Mischgliom

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Klassifikation nach ICD-10
D33 Gutartige Neubildung des Gehirns und Zentralnervensystems
D43 Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens des Gehirns und des Zentralnervensystems
C71 Bösartige Neubildung des Gehirns
C72 Bösartige Neubildung des Rückenmarkes, der Hirnnerven und anderer Teile des Zentralnervensystems
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Mischgliome oder Oligoastrozytome sind diffuse Gliome des mittleren Erwachsenenalters, welche Anteile eines Oligodendroglioms und eines Astrozytoms aufweisen. Sie werden nach der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems in Oligoastrozytome WHO-Grad II und anaplastische Oligoastrozytome WHO-Grad III eingeteilt. Oligoastrozytome werden den oligodendroglialen Tumoren zugerechnet.

Die Ursache von Oligoastrozytomen ist unbekannt. Es gibt Einzellfallberichte oligodendroglialer Tumoren, welche im Kontext von Narben nach ZNS-Bestrahlung oder Hirnverletzungen auftraten. Auch wurden einzelne oligodendrogliale Tumoren bei Patienten mit einer Multiplen Sklerose beobachtet. In singulären Familien traten oligodendrogliale Tumoren gehäuft auf.

Klinische Symptome

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Wie bei allen Gliomen leiden Patienten unter allgemeinen Hirndruckzeichen wie Kopfschmerzen, anhaltender Übelkeit und Erbrechen. Viele Patienten werden erstmals durch einen epileptischen Anfall auffällig. Zudem kommen Herdsymptome hinzu, abhängig von der Lokalisation des Tumors im Gehirn.

Die präoperative Magnetresonanztomographie (MRT) mit und ohne Kontrastmittelgabe ist unterdessen die primäre Bildgebung geworden. Zum Teil wird eine Magnetresonanztomographie auch postoperativ empfohlen. Kontrastmittelanreicherung im Tumor wird als Zeichen der Anaplasie interpretiert. Die Computertomografie (CT) findet ebenfalls Verwendung.

Oligoastrozytom WHO II, links oligodendroglial differenzierte hellzellige Tumorzellen, rechts astrozytäre Morphologie mit kurzen Fortsätzen

Zu den histologischen Eigenschaften und der Graduierung der oligodendroglialen Komponente siehe →Oligodendrogliom und zur astrozytären Komponente siehe →Astrozytom.

Oligoastrozytome sind neuropathologisch undankbare Tumoren, da es keine scharf definierten Grenzen zwischen dem Anteil an der oligodendroglialen und der astrozytären Komponente gibt. Obwohl eine Vielzahl an Grenzen vorgeschlagen wurden, ist eine solche Definition praktisch nicht möglich: Ein histologischer Schnitt ist immer nur ein zweidimensionaler Ausschnitt eines räumlichen Prozesses. Der Pathologe beurteilt diesen Schnitt unter der Annahme, dass er repräsentativ für das restliche Gewebe ist. Aber eine quantitative Beurteilung scheitert bei einem solchen Konzept zwangsläufig.

Ein weiteres erschwerendes Problem der histopathologischen Diagnostik sind die reaktiven Astrozyten in einem glialen Tumor. Bei diesen Zellen handelt es sich um eine Reaktion der nicht-tumorösen Glia des ZNS auf die Schädigung durch den Tumor. Reaktive Astrozyten sind z. T. jedoch schwer von astrozytären Tumorzellen zu differenzieren.

Es wird z. T. zwischen biphasischen Oligoastrozytomen mit einer eindeutigen oligodendroglialen und einer astrozytären Komponente und zwischen diffusen Oligoastrozytomen unterschieden. Bei diesen Tumoren finden sich einzelne astrozytäre Tumorzellen zwischen oligodendroglialen Tumorzellen. Allerdings konnte bisher nicht gezeigt werden, dass diese einzelnen astrozytären Tumorzellen auch wirklich Tumorzellen und nicht reaktive Astrozyten sind (s. o.). Aufgrund dieser nicht scharfen Abgrenzung zwischen Oligodendrogliomen und Oligoastrozytomen variiert die Inzidenz des Oligoastrozytoms erheblich, einige Neuropathologien versuchen die Diagnose weitgehend zu vermeiden, andere stellen sie häufiger als die des Oligodendroglioms.

Ein weiteres Problem von Oligoastrozytomen ist die Graduierung: nach der WHO-Definition astrozytärer Tumoren ist der Nachweis mehr als einer Mitose bereits ein wichtiger Grund, den Tumor als anaplastisches Astrozytom WHO-Grad III zu graduieren. Bei Oligodendrogliomen hingegen sind für einen WHO-Grad II auch mehrere Mitosen erlaubt. Somit kann es vorkommen, dass der gleiche Tumor von einer Neuropathologie als Oligodendrogliom WHO-Grad II, von der anderen als anaplastisches Oligoastrozytom WHO-Grad III beurteilt wird. Das erfordert jedoch unterschiedliche therapeutische Konzepte (s. u.).

Immunhistochemie

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Der wichtigste immunhistochemische Marker sind GFAP-spezifischer Antikörper, welche astrozytäre, nicht aber die oligodendroglialen Tumorzellen markieren. Weiterhin sollte die Proliferationsrate mittels Mib1-spezifischen Antikörpern bestimmt werden.

Molekularpathologie

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Oligoastrozytome weisen zumeist entweder einen oligodendroglialen (Allelverlust 1p/19q) oder einen astrozytären Genotyp (TP53-Mutationen) auf. Diese beiden pathogenetischen Veränderungen sind exklusiv. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass beide histologische Komponenten des Oligoastrozytoms einen identischen Genotyp aufweisen, d. h. das Oligoastrozytom ist monoklonalen Ursprungs. Im Zuge des Übergangs zur Anaplasie werden unter anderem homozygote Deletionen auf dem chromosomalen Arm 9p mit den Tumorsuppressorgenen CDKN2A und CDKN2B gesehen. Weiterhin kommen Allelverluste auf Chromosom 10 vor.

Die Ursprungszelle des Oligoastrozytoms ist nicht bekannt. Ob es sich um Tumoren handelt, welche aus der Glia entstehen, wie der Name der glialen Tumoren suggeriert, ist fraglich. Eher handelt es sich bei glialen Tumoren um maligne transformierte gliale Vorläuferzellen oder sogar um entartete Stammzellen. Hierfür bietet die aktuelle wissenschaftliche Literatur einen gewissen Anhalt. Eine interessante Beobachtung ist der Nachweis der Monoklonalität von Oligoastrozytomen. Aus der Beobachtung, dass beide histologischen Komponenten die gleichen genetischen Veränderungen aufweisen, kann man folgern, dass die postulierte entartete Vorläuferzelle das Potential besitzt, entweder einen astrozytären oder oligodendroglialen Phänotyp anzunehmen. Somit kann die Hypothese formuliert werden, dass der gliale Phänotyp weniger Folge eines spezifischen pathogenetischen Genotyps ist, sondern mehr von nicht bekannten geweblichen Umweltfaktoren determiniert wird. In der überspitzten Form können eventuell Oligoastrozytome als Modell herangezogen werden, um zu zeigen, dass die morphologische Klassifikation glialer Tumoren weiter vom tatsächlichen Tumor als die genetische Klassifikation entfernt ist.

Die Therapie von Oligoastrozytomen ist gleich der von Oligodendrogliomen und Astrozytomen. Im Vordergrund steht die operative Resektion des Tumors. Aufgrund des infiltrativen Wachstumscharakters von Gliomen ist eine Heilung durch eine Operation kaum möglich. Allerdings wird durch eine Resektion das Tumorvolumen reduziert, so dass u. a. die Hirndruckproblematik entschärft wird und weniger Zellmasse vorhanden ist, die weiter entdifferenzieren kann. Bei anaplastischen Oligoastrozytomen WHO-Grad III wird zudem eine Strahlentherapie von 50 bis 60 Gy empfohlen. Als Alternative kommt eine BCNU-Chemotherapie in Frage. Offenbar sind die Oligoastrozytome mit einem oligodendroglialen Genotyp (Allelverlust 1p/19q) deutlich vulnerabler bezüglich einer Strahlen- und Chemotherapie als solche Tumoren ohne Verluste. Eine Bestimmung von Allelverlusten auf 1p und 19q sollte angestrebt werden.

Aufgrund der diagnostischen Unschärfe bei oligoastrozytären Tumoren ist es schwer, verschiedene Studien miteinander zu vergleichen. Eventuell ist der Nachweis von Allelverlusten auf 1p und 19q für die Prognose wichtiger als die Histologie. Insgesamt liegt die Prognose von Oligoastrozytomen ähnlich der von Oligodendrogliomen und Astrozytomen.

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