Projekt Kuiper
Das Projekt Kuiper ist eine geplante Konstellation von Kommunikationssatelliten des Amazon-Konzerns. Sie soll ab 2024 aufgebaut werden und mittels 3236 Satelliten und entsprechenden Bodenstationen einen Breitband-Internetzugang in den meisten Ländern der Welt bereitstellen.[1] Amazon möchte mehr als 10 Milliarden US-Dollar in dieses Satellitennetzwerk investieren.[2]
Namensgeber des Projekts ist der nach dem Astronom Gerard Peter Kuiper benannte Kuipergürtel,[3] ein Bereich des Sonnensystems jenseits der Neptunbahn, in dem zahlreiche Asteroiden um die Sonne kreisen.
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Entwicklung und den späteren Betrieb des Systems ist das Amazon-Tochterunternehmen Kuiper Systems in Washington, D.C. verantwortlich.[4] Das Topmanagement des Unternehmens rekrutierte Amazon aus ehemaligen Mitarbeitern des Konkurrenten SpaceX, der damals selbst die große Internet-Satellitenkonstellation Starlink vorbereitete. Dessen CEO Elon Musk hatte im Oktober 2018 das Starlink-Management ausgetauscht, weil er mit der Fortschrittsgeschwindigkeit des Projekts unzufrieden war.[5][6] Mitte 2023 beschäftigte Kuiper Systems über 1400 Mitarbeiter.[7]
Geplanter Aufbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Publik wurde das Projekt Kuiper durch die Pflichtveröffentlichung von drei Anträgen für internationale Funkfrequenzen im März 2019.[8][9][10][11] Weitere Details sind dem entsprechenden Antrag für US-Funkfrequenzen vom Juli 2019 zu entnehmen.[12] Die Anträge umfassen drei Gruppen von geplanten „KuiperSat“-Satelliten in drei verschiedenen Umlaufbahnkategorien:[8][13]
- 784 Satelliten in Höhen um 590 km, Bahnneigung 33°
- 1296 Satelliten in Höhen um 610 km, Bahnneigung 52°
- 1156 Satelliten in Höhen um 630 km, Bahnneigung 42°
Hiermit ließe sich die Erdoberfläche zwischen etwa 56 Grad nördlicher und südlicher Breite abdecken. In diesem Bereich leben zirka 95 % der Weltbevölkerung.[8]
Der Aufbau der Konstellation soll ab 2024 in fünf Phasen erfolgen, beginnend mit 578 Satelliten um 630 km Höhe und einem Netzwerk aus Bodenstationen („Gateway earth stations“). Bereits nach dieser ersten Phase kann das System in Betrieb gehen, allerdings nur mit einer Abdeckung im Bereich von 39–56° nördlicher und südlicher Breite.[13] Die Satelliten sollen durch Laserlinks direkt miteinander vernetzt werden.[14]
Die Lizenzbedingungen für die genehmigten Funkfrequenzen verpflichten Amazon dazu, die Hälfte der 3236 Satelliten bis 2026 in Betrieb zu nehmen und die übrigen bis 2029.[15]
Umsetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Amazon begann im Sommer 2023 mit dem Bau einer Fabrik für die Kuiper-Satelliten im Industriepark des NASA-Weltraumbahnhofs Kennedy Space Center am Cape Canaveral.[16] In unmittelbarer Nachbarschaft produzierte Airbus die Internetsatelliten der OneWeb-Konstellation; zudem befindet sich dort die Raketenfabrik des Unternehmens Blue Origin des Amazon-Gründers Jeff Bezos.
Für den Start der Satelliten möchte Amazon die Dienste verschiedener Raumfahrtunternehmen nutzen.[17] Die ersten neun Starts wurden im Jahr 2021 bei der United Launch Alliance gebucht; zum Einsatz kommen die Restbestände von deren bewährter, aber abgekündigter Rakete Atlas V.[18][19] 2022 buchte Amazon bis zu 83 weitere Starts durch die Unternehmen Arianespace, Blue Origin, und United Launch Alliance mit deren in Entwicklung befindlichen neuen Trägerraketen.[20] 18 dieser Starts sollen mit der Ariane 6 erfolgen, 12 mit der New Glenn mit einer Option für 15 weitere Starts und 38 mit der Vulcan.[21] 16 Monate nach der Auftragsvergabe verklagte ein institutioneller Amazon-Aktionär das Unternehmen, weil es keine Startaufträge für die preiswertere Rakete Falcon 9 des Unternehmens SpaceX vergeben hatte, mit dessen marktführender Starlink-Satellitenkonstellation das Projekt Kuiper konkurriert.[22] Drei Monate später – im Dezember 2023 – beauftragte Amazon auch drei Kuiper-Starts mit Falcon-9-Raketen; ein Zusammenhang mit der Klage bestehe nicht.[23]
Der Start der ersten zwei KuiperSat-Prototypen erfolgte am 6. Oktober 2023 mit einer Atlas V und unter einer Geheimhaltung, wie sie sonst bei militärischen und nachrichtendienstlichen Satelliten üblich ist.[24] Die beiden Satelliten hätten eigentlich schon 2022 mit der neuen Kleinrakete RS1 starten sollen. Nachdem der erste Probeflug der RS1 fehlschlug, waren sie auf die erste Vulcan umgebucht worden,[25] dann nach der Explosion der für den Start vorgesehenen Vulcan-Centaur-Raketenoberstufe auf die Atlas V.[26] Die Tests mit diesen beiden Satelliten verliefen nach Angaben von Amazon erfolgreich; im Januar 2024 könne die Serienproduktion beginnen.[27]
Liste der Satellitenstarts
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lfd. Nr. | Datum (UTC) | Trägerrakete | Startplatz | Satelliten | Umlaufbahn ca. | Anmerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 6. Okt. 2023 | Atlas V 501 | CCSFS SLC-41 | 2 | 495 km, 30° | Prototypen |
Geplant | ||||||
2 | 2024[28] | Atlas V 5xx[29] | ||||
Atlas V 5xx | 7 Starts | |||||
ab 2025[23] | Falcon 9 | 3 Starts | ||||
Vulcan VC6L[30] | 38 Starts | |||||
Ariane 6 | 18 Starts | |||||
New Glenn | 12–27 Starts | |||||
RS1 | 2 Starts[25] |
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Amazon plans nationwide broadband—with both home and mobile service. Ars Technica, 8. Juli 2019.
- ↑ Michael Sheetz: Amazon will invest over $10 billion in its satellite internet network after receiving FCC authorization. CNBC, 30. Juli 2020.
- ↑ Jeff Bezos and Elon Musk join the satellite space race. Financial Times, 2. Juni 2019.
- ↑ Jose Albuquerque: Coordination Request Information for a new NGSO/FSS satellite system, USASAT-NGSO-8C. (docx) In: itu.int. Kuiper Systems LLC, 26. März 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ Michael Sheetz: Bezos hired a SpaceX vice president to run Amazon’s satellite internet project after Musk fired him. In: cnbc.com. 7. April 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ Eric M. Johnson und Joey Roulette: Musk reportedly fired seven senior managers at SpaceX in hopes of getting his Starlink satellite internet project operational by 2020. In: Business Insider. Reuters, 31. Oktober 2018, abgerufen am 15. April 2019.
- ↑ Amazon picks Kennedy Space Center for Project Kuiper processing facility. Spacenews, 21. Juli 2023.
- ↑ a b c John Porter: Amazon will launch thousands of satellites to provide internet around the world. In: The Verge. 4. April 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ USA2019-12909. In: itu.int. 26. März 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ USA2019-12905. In: itu.int. 26. März 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ USA2019-13020. In: itu.int. 28. März 2019, abgerufen am 14. April 2019.
- ↑ Application for Fixed Satellite Service by Kuiper Systems LLC. In: fcc.report. Kuiper Systems LLC, 4. Juli 2019, abgerufen am 28. Juli 2019.
- ↑ a b Technical Appendix – Application of Kuiper Systems LLC for Authority to Launch and Operate a Non-Geostationary Satellite Orbit System in Ka-band Frequencies. In: fcc.report. Kuiper Systems LLC, 4. Juli 2019, S. 3–6, abgerufen am 28. Juli 2019.
- ↑ Project Kuiper prototypes successfully test inter-satellite optical links. Spacenews, 14. Dezember 2023.
- ↑ Amazon contracts nine Atlas 5 missions for Kuiper broadband satellites. In: Spacenews. 19. April 2022, abgerufen am 22. April 2021.
- ↑ Tyler Gray: KSC Flyover: SLC-40 crew tower rising, Roberts Road expansion detailed. Nasaspaceflight.com, 7. Oktober 2023.
- ↑ Twitter-Nachricht von Jeff Foust, 16. Dezember 2020.
- ↑ Amazon Secures United Launch Alliance’s Proven Atlas V Rocket for Nine Project Kuiper Launches. ULA-Pressemeldung vom 19. April 2021.
- ↑ Amazon secures United Launch Alliance Atlas V rockets for Project Kuiper. Amazon-Pressemeldung vom 19. April 2021.
- ↑ Project Kuiper secures up to 83 new launches to deploy satellites. 5. April 2022, abgerufen am 5. April 2022 (englisch).
- ↑ Eric Berger: Jeff Bezos and Amazon just hired everybody but SpaceX for Project Kuiper. 5. April 2022, abgerufen am 5. April 2022 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Seth Kurkowski: Amazon sued by shareholders for excluding SpaceX in Kuiper launch bid. In: Space Explored. 5. September 2023, abgerufen am 7. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ a b Amazon adds Falcon 9 to multi-billion-dollar Project Kuiper launch campaign. Spacenews, 1. Dezember 2023.
- ↑ William Harwood: Atlas 5 launches Amazon Kuiper satellites for tests of space-based internet service. Spaceflight Now, 7. Oktober 2023: „In a departure from normal practice for commercial, unclassified flights, ULA ended its realtime coverage shortly after stage separation, at the request of Amazon.“
- ↑ a b Michael Sheetz: Amazon changes rockets for launch of prototype Kuiper internet satellites, pushing mission to 2023. CNBC, 12. Oktober 2022.
- ↑ Amazon switches rocket, plans Kuiper Internet launch next month. Datacenterdynamics, 8. August 2023.
- ↑ Project Kuiper ready for satellite production after successful prototype tests. Spacenews, 16. Januar 2023.
- ↑ Protoflight: Project Kuiper payload placed atop Atlas V. ULA-Blog vom 29. September 2023.
- ↑ X-Nachricht von Tory Bruno, 19. Mai 2024.
- ↑ Twitter-Nachricht von Tory Bruno, 2. Dezember 2023.