenburg noch heute einige stattliche Herrenhäuser aus seiner Zeit.[28][29]

Familie Burckhardt

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Die Basler Patrizierfamilie Burckhardt beteiligte sich von 1783 bis 1815 aktiv am System der Sklaverei. Insbesondere Christoph Burckhardt (1766–1815), er nannte sich ab 1789 Christophe Bourcard, erhoffte sich vom Menschenhandel das grosse Geschäft. Mit 23 Jahren zog er 1789 nach Nantes. Die Stadt in Frankreich war zu dieser Zeit der grösste Umschlagplatz für Sklaven in Europa. Ein Fünftel des transatlantischen Handels lief über die Stadt in der Bretagne. Das Geschäft der Familie Burckhardt bestand primär im Handel mit hochwertigen Indienne-Stoffen. Sie wurden in der Schweiz verarbeitet, aus französischen Häfen verschifft und in Afrika gegen Sklaven gehandelt. Christophe Bourcard engagierte sich aber auch ganz direkt an Sklavenexpeditionen. Er gründete 1790 in Nantes die Firma „Bourcard Fils & Cie.“, mit welcher er sich hauptsächlich im Indiennes-, Sklaven- und Kolonialwarenhandel betätigen wollte – ein lukratives, wenn auch risikoreiches Geschäft. 21 Sklavenexpeditionen unter Beteiligung der Familie Burckhardt sind dokumentiert. Durch sie wurden über 7000 afrikanische Sklaven auf den amerikanischen Kontinent verschleppt. Mehr als 1000 von ihnen kamen bei der Überfahrt ums Leben. Finanziell am Ende beging Christophe Bourcard im Oktober 1815 Selbstmord. Der Familie Burckhardt gelang es, die unrühmliche Familiengeschichte lange Zeit zu vertuschen. Erst 2004 berichteten die Historiker Niklaus Stettler, Peter Haenger und Robert Labhardt umfangreich über die Verflechtungen von Basler Industriellen und den weltweiten Menschenhandel.[30][31].[32]

Porträt Alfred Eschers, um 1875

Alfred Escher (1819–1882) gilt als die einflussreichste Persönlichkeit in Politik und Wirtschaft der Schweiz im 19. Jahrhundert. Er war die treibende Kraft hinter der Schweizerischen Nordostbahn, den Gründungen der heutigen ETH Zürich, der Schweizerischen Kreditanstalt (heute Credit Suisse), der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (heute Swiss Life) sowie der Gotthardbahn-Gesellschaft. Schon zu seinen Lebzeiten wurden Vorwürfe laut, dies alles sei nur möglich gewesen, da sein geerbtes Familienvermögen aus Sklavenarbeit stamme. 2017 veröffentlichte der deutsche Historiker Michael Zeuske Dokumente die beweisen, dass die Familie Escher auf Kuba im Besitz einer Kaffeeplantage war, zu der auch über 80 Sklaven gehörten, die jährlich 300 Tonnen Kaffeebohnen produzierten. Nach dem Tod des Onkels 1845 ging die Plantage in den Besitz von Eschers Vater Heinrich über. Der verkaufte die Plantage für 40'000 Silberpesos – heute ungefähr 1,2 bis 1,4 Millionen Franken. Heinrich Escher starb 1853 und Alfred Escher erbte das Vermögen. Es ist darum sehr wahrscheinlich, dass Alfred Escher zumindest auf diese Weise direkter Nutzniesser von Sklavenarbeit war. .[33] Der frühere Chefhistoriker der Credit Suisse und Escher-Biograph Joseph Jung verteidigte Escher stets, indem er eine moralische Trennlinie zwischen Sklavenhaltung und Sklavenhandel zog und so Heinrich Eschers Tätigkeiten relativierte.[34] Weitere Untersuchungen zur historischen Verantwortung der Eschers stehen noch aus. Viele Quellen aus dieser Zeit sind über die Jahre verloren gegangen.[35]

Familie Zellweger

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Zellweger'scher Doppelpalast und Reformierte Kirche

Noch heute zeugen die imposanten und mächtigen Zellweger-Paläste auf dem Dorfplatz von Trogen, einem Ort im Appenzellerland, vom ehemaligen Reichtum ihrer Erbauer. Die angesehene Ostschweizer Familie prägte im 17. Jahrhundert den Leinwandhandel[36], später verarbeitete sie Baumwolle aus Sklavenarbeit. Einzelne Familienmitglieder profitierten dabei direkt von Investitionen in Sklavereiunternehmungen oder der Plantagenarbeit in Kuba. Das Rückgrat des wirtschaftlichen Aufschwungs der Familie bildeten die Brüder Johannes Zellweger-Hirzel (1730–1802)[37] und Jacob Zellweger-Wetter (1723–1808)[38]. Sie hielten Niederlassungen in Genua, Lyon, London und Lissabon. Von dort verschifften sie ihre Waren über den Atlantik. Ihr Vermögen belief sich auf mehrere Millionen Gulden. Damit gehörten sie zeitweise zu den wohlhabendsten Händler der alten Eidgenossenschaft. Ihr Ansehen war so hoch, dass einige Familienmitglieder im Jahr 1804 persönlich zur Krönung Napoleon Bonapartes zum Kaiser nach Paris eingeladen wurden.

Schweizer Sklavenhalter während dem Kolonialismus

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1818 wurde vom deutschen Naturforscher Georg Wilhelm Freyreiss die Kolonie Leopoldina in Brasilien gegründet. Brasilien war damals ein Sehnsuchtsland für viele Europäer, vor allem, da der portugiesische König Johann VI. (portugiesisch: João VI) das Entwicklungspotential des unter portugiesischer Herrschaft stehenden Brasilien sah und diesen fördern wollte. Rund 2000 Schweizer Auswanderer folgtem dem Ruf des portugiesischen Königs. Sie gründeten u.a. die Stadt Nova Friburgo und den Weiler Helvécia. Zu den ersten Kolonisten gehörten die Neuenburger Pierre-Henri Béguin und Philippe Huguenin. Bei seinem Tod 1835 hinterliess Huguenin die Plantage Pombal Second mit Kaffeesträuchern über eine Strecke von 13 Kilometern und 36 Sklaven. Sein Gesamtbesitz belief sich auf etwa 80'000 Franken. Dies entsprach dem Jahreslohn von ca. 75 Schlossern in der Schweiz. [39] In der Region liessen sich auch Familien namens Langhans, Montandon, Pache, Jaccard, Maulaz und Flach nieder. Der Schaffhauser Johann Martin Flach führte einen der grössten Gutshöfe der Kolonie. Die Quellenlage über Flach ist unklar: Sicher ist, dass er enge Kontakte zur österreichischen Prinzessin Leopoldine, die 1817 durch Heirat Kaiserin von Brasilien wurde, pflegte. Er besass 151 Sklaven und über 100 Kilometer Kaffeebaumreihen im Wert von über 200'000 Franken.[40] Die Region wurde so wichtig, dass die Schweiz es für nötig erachtete, eine konsularische Zweigstelle in der Nachbarstadt Caravelas zu schaffen. Zu dieser Zeit war gemäss den Beschlüssen des Wiener Kongresses von 1815 der Sklavenhandel bereits verboten (siehe Abschnitt Aufarbeitung: Schweizer Politik und Justiz). 1888 versetze das Verbot der Sklaverei in Brasilien der Kolonie einen schweren Schlag. Die Schweiz beruft 1895 ihren konsularischen Vertreter ab.[41] [42]

Schweizer Söldner und Soldaten während dem Kolonialismus

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Die Schweiz hatte nie selbst Kolonien erworben oder besessen, doch haben, ganz in der Reisläufer-Tradition früherer Jahrhunderten, im 18. und 19. Jahrhunger Schweizer Söldner in fremden Diensten in kolonialen Kriegen in Afrika, Amerika und Asien gekämpft. Besonders gefragt waren die als "Haudegen" bekannten Söldner aus der Republik Bern, die Sklavenaufstände in Übersee brutal niederschlugen:[43] Für junge Männer war der Eintritt als Söldner in fremde Kriegsdienste bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts die häufigste Form der Auswanderung um der Armut in der Schweiz zu entfliehen.[44]

Helvetische Republik: 1. Bataillon der 3. Helvetischen Halbbrigade

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Zwischen dem 28. Januar 1798 und dem 28. Mai 1799 marschierten Truppen der Ersten Französischen Republik unter Napoleon in das Gebiet der heutigen Schweiz ein und besetzten es. Der Franzoseneinfall brachte das Ende der Alte Eidgenossenschaft und die Gründung der Helvetischen Republik als französische Tochterrepublik mit sich. Auf Befehl Napoleons musste 1803 die Regierung der Helvetischen Republik 635 Schweizer Soldaten für die Niederschlagung des Sklavenaufstands in der französischen Kolonie Saint-Domingue, dem heutigen Haiti, rekrutieren. Unter dem Kommando des Schaffhausers Jean Gaspard Wipf lief das Schiff „Le Redoutable“ Richtung Saint-Domingue aus. Auch die Schweizer Soldaten konnten das Blatt nicht mehr für Frankreich wenden. Am 1. Januar 1804 wurde die französische Kolonie unabhängig und der Staat Haiti gegründet – der erste unabhängige Staat in Lateinamerika und der erste, der durch ehemalige Sklaven geformt wurde. Von den 635 Schweizer Soldaten überlebten nur deren 11. [47]

Das Zeitalter des Kolonialismus ist längst vorbei, doch mit der Aufarbeitung tun sich die Schweizer Gesellschaft, die Schweizer Politik und die Schweizer Wirtschaft bis heute schwer.[48][49] Die Schweiz vermied es lange Zeit, sich seiner kolonialen Vergangenheit zu stellen. An den Schulen wurde im Geschichtsunterricht nichts von der kolonialen Vergangenheit der Schweiz gelehrt. Da die Schweiz keine eigenen Kolonien hatte, gibt es in der Schweiz, ganz im Gegensatz zu z.B. Grossbritannien, wenig sichtbare Spuren der kolonialen Vergangenheit. Erst im Zuge der weltweiten Black Lives Matter-Kundgebungen nach dem gewaltsamen Tod von Georg Floyd in den USA im Frühjahr 2020 wurde die koloniale Vergangenheit der Schweiz einer breiten Bevölkerungsgruppe bewusst.[50] Die Schweizer Medien berichteten in der Folge in unzähligen Artikeln und Sendungen über das Thema. Dabei wurde keine strickte Trennung zwischen Sklavenhandel, Beihilfe zum Sklavenhandel und Plantagenbesitzern mit Sklavenarbeitern in fremden Kolonien gemacht.[51] Auch der Schweizer Bundesrat machte in seinen Stellungnahmen keine solche Unterscheidung und sprach von "Sklaverei" und meinte damit den Sklavenhandel und die Sklavenhaltung.[52] In die Medien- und Gesellschaftsdebatte um Sklaverei mischte sich auch die grundlegende Diskussion um Rassissmus gegenüber Schwarzen. Es sei nur auf die Diskussionen um das Wort Neger[53] und um die Süsssspeise Mohrenkopf verwiesen.[54]

Es gibt Wissenschafter, wie Patricia Purtschert, Schweizer Philosophin und Kulturwissenschaftlerin, die Parallelen zwischen dem Verdrängen der Kolonialen Vergangenheit mit der Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg ziehen (→ Abkommen über deutsche Vermögenswerte in der Schweiz und Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg). Auch damals gab es gegen die Aufarbeitung viel Widerstand in der Schweiz.[55]

Historischer Überblick der Massnahmen von Politik und Justiz gegen die Sklaverei

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  • 1789 wandte sich der Waadtländer Pfarrer Benjamin-Sigismond Frossard in seiner Schrift "La Cause des esclaves nègres et des habitants de la Guinée" gegen die Sklaverei. Die im Jahre 1815 gegründete Evangelische Missionsgesellschaft in Basel (Basler Mission) trat ab 1828 in Ghana gegen den Sklavenhandel ein. Die Gegner des Sklavenhandels begannen in der Schweiz in den 1860er Jahren sich zu organisieren, nachdem Henri Dunant 1857 in einer Broschüre die Sklaverei kritisiert hatte. In Lausanne und Genf bildeten sich Komitees für die Befreiung der Sklaven. Während dem Amerikanischen Bürgerkrieg sypathisierte die Schweizer Öffentlichkeit v.a. auf der Seite der Nordstaaten. Ausgewanderte Schweizer die selbst Klaven hielten, unterstützten selbstredend die Südstaaten.[56]
Das Originaldokument im Österreichischen Staatsarchiv
  • Auf britischen Druck hin wurde 1815 am Wiener Kongress in Artikel 118[57] der Kongressakte die Ächtung des Sklavenhandels (Die Declaration der Mächte über die Abschaffung des Negerhandels, vom 8. Februar 1815) festgelegt. Das Übereinkommen verzichtete auf ein konkretes Umsetzungsdatum. Mit dem Beschluss der europäischen Grossmächte wurde das Ende eines der ältesten und unmenschlichsten Geschäftszweige der Geschichte eingeleitet. Es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis die letzten Länder auf den Sklavenhandel verzichteten. Nach den USA im Jahr 1865 schaffte Brasilien 1888 als letzter Staat der Neuen Welt die Sklavenhaltung ab.[58]
  • Die Bundesverfassung von 1848 machte der Kapitulation (Truppenstellungsvertrag) ein Ende. Ihr Abschluss wurde 1849 verboten und die noch bestehenden 1859 durch die Bundesversammlung aufgehoben. Nach dem Bundesgesetz von 1859[59] war dem Schweizer Bürger der individuelle fremde Dienst nach wie vor erlaubt, solange er seine schweizerische Steuer- und Militärdienstpflicht nicht vernachlässigte. Wenn er in fremde, nicht nationale Truppen eintreten wollte, benötigte er die Bewilligung des Bundesrates, der diese «zum Zwecke der Ausbildung im Interesse der Schweizer Armee» erteilen konnte. Das Militärstrafgesetz von 1927 stellte schliesslich auch diesen individuellen fremden Dienst von Schweizer Bürgern generell unter Strafe, sofern er nicht vom Bundesrat bewilligt wurde.
  • Im Bewusstsein, dass die Sklaverei ein Unrecht war, reichte der Schaffhauser Nationalrat Wilhelm Joos 1863 eine Motion ein, in der er anfragte, wie man denn mit Schweizern umzugehen gedenke, die im Ausland noch immer Sklaven hielten. Joost forderte, dass «derjenige Schweizer, welcher Sklaven erwirbt oder veräussert […] sich eines Vergehens schuldig» mache und so «jeden Schutz der eidgenössischen Behörden und Konsulate» verlieren solle. Der Schweizer Bundesrat war der Ansicht, dass die Exil-Schweizer dazu ein Recht hätten. So schreibt er im Jahr 1864 in der Antwort auf die Motion-Joost: «Die gemietheten Neger sind in der Regel verdorbene Individuen». «Deshalb sei es», so der Bundesrat weiter, «von den in Brasilien niedergelassenen schweizerischen Handwerkern vorteilhaft und zeitgemäss, sich Negerknaben zu kaufen und ihnen das Handwerk zu lehren. Für gute Sklaven muss man einen höheren Ankaufspreis bezahlen, will man Jahre lang verlässige Dienstboten besitzen.» [60] Und weiter: «So wenig als der Fabrikbesitzer ohne Arbeiter den Betrieb seines Etablissements fortsetzen kann, eben so wenig kann der Plantagenbetreiber in Brasilien seine Ländereien ohne Sklaven bebauen.»[61] Die Motion wurde am 10. Dezember 1864 mit 56 zu 21 Stimmen durch den Nationalrat abgelehnt.[62]
    Die Antwort der Landesregierung und der Entscheid des Nationalrats können als charakteristisch für die Geisteshaltung bezeichnet werden, die damals in der Schweiz zum Thema Sklaverei herrschte, obwohl die Sklaverei in Europa vom Wiener Kongress schon ein halbes Jahrhundert zuvor abgeschafft worden war. In der Schweiz betrachtete man den «Neger» auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zumindest für die Auslandschweizerkolonien, noch immer als begehrte Arbeitskraft und wichtige Einkommensquelle. Finanzielle Aspekte überwogen anscheinend die humanistische Forderungen nach Ächtung der Sklavenhaltung. «Die Reaktion der Bundesbehörden war von den Normen geprägt, die in den 1860er Jahren vorherrschten», erklärte der Bundesrat 2018 als Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema «Sklaverei-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Banken» durch die Nationalrätin Claudia Friedl von der SP.[63]
  • Nach dem 1. Weltkrieg unterzeichnete die Schweiz eine Reihe von internationaler Abkommen gegen die Sklaverei, so 1926 das Sklavereiabkommen des Völkerbunds[64] sowie 1956 ein Zusatzabkommen der UNO über die Abschaffung der Sklaverei, den Sklavenhandel und sklavereiähnlichen Praktiken.[65] 1974 unterzeichnete die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention, die in Art. 4 ein Verbot der Sklaverei enthält. 1992 ratifizierte die Schweiz den UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte von 1966, welcher in Art. 8 die Sklaverei ebenfalls untersagt.
Alfred-Escher-Denkmal und Südportal des Hauptbahnhofes
  • 1994 stimmte das Schweizer Stimmvolk dem Artikel 261bis StGB, dem sogenannten Antirassismusgesetz oder Rassismusartikel zu. Er stellt öffentliche Rassendiskriminierung und Volksverhetzung unter Strafe.
  • Im Herbst 2001 wurde Sklavenhandel anlässlich der UNO-Konferenz gegen Rassismus in Durban zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt. Zu den 163 unterzeichnenden Ländern gehörte auch die Schweiz. Anlässlich der UNO-Konferenz formulierten Schweizer Vertreter in völliger Unkenntnis der bekannten historischen Forschungen, dass "die Schweiz «mit Sklavenhandel und Kolonialismus nichts zu tun gehabt habe»."[66]
  • In Antworten auf parlamentarische Anfragen brachte der Bundesrat 2003, 2006, 2014 und 2018 zum Ausdruck, "dass er aus heutiger Perspektive zutiefst bedaure, dass in der Vergangenheit Schweizer Bürger, Unternehmen und Organisationen an der Sklaverei beteiligt waren."[67]
  • 2019 erteilte die Stadt Zürich, im Zuge des 200. Geburtstag von Alfred Escher, der Universität Zürich den Auftrag, die Verstrickung der Stadt in die Sklaverei zu untersuchen. Der Bericht wurde im Herbst 2020 vorgestellt. Zürich war durch die Baumwolldruckereien, den Finanzinvestitionen in die South Sea Company sowie durch die Familie Escher in die Sklaverei verstrickt. Sie war jedoch nie ein "big player" im Sklavengeschäft.[68] [69] Die Studienautoren schreiben: "Festzuhalten bleibt, dass Zürcher Kapital einen kleinen aber nicht unbedeutenden Teil des Sklavenhandels und der transatlantischen Plantagenwirtschaft finanzierte".[70][71]
  • Im Nachgang zum im Herbst 2020 veröffentlichten Bericht der Universität Zürich, lässt die Stadt Zürich 80 Denkmäler durch eine Expertenkommission überprüfen. Bei der Überprüfung geht es darum, ob die Denkmäler Bezüge zur Sklaverei aufweisen oder rassistisch sind. Auch die Statue von Alfred Escher auf dem Bahnhofsplatz will die Stadt untersuchen lassen.[72]

Auswirkungen auf die moderne Schweiz

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In welchem Ausmasse der Wohlstand der modernen Schweiz unmittelbar aus dem Sklavenhandel und dem Kolonialismus resultiert, ist in Fachkreisen umstritten und wird kontrovers diskutiert. Dass einzelne Familien dadurch zu grossem, für damalige Verhältnisse unermesslichen Reichtum kamen, ist unumstritten und belegt. [73][74]

  • Eric Eustace Williams, Historiker und erster Premierminister von Trinidad und Tobago, machte in seinem 1944 erschienenen Buch Capitalism and Slavery zusammenfassend folgende, als Williams-These bekannte Aussage: Die Gewinne aus dem Sklavenhandel sowie die billigen Rohstoffe hätten die europäische Entwicklung massgeblich vorangetrieben und die Industrielle Revolution erst ermöglicht. Seine These wurde seither von vielen Historikern als einseitig kritisiert. Wohl wird von allen Historikern anerkannt, dass Williams zu einem frühen Zeitpunkt eine wichtige Diskussion entfacht hat, aber seine These findet kaum noch Anhänger.[75]
  • In einer vielbeachteten Studie aus dem Jahre 2005 argumentierten die Ökonomen Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson gegen die von Williams aufgestellte These. Das Volumen und die Gewinne, die im transatlantischen Handel erzielt wurden, seien zu gering gewesen, als dass sie eine grosse direkte Rolle für das Wirtschaftswachstum Europas und somit auch der Schweiz, hätten spielen können. Die drei Ökonomen betonten in ihrer Studie vielmehr, dass dadurch ein fundamentaler institutioneller Wandel angestossen worden sei. Die Gewinne aus dem Hochrisiko-Geschäft „Sklavenhandel“ seien konzentriert angefallen und hätten einige wenige zu reichen Leuten gemacht. Dadurch stieg besonders in Ländern wie Grossbritannien oder den Niederlanden – mit Abstrichen auch in der Schweiz – der Einfluss der kommerziellen Interessen ausserhalb der höfischen oder etablierten Zirkel. Über diesen Kanal festigten sich vermehrt politische und rechtliche Institutionen, welche die königliche Macht einschränkten.[76]
  • In ihrem neuen Übersichtswerk vom Februar 2020 The Origins of Globalization: World Trade in the Making of the Global Economy, 1500–1800.[77] fassen die beiden auf die historische Globalisierungsforschung spezialisierten Niederländer Pim de Zwart und Jan Luiten van Zanden den aktuellen Stand der Forschung wie folgt zusammen: «Die meisten Forschungsarbeiten, welche die Gewinne aus dem Sklavenhandel und dem Plantagensystem untersucht haben, bestreiten, dass diese Gewinne deutlich höher waren als die Erträge aus anderen Geschäftstätigkeiten und dass diese Gewinne in denjenigen Branchen investiert wurden, die für die industrielle Revolution wichtig waren, nämlich in der Eisen-, Kohle- und Textilindustrie.»
  • Gemäss dem Schweizer Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann entspricht die Aussage, dass der Reichtum der modernen Schweiz ohne den Sklavenhandel nicht möglich gewesen wäre, nicht der gängigen aktuellen Lehrmeinung. Grundlage des europäischen Reichtums sei die Industrialisierung mit einer im 19. Jahrhundert sprunghaft angestiegenen Innovationsrate gewesen. Die moderne Forschung habe gemäss Straumann errechnet, dass der Anteil des Sklavenhandels und der Sklavenwirtschaft an der britischen Gesamtwirtschaft relativ gering war. Die beiden Wirtschaftszweige machten weniger als zehn Prozent aus, sowohl was die Beschäftigung als auch den Beitrag zur Wertschöpfung anbelangte. Ausserdem gibt Straumann noch zwei weitere Punkte zu Bedenken: 1. Wenn die Williams-These richtig wäre, hätte in Portugal die Industrialisierung sehr früh einsetzen müssen. Der Sklavenhandel und die kolonialen Zuckerplantagen hatten für die portugiesische Wirtschaft jahrhundertelang eine viel grössere Bedeutung als für die britische. 2. Während dem Sklavenhandel profitierten auch die afrikanischen und arabischen Sklavenverkäufer davon und erzielten über Jahrhunderte hohe Gewinne. Trotzdem kam an den westafrikanischen Küstengebieten und im arabischen Raum keine Industrialisierung in Gang.[78][79]
  • Harald Fischer-Tiné, Professor für die Geschichte der modernen Welt an der ETH Zürich sieht den Zusammenhang zwischen Sklaverei und heutigem Wohlstand der Schweiz enger. Er geht davon aus, dass die Gewinne aus dem Sklavenhandel zur Entstehung einer prosperierenden Textilwirtschaft und somit zur Industrialisierung beigetragen haben. Da viele Finanzinstitute und Industriebetriebe ihre Archive nach wie vor unter Verschluss halten, sei es schwierig, diese Einflüsse konkret zu beziffern. Da zahlreiche Quellen vernichtet wurden, sei es für Historiker schwierig nachzuvollziehen, wohin das Geld aus dem Sklavenhandel geflossen sei. Um das ganze Ausmass der kolonialen Verstrickungen der Schweiz sichtbar zu machen, müssten die Unternehmen und Familien, die durch den Sklavenhandel reich wurden, ihre Archive öffnen.[80]
  • Thomas David, Bouda Etemad, Janick M. Schaufelbuehl: Schwarze Geschäfte. Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert. Limmat, Zürich 2005, ISBN 978-3-85791-490-4.
  • Hans Fässler: Reise in Schwarz-Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei. Rotpunktverlag, Zürich, 2005, ISBN 978-3-85869-303-7.
  • Ronald Segal: The Black Diaspora: Five Centuries of the Black Experience Outside Africa. Farrar, Straus and Giroux, New York 1995, ISBN 0-374-11396-3.
  • Niklaus Stettler, Peter Haenger, Robert Labhardt: Baumwolle, Sklaven und Kredite. Die Basler Welthandelsfirma Christoph Burckhardt & Cie. in revolutionärer Zeit (1789–1815). Christoph Merian, Basel 2004, ISBN 978-3-85616-212-2.
  • Joseph Jung: Alfred Escher 1819–1882. Aufstieg, Macht, Tragik. 6. Auflage. NZZ Libro, Zürich 2007, ISBN 978-3-03810-274-8.
  • Michael Zeuske: Handbuch Geschichte der Sklaverei. Eine Globalgeschichte von den Anfängen bis heute. 2 Bände, stark überarbeitete und erweiterte 2. Auflage. De Gruyter, New York/Berlin 2019, ISBN 978-3-11-055884-5.

Einzelnachweise

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  1. Schweiz und Sklaverei - Wie die Schweiz vom Sklavenhandel profitierte In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 6. Januar 2021
  2. Die Sklaverei und die Schweiz - «Rassismus ist die DNA Europas» In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 26. Januar 2018
  3. Adrian Ritter, Universität Zürich Die Sklaverei wirkt nach
  4. Neue Studie zeigt: Die Stadt Zürich und viele Unternehmerfamilien haben von der Sklaverei profitiert In: Neue Zürcher Zeitung vom 29. September 2020]
  5. Parlament.ch: Sklaverei-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Banken vom 6. März 2018
  6. Patricia Purtschert, Barbara Lüthi, Francesca Falk: Postkoloniale Schweiz: Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, S.13, 2012 transcript Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-8376-1799-3
  7. Ronald Segal: The Black Diaspora: Five Centuries of the Black Experience Outside Africa. Farrar, Straus and Giroux, New York 1995, ISBN 0-374-11396-3, S. 4.
  8. Noëmi Crain Merz: Der transatlantische Sklavenhandel Auf: Schweizerisches Nationalmuseum
  9. Osterhammel, Jürgen (1995): Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, München: Beck, S. 19–21.
  10. Hans Köchler: Demokratie und neue Weltordnung: ideologischer Anspruch und machtpolitische Realität eines ordnungspolitischen Diskurses. AG Wissenschaft und Politik, 1992. S. 9, 26.
  11. cooperaxion.org: Leu & Co., Bank Leu (Firma)
  12. Marc Tribelhorn, Lea Haller: «Tatsache ist, dass Schweizer Akteure signifikant am Geschäft mit den Kolonien beteiligt waren und dass es eine Debatte darüber braucht» In: Neue Zürcher Zeitung vom 10. Juli 2020
  13. Thomas David, Bouda Etemad, Janick M. Schaufelbuehl: Schwarze Geschäfte - Die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert. Limmat Verlag, Zürich 2005, ISBN 978-3-85791-490-4.
  14. cooperaxion.org: Staat Bern
  15. cooperaxion.org: Stadt Zürich
  16. Schweizer Sklavenhandel: Die Schweizer Sklavenhändler In: Handelszeitung vom 30. Juni 2004
  17. cooperaxion.org: Merian, Frères Merian (Firma)
  18. cooperaxion.org: Pury David (de)
  19. cooperaxion.org: Pury James-Ferdinand de
  20. cooperaxion.org: Pury Jean-Pierre (de)
  21. cooperaxion.org: Picot & Fazy (Firma): Fazy Jean Samuel
  22. Die Schaffhauser Financiers des Sklavenhandels In: Schaffhauser AZ vom 18. August 2020
  23. cooperaxion.org: Hottinger (Hottinguer) Jean (Hans) Conrad
  24. Anneliese Tenisch: Die schwarze Seite von Neuenburg. Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 1. November 2013, abgerufen am 5. Oktober 2016 (Schweizer Hochdeutsch).
  25. cooperaxion.org: Pierre-AlexandreDuPeyrou
  26. Lucienne Hubler: Pierre-AlexandreDuPeyrou. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  27. Neuenburgs «schwarze Seite» In: Neue Zürcher Zeitung vom 17. August 2012
  28. cooperaxion.org: Pourtalès & Cie. (Firma): Pourtalès Jacques-Louis (de)
  29. Myriam Volorio Perriard: Jacques-Louis dePourtalès. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  30. cooperaxion.org: Bourcard Christophe
  31. Christoph Burckhardt: Wie ein Basler Daigler mit Sklaven handelte und wie seine Nachfahren alles vertuschen wollten In: Bz Basel vom 13. Juni 2020
  32. Niklaus Stettler, Peter Haenger, Robert Labhardt: Baumwolle, Sklaven und Kredite die Basler Welthandelsfirma Christoph Burckhardt & Cie. in revolutionärer Zeit (1789–1815). Christoph Merian, Basel 2004, ISBN 978-3-85616-212-2.
  33. Zeuske, Michael, author.: Handbuch Geschichte der Sklaverei : eine Globalgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2019, ISBN 978-3-11-055884-5.
  34. Jung, Joseph, 1955- Verfasser.: Alfred Escher 1819–1882 : Aufstieg, Macht, Tragik. 2007, ISBN 978-3-03810-274-8.
  35. cooperaxion.org: Escher-Zollikofer Heinrich
  36. Marcel Mayer: Leinwand. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  37. cooperaxions.ch: Johannes Zellweger-Hirzel
  38. cooperaxions.ch: Jacob Zellweger-Wetter
  39. cooperaxion.org: Huguenin Philippe
  40. cooperaxion.org: Flach Johannes (Hans)
  41. Als Schweizer Sklaven hielten In: Neue Zürcher Zeitung vom 2. März 2018
  42. Kulturplatz: Sklavenhandel — Auch Schweizer profitierten von der Ausbeutung der Schwarzen] In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 12. Januar 2005
  43. Rudolf von Albertini, Albert Wirz: Kolonialismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  44. Alain-Jacques Czouz-Tornare / ANS: Reisläufer. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  45. cooperaxion.org: Isaac Miville
  46. «Tatsache ist, dass Schweizer Akteure signifikant am Geschäft mit den Kolonien beteiligt waren und dass es eine Debatte darüber braucht» In: Neue Zürcher Zeitung vom 10. Juli 2020
  47. cooperaxion.org: 1. Bataillon der 3. Helvetischen Halbbrigade
  48. K.J. Kuhn, B. Ziegler: Die Schweiz und die Sklaverei: zum Spannungsfeld zwischen Geschichtspolitik und Wissenschaft, S.2, 2009, Universität Zürich
  49. Das Geschäft mit den "Wilden" In: Frankfurter Rundschau vom 3. März 2019
  50. Patricia Purtschert, Barbara Lüthi, Francesca Falk: Postkoloniale Schweiz: Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, 2012 transcript Verlag, Bielefeld, ISBN 978-3-8376-1799-3
  51. Rassismus und die Schweiz - «Die Schweiz hat eine koloniale Vergangenheit ohne Kolonien» In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 22. Juli 2020
  52. Parlament.ch: Sklaverei-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Banken vom 6. März 2018
  53. Hausfrauen, «Neger» und Bergsteiger sind sich näher, als man meinen könnte In: Neue Zürcher Zeitung vom 13. August 2020
  54. Debatte um Schokogebäck - Was hinter dem «Mohrenkopf» steckt In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 11. Juni 2020
  55. «Die Schweizer Beteiligung am Kolonialismus war sehr viel stärker, als viele annehmen» In: Watson (Nachrichtenportal) vom 21. Juni 2020
  56. Peter Walliser: Sklaverei. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  57. Die Wiener Kongressakte (1815)
  58. Am 8. Februar 1815 wurde auf dem Wiener Kongress der Sklavenhandel abgeschafft - die Sklaverei existierte weiter. Auf: TU Graz - Graz University of Technology]
  59. admin.ch: Kreisschreiben des Bundesrates an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend Vollziehung des Bundesgesetzes über die Werbung und den Eintritt in fremden Kriegsdienst. (Vom 16. August 1859.)
  60. Schweizer Sklavenhandel: Die Schweizer Sklavenhändler In: Bilanz (Schweizer Wirtschaftsmagazin) vom 30. Juni 2004
  61. Als Schaffhauser Sklaven hielten In: Schaffhauser Nachrichten vom 23. August 2019] (kostenpflichtig)
  62. Admin.ch: Bericht des Bundesrates an den h. Nationalrat, betreffend Strafbestimmungen gegen Schweizer in Brasilien, welche Sklaven halten. (Vom 2. Dezember 1864.)
  63. Parlament.ch: Sklaverei-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Banken vom 6. März 2018
  64. admin.ch: Sklavereiabkommen, 25. September 1926
  65. admin.ch: Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken, 7. September 1956
  66. K.J. Kuhn, B. Ziegler: Die Schweiz und die Sklaverei: zum Spannungsfeld zwischen Geschichtspolitik und Wissenschaft, S.2, 2009, Universität Zürich
  67. Parlament.ch: Sklaverei-Vergangenheit der Schweiz und ihrer Banken vom 6. März 2018
  68. Neue Studie - Wie Zürich von der Sklaverei profitierte In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 29. September 2020
  69. Neue Studie zeigt: Die Stadt Zürich und viele Unternehmerfamilien haben von der Sklaverei profitiert In: Neue Zürcher Zeitung vom 29. September 2020]
  70. Medienmitteilung Universität Zürich: Zürich war in Sklaverei verstrickt durch Staatsanleihen, Handel und Plantagen vom 29. September 2020
  71. Prof. Dr. Gesine Krüger, Marcel Brengard, Frank Schubert und Lukas Zürcher, Universität Zürich: Die Beteiligung der Stadt Zürich sowie der Zürcherinnen und Zürcher an Sklaverei und Sklavenhandel vom 17. bis ins 19. Jahrhundert, Zürich, 2. September 2020
  72. Reaktion auf Sklaverei-Studie - Zürich: Wackelt jetzt die Statue von Alfred Escher? In: Schweizer Radio und Fernsehen vom 29. September 2020
  73. Was der transatlantische Sklavenhandel mit der Schweiz und dem Aufstieg Westeuropas zu tun hat In: Neue Zürcher Zeitung vom 22. Juni 2020
  74. Sven Beckert und Pepijn Brandon: NZZ am Sonntag Mit Blut und Schweiss: Wie Amerika und Europa dank der Sklaverei reich wurden
  75. Gerald Hosp: Was der transatlantische Sklavenhandel mit der Schweiz und dem Aufstieg Westeuropas zu tun hat. In: Neue Zürcher Zeitung vom 22. Juni 2020
  76. The Rise of Europe: Atlantic Trade, Institutional Change,and Economic Growth By Daron Acemoglu,Simon Johnson and James Robinson.
  77. The Origins of Globalization: World Trade in the Making of the Global Economy, 1500–1800. by Pim de Zwart and Jan Luiten van Zanden
  78. Tobias Straumann: Europas Wohlstand basiert nicht auf dem Sklavenhandel In: NZZ am Sonntag vom 20. Juni 2020
  79. Tobias Straumann: Sind wir so reich, weil die andern so arm sind?
  80. Unsere koloniale Vergangenheit - Auch die Schweiz verdiente Geld mit Sklaven In: Blick online vom 20. Juni 2020

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