Munitionsanstalt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Munitionsanstalt wurden im Deutschen Reich (1871–1945) heeres- bzw. wehrmachtseigene Einrichtungen bezeichnet, die hauptsächlich zur Laborierung und Lagerung von Munition dienten. Munitionsanstalten gab es bereits zur Zeit des Kaiserreiches sowie in Österreich-Ungarn.[1] Die Mehrzahl der deutschen Munitionsanstalten wurde jedoch erst während der nationalsozialistischen Diktatur (1933–1945) im Rahmen der Aufrüstung der Wehrmacht erbaut.

Irrtümlich als Munitionsanstalten bezeichnet werden in der Öffentlichkeit häufig auch die ebenfalls zur Zeit des Nationalsozialismus im Auftrag der Wehrmacht nach dem Montan-Schema errichteten Sprengstofffabriken, wie beispielsweise in Hessisch Lichtenau, Ueckermünde oder die Sprengstofffabrik Fasan in Bobingen.

Die auch heute noch umgangssprachlich für Munitionsanstalten verwendete Kurzbezeichnung lautete Muna.

Organisation und Bezeichnungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Munitionsanstalten des kaiserzeitlichen Deutschen Heeres waren in Munitionsanfertigungsstellen und Munitionsdepots untergliedert und Bestandteile von Artilleriedepots. Innerhalb der deutschen Wehrmacht zur Zeit des Nationalsozialismus verfügte jede der drei Teilstreitkräfte (Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe) aufgrund der spezifischen Munition über eigene Munitionsanstalten.

Munitionsanstalten des Heeres führten die Bezeichnung Heeres-Munitionsanstalt und Heeres-Nebenmunitionsanstalt. Die Munitionsanstalten der Luftwaffe wurden Luftwaffenhauptmunitionsanstalt und Luftwaffenmunitionsanstalt genannt. Für die Munitionsanstalten der Kriegsmarine waren bis 1943 die Bezeichnungen Marine-Artilleriezeugamt und Marine-Sperrzeugamt, später dann Marine-Artilleriearsenal und Sperrwaffenarsenal gebräuchlich.

Die Heeres-Munitionsanstalten waren den Wehrkreiskommandos in den Wehrkreisen unterstellt. Luftwaffen-Munitionsanstalten unterstanden den Luftzeuggruppen der Luftgaue, Marine-Munitionsanstalten den Marineinspektionen der Marinestationen.

Insgesamt existierten zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich und den angrenzenden, während des Zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten rund 370 Munitionsanstalten. Sie waren vor allem aus Sicherheitsgründen und mit Rücksicht auf mögliche feindliche Luftangriffe zumeist in ländlichen Regionen und hier insbesondere in Waldgebieten errichtet worden.

Aufgaben und Infrastruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Munitionsanstalten wurde hauptsächlich aus scharfen und unscharfen Munitionsteilen gebrauchsfähige Munition erstellt, und die aus dem Kampfgebiet zurückgeführten beschossenen Munitionsteile wurden instand gesetzt oder delaboriert. Fertiggestellte Munition wurde gelagert und gewartet und nach Anweisung verladen und versandt. Einzelne Munitionsanstalten verfügten auch über eigene Füllstellen für Spreng- oder Kampfstoffe und Lagermöglichkeiten für Kampfstoffmunition.

Heeres-Munitionsanstalten dienten sowohl der Laborierung als auch der Lagerung von Infanterie- und Artilleriemunition des Heeres, während Heeres-Nebenmunitionsanstalten in der Regel nur für die Lagerung dieser Munitionsarten verwendet wurden. In Luftmunitionsanstalten wurde die Laborierung und Lagerung von Abwurf-, Bordwaffen-, Infanterie-, Leucht- und Signalmunition der Luftwaffe sowie die Bereitstellung von Flakmunition durchgeführt, während in Lufthauptmunitionsanstalten ausschließlich Flakmunition erstellt wurde.

Oberirdischer Bunker der früheren Luftmunitionsanstalt Hohenleipisch mit Erdaufschüttung und Baumbestand als Tarnung.

Für die anfallenden Arbeiten verfügte eine Munitionsanstalt u. a. über Munitionsarbeitshäuser zur Laborierung und Delaborierung der Munition. Packmittelschuppen dienten zur Aufbewahrung von leeren Munitionskisten. Munition und Munitionsteile wurden in Munitionshäusern gelagert, die oft als oberirdische Bunker mit Erdaufschüttung ausgeführt waren. Diese Aufschüttung wurde zur Tarnung gegen Fliegersicht wieder mit Bäumen bepflanzt. Bei einer Reihe von Heeres-Munitionsanstalten befand sich das Munitionslager unter Tage in Schächten stillgelegter Kalibergwerke. Zu einer Munitionsanstalt gehörten weiterhin auch eigene Werkstätten-, Versorgungs- und Transporteinrichtungen (Anschlussgleise, eigenes Straßen- und Wegenetz).

Munitionsanstalten gliederten sich stets in mehrere, aus Sicherheitsgründen räumlich (zumeist durch Waldstreifen) getrennte Funktionsbereiche. Dies waren das Wohn-, das Verwaltungs- und das Fertigungsgebiet (Arbeitsbereich) sowie das Munitionslager.[2] Letzteres machte flächenmäßig den größten Teil einer Munitionsanstalt aus. Das Wohn- und Verwaltungsgebiet befand sich aus Sicherheitsgründen immer in einigem Abstand von den Munitionslager- und Arbeitsbereichen und umfasste eigene Arbeitersiedlungen mit einer Standortverwaltung. Während des Zweiten Weltkrieges mussten in allen Munitionsanstalten der deutschen Wehrmacht auch viele Dienstverpflichtete und Zwangsarbeiter sowie teilweise KZ-Häftlinge arbeiten, für die eigene Arbeiterlager angelegt wurden.

Nutzung nach 1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden von deutscher Seite vor dem Herannahen alliierter Truppen bei vielen Munitionsanstalten Zerstörungsversuche vorgenommen. Die Alliierten nahmen nach der Besetzung der Munitionsanstalten in der Regel weitere mehr oder weniger systematische Sprengungen vor.

Auf dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen wurden die stark beschädigten Munitionsanstalten oftmals schon kurze Zeit nach Kriegsende als Wohnraum für Flüchtlinge und Vertriebene genutzt. Dabei wurden nicht nur die vorhandenen Häuser in den Siedlungen der Munitionsanstalten einbezogen, sondern nicht selten auch die Bunker (sofern nicht durch Sprengung zerstört). Mit einfachen Mitteln wurden mühsam Fenster und Türen in die Bunker gebrochen und die Tarnung entfernt. Diese Wohnstätten wurden vielfach als Wohnsärge bezeichnet.[2]

Ehemalige Munitionsanstalten waren wegen des vorhandenen Straßennetzes, der Gleisanlagen und der großzügig dimensionierten Wasser- und Stromversorgung als Ansiedlungskerne geeignet, die häufig zur Schaffung von Kleinindustrie und Handwerk genutzt wurden.[3] Auf diese Weise entstanden teilweise völlig neue Städte und Gemeinden, wie etwa Espelkamp in Nordrhein-Westfalen, Traunreut in Bayern und Trappenkamp in Schleswig-Holstein.

Mit dem Beginn des Kalten Krieges wurden viele Munitionsanstalten in beiden Teilen Deutschlands auch wieder militärisch als Munitionsdepot, Kaserne oder Truppenübungsplatz genutzt. Nach teilweise jahrzehntelanger militärischer Nutzung besteht bei vielen ehemaligen Munitionsanstalten das Problem der Bodensanierung. Mancherorts wurden bei der Konversion auch Kampfmittel (Blindgänger) entdeckt und beseitigt.

Einzelne Munitionsanstalten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den nachfolgenden Listen sind ausschließlich diejenigen Munitionsanstalten aufgeführt, über die ein eigener Wikipedia-Artikel existiert oder die in einem Abschnitt eines anderen Artikels beschrieben werden. Sie sind alphabetisch nach dem Ortsnamen aufgelistet.

Einzelne Heeresmunitionsanstalten gegliedert nach Wehrkreisen.

  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Munitionsanstalten:
    • Heeresmunitionsanstalt Jüterbog
    • Heeresmunitionsanstalt Neuruppin
    • Heeresmunitionsanstalt Pinnow
    • Heeresmunitionsanstalt Sonnenberg
    • Heeresmunitionsanstalt Töpchin
    • Heeresmunitionsanstalt Krugau
  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Nebenmunitionsanstalten:
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Breslau
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Oppeln
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Liegnitz
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Glogau
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Schweidnitz
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Sprottau
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Neuhammer
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Lamsdorf
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Hrabin
  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Nebenmunitionsanstalten:
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Hall
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Graz
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Salzburg
  • Nebenmunitionsanstalten:
  • Nebenmunitionsanstalten:
    • Heeresnebenmunitionsanstalt Litzmannstadt

Einzelne Luftwaffenmunitionsanstalten gegliedert nach Luftzeuggruppen. Diese Luftzeuggruppen orientierten sich geographisch an der Einteilung der Luftgaue.

Luftzeuggruppe 1 Königsberg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 3 Berlin

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 6 Münster

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 7 München

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 8 Breslau

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Munitionsanstalten:
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 2/VIII Krappitz
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 2/II Regny
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 3/VIII Striegau

Luftzeuggruppe 11 Hannover

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 12 Wiesbaden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luftzeuggruppe 17 Wien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Hauptmunitionsanstalten:
    • Luftwaffen-Haupt-Munitionsanstalt 1/XVII Lambach
  • Munitionsanstalten:
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 1/XVII Felixdorf
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt Hölles
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 2/XVII Sobinau

Luftzeuggruppe See Kiel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Munitionsanstalten:
    • Luftwaffen-Munitionsanstalt 8/XI/See Diekhof

Luftzeuggruppe Norwegen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Munitionsanstalten:
  • Uwe Otte,Stefan Heinecke, Bettina Köchling: Volksgenossen, die Fahnen raus! NS-Alltag und Rüstungsproduktion in Lehre. Zur Geschichte der Ortschaft und ihrer Muna. Lehre 1990.
  • Barbara Hillmann, Volrad Kluge, Erdwig Kramer: Lw. 2/ IX, Muna Lübberstedt. Zwangsarbeit für den Krieg. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 978-3-86108-254-5.
  • Rainer Fabisch: Lufthauptmunitionsanstalt I/XI – Muna Hambühren. Hambühren 2003, ISBN 978-3-00-010803-7.
  • Johannes Preuss, Frank Eitelberg: Heeres-Munitionsanstalt Lübbecke: Vorgeschichte der Stadt Espelkamp. Hrsg.: Geographisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Mainz 2003, ISBN 978-3-00-012863-9.
  • Jan R. Friedrichs: Die Muna Haid in Engstingen. Oertel und Spörer, Reutlingen 2004, ISBN 978-3-88627-278-5.
  • Bernd Klinkhardt, Günter Freudenberg, Ulrich Marose: Lufthauptmunitionsanstalt Wolfhagen LHMa 1/XII Wn: Geschichte und Gegenwart einer ehemaligen Munitionsfabrik. Regionalmuseum Wolfhager Land, Wolfhagen 2004, ISBN 978-3-924219-18-5.
  • Dankmar Leffler: 70 Jahre Pulverfass in Thüringen. Die Muna zwischen Crawinkel–Wölfis–Luisenthal und Ohrdruf. Crawinkel 2004.
  • Gebhard Blank, Bettina Kahl, Mathias Hufschmid: Die Geschichte der Muna Urlau. Heimatpflege Leutkirch, Leutkirch 2007, ISBN 978-3-00-022748-6.
  • Sarah Kristin Kleinmann: Hier ist irgendwie ein großes Stillschweigen. Das kollektive Gedächtnis und die Zwangsarbeit in der Munitionsanstalt Haid in Engstingen. Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 2011, ISBN 978-3-932512-71-1.
  • Frank Branowski: Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929–1945. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2017, ISBN 978-3-95966-266-6.
  • Frank Branowski: Heeresmunitionsanstalten in stillgelegten Kaliwerken im Südharz- und Werragebiet. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2018, ISBN 978-3-95966-282-6.
  • Carsten Eigner: Muna im Wald, wir finden dich bald! Die Luftmunitionsanstalt Hartmannshain (Muna) bei Grebenhain im Vogelsberg von 1936 bis 1945 und das Muna-Gelände von 1946 bis heute. Hrsg.: Förderverein MUNA-Museum Grebenhain e. V. Grebenhain 2018, ISBN 978-3-00-059616-2.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Bericht über die Exkursion nach Wiener-Neustadt am 12. Mai 1904.Zeitschrift des oesterr(eichischen)/österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein(e)s, Jahrgang 1904, S. 515 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/zia
  2. a b Egon Lendl: Wandel der Kulturlandschaft. In: Eugen Lemberg, Friedrich Edding (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland (Band I). Verlag Ferdinand Hirt, Kiel, 1959, S. 486–492.
  3. Elisabeth Pfeil: Städtische Neugründungen. In: Eugen Lemberg, Friedrich Edding (Hrsg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland (Band I). Verlag Ferdinand Hirt, Kiel, 1959, S. 505–492.
  4. Orchideen hinter Stacheldraht auf swp.de
  5. https://www.relikte.com/cux_sperr/