Ferrari 156

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ferrari 156
Giancarlo Baghetti im Ferrari 156 beim Großen Preis von Italien 1962

Giancarlo Baghetti im Ferrari 156 beim Großen Preis von Italien 1962

Konstrukteur: Italien Scuderia Ferrari
Designer: Carlo Chiti
Vorgänger: Ferrari Dino 246F1
Nachfolger: Ferrari 158
Technische Spezifikationen
Chassis: Gitterrohrrahmen
Motor: Ferrari V6 (65° oder 120°)
mit 1476 cm³
Länge: 4030 mm
Breite: 1400 mm
Höhe: 1000 mm
Radstand: 2320 mm
Gewicht: 420 kg
Reifen: Dunlop
Benzin: Shell
Statistik
Fahrer: Vereinigte Staaten Phil Hill
Deutschland Wolfgang von Trips
Vereinigte Staaten Richie Ginther
Italien Giancarlo Baghetti
Mexiko Pedro Rodríguez
Mexiko Ricardo Rodríguez
Italien Lorenzo Bandini
Belgien Olivier Gendebien
Belgien Willy Mairesse
Vereinigtes Konigreich John Surtees
Italien Ludovico Scarfiotti
Vereinigtes Konigreich Innes Ireland
Erster Start: Großer Preis von Monaco 1961
Starts Siege Poles SR
25 5 7 5
WM-Punkte: k. A. / tba
Podestplätze: k. A. / tba
Führungsrunden: k. A. / tba
Vorlage:Infobox Rennwagen/Wartung/Alte Parameter
Die beiden Werks-156 von Wolfgang Graf Berghe von Trips und Phil Hill beim Großen Preis der Niederlande 1961
Phil Hill im Ferrari 156 beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring 1962
Ferrari 156 in Goodwood 2014
Ferrari 156 Replika beim Solitude Festival 2019

Der Ferrari 156, Ferrari 156 F1, war ein Formel-1-Wagen, den die Scuderia Ferrari 1961 und 1962 baute und einsetzte. Er ist eins der bekanntesten Formel-Fahrzeuge der Motorsportgeschichte, der Rennwagen mit dem „Haifischmaul“ (Sharknose), mit dem der deutsche Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips 1961 als Führender in der Weltmeisterschaft tödlich verunglückte.

Entwicklungsgeschichte und Technik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Überlegenheit des Wagens ergab sich aus der Kraft seines 1,5-Liter-V6-Motors, der die Schwächen des Fahrgestells mehr als ausglich. Der 156 war der erste Ferrari mit einem Mittelmotor. Das Konzept für das Auto stammte von Carlo Chiti, der Motor wurde nach einem Entwurf von Mauro Forghieri gebaut, der in den nächsten 25 Jahren für die Ferrari-Rennmotoren verantwortlich war.

Der Motor war leicht und leistete bei knapp 1,5 Liter Hubraum 190 PS bei 9500/min. Das Aggregat war extrem tief im Fahrgestell eingebaut, was den Schwerpunkt des gesamten Wagens positiv beeinflusste. Chiti folgte bei seinem Ansatz der Linienführung des Ferrari 246P, allerdings war der 156 kürzer und das Fahrgestell basierte auf vier großen Rohrträgern. In der ersten Ausführung hatte der Motor einen Zylinderbankwinkel von 65°, im weiteren Verlauf der Bauzeit jedoch im Interesse eines noch tieferen Schwerpunkts einen Winkel von 120°. Außerdem kam dieser größere Winkel dem Einbau unterschiedlicher Vergaser und eventuell auch einer Einspritzanlage entgegen. Die 65°-Version hatte einen Hubraum von 1484 cm³ (Bohrung 73 mm, Hub 59,1 mm) gegenüber der 120°-Version mit auf 58,8 mm verringertem Hub und 1476,6 cm³. Die Verdichtung betrug 9,8 : 1. Der Motor hatte zwei von Ketten angetriebene obenliegende Nockenwellen je Zylinderreihe, zwei Weber-Dreifachvergaser 40 1F 3 C (120°-Version), einen Zündverteiler, aber zwei Zündspulen und zwei Zündkerzen pro Zylinder.[1]

Hinter dem Motor war ein Fünfgang-Schaltgetriebe Ferrari Type 543/C eingebaut (1962 ein Sechsganggetriebe).[2]

Saisons 1961 und 1962

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wagen war von Beginn an voll konkurrenzfähig. 1961 wurde das Team der Scuderia nur dreimal geschlagen. Giancarlo Baghetti gewann den Gran Premio di Siracusa, der nicht zur Weltmeisterschaft zählte, und seinen ersten Weltmeisterschaftslauf, den Großen Preis von Frankreich. Allerdings war der Wagen bei diesen beiden Rennen offiziell von der FISA gemeldet. Beim Großen Preis von Deutschland bzw. Großen Preis von Europa am 6. August 1961 waren die Ferraris die Favoriten; mit vier Wagen war das Team am Start: Wolfgang Graf Berghe von Trips, Phil Hill und Richie Ginther jeweils mit dem 120°-Motor, Willy Mairesse mit dem 65°-Aggregat. Phil Hill fuhr Trainingsbestzeit, von Trips unterbot mit 8:59,9 Minuten als Erster in einem Rennen die 9-Minuten-Grenze auf dem Nürburgring, Phil Hill fuhr wenig später mit 8:57,8 Minuten neuen Rundenrekord. Doch schon in der ersten Runde des Rennens hatte Stirling Moss im wesentlich schwächeren Lotus die Führung übernommen und gewann mit 21,4 Sekunden Vorsprung vor von Trips; Phil Hill wurde Dritter.[3]

Im Titelduell mit Phil Hill verunglückte Wolfgang Graf Berghe von Trips beim Großen Preis von Italien in Monza tödlich. Hill wurde Weltmeister und fuhr damit den ersten Fahrertitel für Ferrari seit 1958 ein. Auch die Konstrukteursweltmeisterschaft ging an Ferrari.

In der Winterpause 1961/1962 verließ mit Carlo Chiti ein wichtiger Manager und Ingenieur die Scuderia. Die Weiterentwicklung des 156 geriet ins Stocken. Der Wagen war mit dem V6-Motor den britischen Teams mit ihren V8-Aggregaten inzwischen unterlegen. 1962 konnte kein Weltmeisterschaftslauf gewonnen werden, es reichte nur für zwei Siege bei Rennen, die nicht zur Weltmeisterschaft zählten.

1963 und 1964 mit neuen Wagen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wagen für 1963 war eine Weiterentwicklung des 156 und nur eine Zwischenlösung. Forghieri, der auch die Arbeit am Fahrwerk übernommen hatte, entwickelte einen leichteren Gitterrohrrahmen und eine neue Hinterradaufhängung. Es war eine Konstruktion aus oberen und unteren Querlenkern mit doppelten Zugstreben. Durch eine neue Kraftstoffeinspritzung wurde die Leistung des Motors auf 200 PS erhöht. Gegen Ende des Jahres wurde der Wagen komplett umgebaut. Jetzt wurde der Motor als tragendes Element in ein Halbmonocoque eingebaut, das eigentlich für den neuen V8-Motor aufgebaut worden war. Dieses Monocoque wurde auch 1964 für den Ferrari 158 verwendet. Der Wagen bekam die Bezeichnung 156 Aero und wurde 1964 noch teilweise eingesetzt.

Siegerwagen war der 156 aber nicht mehr; 1963 war Ferrari dem Lotus 25 mit Jim Clark völlig unterlegen. Erst mit dem Nachfolger, dem 158, wendete sich das Blatt wieder und die Scuderia gewann 1964 sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteuersweltmeisterschaften.

Fahrer des Ferrari 156

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der 156 wurde von Spitzenfahrern seiner Zeit pilotiert. Neben Baghetti, Hill und von Trips fuhren Lorenzo Bandini, Olivier Gendebien, Richie Ginther, Innes Ireland (an ihn wurde 1962 ein 156 für ein Rennen verliehen)[4], Willy Mairesse, Pedro Rodríguez, Ricardo Rodríguez, Ludovico Scarfiotti und John Surtees diesen Spitzenwagen.

Ein Replikat des 156 ist im Museo Nazionale dell’Automobile in Turin ausgestellt.[5]

Replikate anstelle von Originalen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die Saison 1962 für Ferrari nicht den erwarteten Erfolg gebracht hatte, ließ Enzo Ferrari die Wagen verschrotten. Teile des Typs 156 wurden im Ferrari für 1963 verwandt, sodass einige Motoren, Getriebe und Kleinteile überdauerten. Keiner der neun Ferrari 156 F1 von 1961/62 ist erhalten. Wie es heißt, wurden die Fahrzeuge geschreddert und auf dem Werksgelände einbetoniert.[6]

1995 ließ der Musiker Chris Rea für den von ihm geschriebenen Film La Passione über Erinnerungen an Wolfgang Graf Berghe von Trips nachbauen. In rund 2000 Arbeitsstunden fertigte der Oldtimer-Restaurator Paul Harvey den Wagen nach alten Konstruktionszeichnungen und Fotos, mit einem Dino-206-Motor und einem Hewland-Getriebe. Im Dezember 2000 ersteigerte der niederländische Rennfahrer John Bosch den Wagen und zeigte ihn 2001 beim Festival of Speed in Goodwood, gefahren von Phil Hill, der 1961 mit dem Ferrari 156 Weltmeister geworden war. Einige Zeit später fand Bosch einen Originalmotor und ein Originalgetriebe, die er von Terry Hoyle Race Engineers einbauen ließ.[7]

In den Jahren 2003 bis 2009 ließ der Belgier Jan Biekens ein Replikat des gelben Ferrari herstellen, den Olivier Gendebien unter anderem in Spa-Francorchamps fuhr. Projektleiter war Mike Mark, der unzählige Zeichnungen anfertigte und kleinste Teile wie Schrauben neu konstruierte. Hilfreich war eine Originalzeichnung vom 29. November 1960, nach der Pete Watts den Rohrrahmen und der Spengler Gary Yates über einem Holzgerippe die Karosserie anfertigte. Borrani konnte originalgetreue Räder liefern, da das Formular mit den Fertigungsnummern von 1961 noch vorhanden war. Nach etlichen Auftritten bei Oldtimerveranstaltungen steht der Wagen seit 2011 im „Museo Ferrari“ in Maranello, allerdings nicht mehr in der belgischen Rennfarbe Gelb, sondern in Ferrari-Rot.[8]

Die möglicherweise aufwendigsten Replikate ließ Jason Stuart Wright von 2013 bis 2017 bei Setford and Company herstellen, mit der Nr. 2 den Ferrari 156 von Phil Hill und mit der Nr. 8 den Wagen von Ricardo Rodríguez, wie sie 1961 in Monza am Start waren. Wright legte Wert darauf, dass die Fahrzeuge wie damals aufgebaut wurden, unter anderem mit der Gasschweißmethode wie 50 oder 60 Jahre früher.[9]

Komplette Ergebnisse des Ferrari 156 in der Formel-1-Weltmeisterschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ferrari 156 wurde neben der Scuderia auch noch von anderen Teams eingesetzt. Untenstehende Tabelle listet sämtliche Ergebnisse die mit diesem Typ erzielt wurden auf.

Jahr Team Fahrer Rennen Punkte WCC
1961 Scuderia Ferrari 40 (52) 1.
Vereinigte Staaten Richie Ginther 2 5 3 15 3 8 DNF DNA
Vereinigte Staaten Phil Hill 3 2 1 9 2 3 1 DNA
Deutschland Wolfgang von Trips 4 1 2 DNF 1 2 DNF
Belgien Olivier Gendebien 4
Belgien Willy Mairesse DNF DNF
Mexiko Ricardo Rodríguez DNF
Mexiko Pedro Rodríguez DNA
FISA Italien Giancarlo Baghetti 1
Scuderia Sant’Ambroeus DNF DNF
1962 Scuderia Ferrari 18 6.
Vereinigte Staaten Phil Hill 3 2 3 DNA DNF DNF 11
Italien Giancarlo Baghetti 4 DNF DNA 10 5 DNA
Mexiko Ricardo Rodríguez DNF DNS 4 DNA DNA 6 14
Italien Lorenzo Bandini 3 DNA DNF 8 DNA
Belgien Willy Mairesse 7 Ret 4 DNA
1963 Scuderia Ferrari 26 4.
Belgien Willy Mairesse DNF DNF DNF
Vereinigtes Konigreich John Surtees 4 DNF 3 DNF 2 1 DNF 9 DSQ DNF
Italien Ludovico Scarfiotti DNA 6 DNS
Italien Lorenzo Bandini DNF 5 DNF 5
1964 Scuderia Ferrari 45 (49) 1.
Italien Lorenzo Bandini 10 5 3 1
Italien Ludovico Scarfiotti 9
North American Racing Team Mexiko Pedro Rodríguez 6
Legende
Farbe Abkürzung Bedeutung
Gold Sieg
Silber 2. Platz
Bronze 3. Platz
Grün Platzierung in den Punkten
Blau Klassifiziert außerhalb der Punkteränge
Violett DNF Rennen nicht beendet (did not finish)
NC nicht klassifiziert (not classified)
Rot DNQ nicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQ in Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
Schwarz DSQ disqualifiziert (disqualified)
Weiß DNS nicht am Start (did not start)
WD zurückgezogen (withdrawn)
Hellblau PO nur am Training teilgenommen (practiced only)
TD Freitags-Testfahrer (test driver)
ohne DNP nicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJ verletzt oder krank (injured)
EX ausgeschlossen (excluded)
DNA nicht erschienen (did not arrive)
C Rennen abgesagt (cancelled)
  keine WM-Teilnahme
sonstige P/fett Pole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8 Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursiv Schnellste Rennrunde
* nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
() Streichresultate
unterstrichen Führender in der Gesamtwertung
Commons: Ferrari 156 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Ferrari.com Informationen zum Ferrari 156 F1. Abgerufen am 18. Mai 2020 (en).
  • Ultimatecarpage.com Artikel, Bilder und technische Informationen. Abgerufen am 18. Mai 2020 (en).
  • YouTube: 1961 Ferrari 156 F1 'Sharknose' Video von zwei „perfekt aufgebauten Repilicas“ (65° & 120° 1.5L V6) Sound - Warm Up & Beschleunigung.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. N. Lauda, A. Jones, J. Ickx: Auto Elite. Deutsche Ausgabe: Motorbuch Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-613-01170-0, S. 95.
  2. Ultimate Carpage. Abgerufen am 13. August 2022.
  3. Thora Hornung: 50 Jahre Nürburgring. Görres-Verlag, Koblenz 1977.
  4. Innes Ireland und Ferrari
  5. FERRARI MOD. 156 F1. www.museoauto.com, abgerufen am 11. Mai 2020 (italienisch).
  6. Jörg-Thomas Födisch: Historischer Rennsport. Abgerufen am 13. August 2022.
  7. Steve Havelock: Auf Spurensuche. In: Curbs, Heft 50, Medien Bonn GmbH, 2022, S. 95 u. 96.
  8. Jan Biekens: Von Gelb auf Rot. In: Curbs, Heft 50, Medien Bonn GmbH, 2022, S. 98–101.
  9. Jason Stuart Wright: Legende „Sharknose“. In: Curbs, Heft 50, Medien Bonn GmbH, 2022, S. 104–107.